Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
Скачать книгу

      «Ich fand die Urkunde im Archiv der Kirche vor wenigen Monden. Ist dem so, wie ihr sagt, so bin ich getäuscht, wie ihr.»

      «Wir sind aber nicht getäuscht», lächelte Cethegus.

      «Ich wußte nichts von jenem Stempel, ich schwöre es bei den Wunden Christi.» – «Das glaub’ ich dir ohne Schwur, Heiliger Vater», fiel Cethegus ein. – «Du wirst einsehn, Priester», sprach Belisar, sich erhebend, «daß über diese Sache die strengste Untersuchung… » –

      «Ich verlange sie», sprach Silverius, «als mein Recht.»

      «Es soll dir werden, zweifle nicht! Aber nicht ich darf es wagen, hier zu richten: nur die Weisheit des Kaisers selbst kann hier das Recht finden. Vulkaris, mein getreuer Heruler, dir übergeb’ ich die Person des Bischofs. Du wirst ihn sogleich auf ein Schiff bringen und nach Byzanz führen.»

      «Ich lege Verwahrung ein», sprach Silverius. «Über mich kann niemand richten auf Erden als ein Konzil der ganzen rechtgläubigen Kirche. Ich verlange, nach Rom zurückzukehren.»

      «Rom siehst du niemals wieder! Und über deine Rechtsverwahrung wird der Kaiser Justinian, der Kaiser des Rechts, mit Tribonian entscheiden. Aber auch deine Genossen, Scävola und Albinus, die falschen Mitankläger des Präfekten, der sich als des Kaisers treuster, klügster Freund erwiesen, sind hoch verdächtig. Justinian entscheide, wieweit sie unschuldig. Auch sie führt in Ketten nach Byzanz. Zu Schiff! Dort hinaus, zur Hintertür des Zeltes, nicht durchs Lager. Vulkaris, dieser Priester aber ist des Kaisers gefährlichster Feind. Du bürgst für ihn mit deinem Kopf.»

      «Ich bürge», sprach der riesige Heruler, vortretend und die gepanzerte Hand auf des Bischofs Schulter legend. «Fort mit dir, Priester, zu Schiff! Er stirbt, eh’ er mir entrissen wird.»

      Silverius sah ein, daß weiteres Widerstreben nur seine Würde gefährdende Gewalt hervorrufen werde. Er fügte sich und schritt neben dem Germanen, der die Hand nicht von seiner Schulter löste, nach der Tür im Hintergrund des Zeltes, die eine der Wachen auftat.

      Er mußte hart an Cethegus vorbei. Er beugte das Haupt und sah ihn nicht an, aber er hörte, wie dieser ihm zuflüsterte: «Silverius, diese Stunde vergilt deinen Sieg in den Katakomben. Nun sind wir wett!»

      Dreizehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Sowie der Bischof das Zelt verlassen, erhob sich Belisar lebhaft von seinem Sitze, eilte auf den Präfekten zu, umarmte und küßte ihn: «Nimm meinen Dank, Cethegus Cäsarius! Ich werde dem Kaiser berichten, daß du ihm heute Rom gerettet hast. Dein Lohn wird nicht ausbleiben.»

      Aber Cethegus lächelte: «Meine Taten belohnen sich selbst.»

      Den Helden Belisarius hatte der geistige Kampf dieser Stunde, der rasche Wechsel von Zorn, Furcht, Spannung und Triumph mehr als ein halber Tag des Kampfes unter Helm und Schild angestrengt und erschöpft.

      Er verlangte nach Erholung und Labung und entließ seine Heerführer, von denen keiner ohne ein Wort der Anerkennung an den Präfekten das Zelt verließ. Dieser sah seine Überlegenheit von allen, auch von Belisar, anerkannt; es tat ihm wohl, in dieser Stunde den schlauen Bischof vernichtet und die stolzen Byzantiner gedemütigt zu haben. Aber er wiegte sich nicht müßig in dieser Siegesfreude. Dieser Geist kannte die Gefährlichkeit des Schlafes auf Lorbeer: Lorbeer betäubt.

      Er beschloß, sofort den Sieg zu verfolgen, die geistige Übergewalt, die er in diesem Augenblick über den Helden von Byzanz unverkennbar besaß, jetzt, unter ihrem ersten frischen Eindruck, mit aller Kraft zu benutzen und den lang vorbereiteten Hauptstreich zu führen. Während er mit solchen Gedanken dem Zug der Heerführer nachsah, die sich aus dem Zelt entfernten, merkte er nicht, daß zwei Augen mit eigentümlichem Ausdruck auf ihm ruhten. Es waren Antoninas Augen. Die Vorgänge, deren Zeugin sie gewesen, hatten einen seltsam gemischten Eindruck auf sie gemacht. Zum erstenmal hatte sie den Abgott ihrer Bewunderung, ihren Gatten, ohne alle eigne Kraft sich zu helfen und zu wehren, in den Schlingen eines andern, des klugen Priesters, liegen und nur durch die überlegene Kraft dieses dämonischen Römers gerettet gesehen. Anfangs hatte ihr in dem Gatten verletzter Stolz diese Demütigung mit schmerzlichem Haß gegen den Übermächtigen empfunden.

