Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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Goten noch. Geh, Hildebad, nimm dort Krone und Stab!

      Geh ins Lager der Empörer, lege sie dem jungen Arahad zu Füßen: er soll sich mit Mataswintha vermählen; ich und mein Heer, wir grüßen ihn als König.» Und er warf sich erschöpft aufs Lager.

      «Du sprichst wieder im Wundfieber», sagte der Alte. «Das ist unmöglich!» schloß Teja.

      «Unmöglich! Alles unmöglich? Der Kampf unmöglich? Und die Entsagung? Ich sage dir, Alter: es gibt nichts andres nach der Botschaft aus Ravenna.» Er schwieg.

      Die drei warfen sich bedeutende Blicke zu.

      Endlich forschte der Alte: «Wie lautet sie? Vielleicht findet sich doch ein Ausweg? Acht Augen sehen mehr als zwei.»

      «Nein», sagte Witichis, «hier nicht, hier ist nichts zu sehen: sonst hätt’ ich’s euch längst gesagt, aber es konnte zu nichts führen. Ich hab’s allein erwogen. Dort liegt das Pergament aus Ravenna, aber schweigt vor dem Heer.»

      Der Alte nahm die Rolle und las: «Die gotischen Krieger und das Volk von Ravenna an den Grafen Witichis von Fasulä!»

      «Die Frechen!» rief Hildebrand dazwischen.

      «Den Herzog Guntharis von Tuscien und den Grafen Arahad von Asta. Die Goten und die Bürger dieser Stadt erklären den beiden Heerlagern vor ihren Toren, daß sie getreu dem erlauchten Hause der Amalungen und eingedenk der unvergeßlichen Wohltaten des großen Königs Theoderich, bei diesem Herrscherstamm ausharren werden, solang noch ein Reis desselben grünt. Wir erkennen deswegen nur Mataswintha als Herrin der Goten und Italier an. Nur der Königin Mataswintha werden wir diese festen Tore öffnen und gegen jeden andern unsre Stadt bis zum äußersten verteidigen.»

      «Diese Rasenden», sagte Teja. «Unbegreiflich», versetzte Hildebad.

      Aber Hildebrand faltete das Pergament zusammen und sagte: «Ich begreife es wohl. Was die Goten anlangt, so wißt ihr, daß Theoderichs ganze Gefolgschaft die Besatzung der Stadt bildet; diese Gefolgen aber haben dem König geschworen, seinen Stamm nie einem fremden König vorzuziehen. Auch ich hab’ diesen Eid getan; aber ich habe dabei immer an die Speerseite, nicht an die Spindeln, nicht an die Weiber, gedacht. Darum mußt’ ich damals für Theodahad stimmen, darum konnt’ ich nach dessen Verrat Witichis huldigen. Der alte Graf Grippa von Ravenna nun und seine Gesellen glauben sich auch an die Weiber des Geschlechts durch jenen Eid gebunden: und verlaßt euch darauf, diese grauen Recken, die ältesten im Gotenreich und Theoderichs Waffengenossen, lassen sich in Stücke hauen, Mann für Mann, eh’ sie von ihrem Eide lassen, wie sie ihn einmal deuten. Und, bei Theoderich, sie haben recht! Die Ravennaten aber sind nicht nur dankbar, sondern auch schlau: sie hoffen, Goten und Byzantiner sollen den Strauß vor ihren Wällen ausfechten. Siegt Belisar, der, wie er sagt, Amalaswintha zu rächen kommt, so kann er die Stadt nicht strafen, die zu ihrer Tochter gehalten: und siegen wir, so hat sie die Besatzung in der Burg gezwungen, die Tore zu sperren.»

      «Wie immer dem sei», fiel der König ein, «ihr werdet jetzt mein Verfahren verstehn. Erfuhr das Heer von jenem Bescheid, so mochten viele mutlos werden und zu den Wölsungen übergehn, in deren Gewalt die Fürstin ist. Mir blieben nur zwei Wege: die Stadt mit Gewalt zu nehmen – oder nachgeben: jenes haben wir gestern vergebens versucht, und ihr sagt, man könne es nicht wiederholen. So erübrigt nur das andre: nachgeben. Arahad mag die Jungfrau freien und die Krone tragen; ich will der Erste sein, ihm zu huldigen und mit seinem tapfren Bruder sein Reich zu schirmen.»

      «Nimmermehr!» rief Hildebad, «du bist unser König und sollst es bleiben. Nie beug’ ich mein Haupt vor jenem jungen Fant. Laß uns morgen hinüberrücken gegen die Rebellen, ich allein will sie aus ihrem Lager treiben und das Königskind, vor dessen Hand wie durch Zauber jene festen Tore aufspringen sollen, in unsre Zelte tragen.»