      Aber dieser Haß hielt nicht vor, und unwillkürlich trat, wie immer gewaltiger sich die Macht seiner Überlegenheit entfaltete, Bewunderung an des Verdrusses Stelle und erschreckte Unterordnung; sie empfand nur noch das eine: ihren Belisar hatte die Kirche und Cethegus hatte ihren Belisar und die Kirche verdunkelt. Und daran knüpfte sich unzertrennlich der ängstliche Wunsch, diesen Mann nie zum Feind, immer zum Verbündeten ihres Gatten zu haben. Kurz, Cethegus hatte an dem Weibe Belisars eine geistige Eroberung von größter Wichtigkeit gemacht: und er sollte es noch dazu sofort merken.

      Mit gesenkten Augen trat das schöne, sonst so sichre Weib auf ihn zu; er sah auf: da errötete sie über und über und reichte ihm eine zitternde Hand. «Präfekt von Rom», sagte sie, «Antonina dankt dir. Du hast dir ein großes Verdienst erworben um Belisarius und den Kaiser. Wir wollen gute Freundschaft halten.»

      Mit Staunen sah Prokop, der im Zelt zurückgeblieben, diesen Vorgang: «Mein Odysseus überzaubert die Zauberin Circe», dachte er.

      Cethegus aber erkannte im Augenblick, wie sich diese Seele vor ihm beugte, und welche Gewalt er dadurch über Belisar gewonnen. «Schöne Magistra Militum», sagte er, sich hoch aufrichtend, «deine Freundschaft ist der reichste Lorbeer meines Sieges. Ich stelle sie sogleich auf die Probe. Ich bitte dich und Prokop, meine Zeugen, meine Verbündeten zu sein in der Unterredung, die ich jetzt mit Belisar zu führen habe.»

      «Jetzt?» sagte Belisar ungeduldig. «Kommt, laßt uns erst zu Tische gehen und im Cäkuber den Sturz des Priesters feiern.» Und er schritt zur Türe.

      Aber Cethegus blieb ruhig stehen in der Mitte des Zeltes, und Antonina und Prokop lagen so ganz unter dem Bann seines Einflusses, daß sie nicht ihrem Herrn zu folgen wagten. Ja, Belisar selbst wandte sich und fragte: «Muß es denn jetzt gerade sein?»

      «Es muß», sagte Cethegus, und führte Antonina an der Hand nach ihrem Sitz zurück.

      Da schritt auch Belisar wieder zurück. «Nun, so sprich», sagte er, «aber kurz.»

      «So kurz als möglich. Ich habe immer gefunden, daß gegenüber großen Freunden oder großen Feinden Aufrichtigkeit das stärkste Band oder die beste Waffe ist. Danach werd’ ich in dieser Stunde handeln. Wenn ich sagte: mein Tun lohnt sich selbst, so wollt’ ich damit ausdrücken, daß ich dem falschen Priester die Herrschaft über Rom nicht eben um des Kaisers Willen entrissen.»

      Belisar horchte hoch auf. Prokop, erschrocken über diese allzu kühne Offenheit seines Freundes, machte ihm ein abmahnendes Zeichen.

      Antoninas rasches Auge hatte das bemerkt und stutzte, mißtrauisch über das Einverständnis der beiden. Cethegus entging dies nicht. «Nein, Prokop, sagte er zu Belisars Erstaunen, «unsere Freunde hier würden doch allzubald erkennen, daß Cethegus nicht der Mann ist, seinen Ehrgeiz in einem Lächeln Justinians befriedigt zu finden. Ich habe Rom nicht für den Kaiser gerettet.»

      «Für wen sonst?» fragte Belisar ernst.

      «Zunächst für Rom. Ich bin ein Römer. Ich liebe mein ewiges Rom. Es sollte nicht dem Priester dienstbar werden. Aber auch nicht die Sklavin des Kaisers. Ich bin Republikaner», sprach er, das Haupt trotzig aufwerfend.

      Über Belisars Antlitz flog ein Lächeln: der Präfekt schien ihm nicht mehr so bedeutend. Prokop sagte achselzuckend: «Unbegreiflich.» Aber Antoninen gefiel dieser Freimut.

      «Zwar sah ich ein, daß wir nur mit dem Schwerte Belisars die Barbaren niederschlagen können. Leider auch, daß unsere Zeit nicht ganz reif ist, mein Traumbild republikanischer Freiheit zu verwirklichen. Die Römer müssen erst wieder zu Catonen werden, dies Geschlecht muß aussterben, und ich erkenne, daß Rom einstweilen nur unter dem Schilde Justinians Schutz findet gegen die Barbaren.