      «Und wenn wir sie haben?» sagte Teja, «was dann? Sie nützt uns nichts, wenn wir sie nicht als Königin begrüßen. Willst du das? Hast du nicht genug an Amalaswintha und Gothelindis? Nochmals Weiberherrschaft?»

      «Gott soll uns davor schützen!» lachte Hildebad.

      «So denke ich auch», sprach der König, «sonst hätt’ ich längst diesen Weg ergriffen.»

      «Ei, so laß uns hier liegen und warten, bis die Stadt mürbe wird.»

      «Geht nicht», sagte Witichis, «wir können nicht warten. In wenigen Tagen kann Belisar von jenen Hügeln steigen und nacheinander mich, Herzog Guntharis und die Stadt bezwingen; dann ist’s dahin, das Reich und das Volk der Goten. Es gibt nur zwei Wege: Sturm –»

      «Unmöglich», sprach Hildebrand.

      «Oder nachgeben. Geh, Teja, nimm die Krone. Ich sehe keinen Ausweg.»

      Die beiden jungen Männer zauderten.

      Da sprach mit einem ernsten, trauervollen Blick der Liebe auf den König der alte Hildebrand: «Ich sehe den Ausweg, den schmerzvollen, den einzigen. Du mußt ihn gehen, mein Witichis, und bricht dir siebenmal das Herz.» Witichis sah ihn fragend an, auch Teja und Hildebad staunten ob der Weichheit des felsharten Alten.

      «Geht ihr hinaus», fuhr dieser fort, «ich muß allein sprechen mit dem König.»

      Fünfzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Schweigend verließen die beiden Goten das Zelt und schritten draußen, den Ausgang abwartend, die Lagergasse auf und nieder. Aus dem Zelt drang hin und wieder Hildebrands Stimme, der in langer Rede den König zu ermahnen und zu drängen schien, und hin und wieder ein Ausruf des Königs.

      «Was kann nur der Alte sinnen?» fragte Hildebad, stillhaltend, «weißt du’s nicht?» – «Ich ahn’ es», seufzte Teja, «armer Witichis!» – «Zum Teufel, was meinst du?» – «Laß», sagte Teja, «es wird bald genug auskommen.»

      So verging geraume Zeit.

      Heftiger und schmerzlicher klang die Stimme des Königs, der sich der Reden Hildebrands mächtig zu erwehren schien.

      «Was quält der Eisbart den wackern Helden?» rief Hildebad ungeduldig. «Es ist, als wollt’ er ihn ermorden. Ich will hinein und helf’ ihm.»

      Aber Teja hielt ihn an der Schulter.

      «Bleib», sagte er. «Es muß wohl sein.»

      Während sich Hildebad losmachen wollte, nahte Lärm von Stimmen aus dem oberen Ende der Lagergasse. Zwei Wachen bemühten sich vergebens, einen starken Goten zurückzuhalten, der, mit allen Zeichen langen und eiligen Rittes bedeckt, sich gegen das Zelt des Königs drängte.

      «Laß mich los», rief er, «guter Freund, oder ich schlage dich nieder.»

      Und drohend hob er eine wuchtige Streitaxt.

      «Es geht nicht. Du mußt warten. Die großen Heerführer sind bei ihm im Zelt.»

      «Und wären alle großen Götter Walhalls samt dem Herrn Christus bei ihm im Zelt, ich muß zu ihm. Erst ist der Mensch Vater und Gatte und dann König. Laß los, rat’ ich dir.»

      «Die Stimme kenn’ ich», sagte Graf Teja, nähertretend – «und den Mann. Wachis, was suchst du hier im Lager?»

      «O Herr», rief der treue Knecht, «wohl mir, daß ich euch treffe. Sagt diesen guten Leuten, daß sie mich loslassen. Dann brauch’ ich sie nicht niederzuschlagen. Ich muß gleich zu meinem armen Herrn.»

      «Laßt ihn los, sonst hält er Wort: ich kenne ihn. Nun, was willst du bei dem König?»

      «Führt mich nur gleich zu ihm. Ich bring’ ihm schwarze, schwere Kunde von Weib und Kind.»

      «Von Weib und Kind?» fragte Hildebad erstaunt. «Ei, hat Witichis ein Weib?»

      «Die wenigsten wissen es», sagte Teja. «Sie verließ fast nie ihr Gut, kam nie zu Hof. Fast niemand kennt sie: aber wer sie kennt, der ehrt sie