Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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      «Das sind Träume, mein Präfekt», sagte Belisar mitleidig, «was haben sie für praktische Folgen?»

      «Die, daß Rom nicht mit gebundenen Händen, ohne Bedingung, der Willkür des Kaisers überliefert werden soll. Justinian hat nicht nur Belisar zum Diener. Denke, wenn der herzlose Narses dein Nachfolger würde!» – Die Stirn des Helden faltete sich. – «Deshalb will ich dir die Bedingungen nennen, unter denen die Stadt Cäsars dich und dein Heer in ihre Mauern aufnehmen wird.»

      Aber das war Belisar zuviel. Zürnend sprang er auf, sein Antlitz glühte, sein Auge blitzte. «Präfekt von Rom», rief er mit seiner rollenden Löwenstimme, «du vergißt dich und deine Stellung. Morgen brech’ ich auf mit meinem Herr von siebzigtausend Mann nach Rom. Wer wird mich hindern, einzuziehen in die Stadt, ohne Bedingung?»

      «Ich», sagte Cethegus ruhig. «Nein, Belisar, ich rase nicht. Sieh hier, diesen Plan der Stadt und ihrer Werke. Dein Feldherrnauge wird rascher, besser als das meine, ihre Stärke erkennen.» Er zog ein Pergament hervor und breitete es auf dem Zelttisch aus.

      Belisar warf einen gleichgültigen Blick darauf, aber sofort rief er: «Der Plan ist irrig! Prokop, reiche mir unsern Plan aus jener Capsula. –

      Sieh her, diese Gräben sind ja jetzt ausgefüllt, diese Türme eingefallen, hier die Mauer niedergerissen, die Tore wehrlos. Dein Plan stellt sie alle noch in furchtbarer Stärke dar. Er ist veraltet, Präfekt von Rom.»

      «Nein, Belisar, der deine ist veraltet: diese Mauern, Gräben, Tore sind hergestellt.» – «Seit wann?» – «Seit Jahresfrist.» – «Von wem» – «Von mir.» Betroffen sah Belisar auf den Plan.

      Antoninas Blick hing ängstlich an den Zügen ihres Gatten.

      «Präfekt», sagte dieser endlich, «wenn dem so ist, so verstehst du den Krieg, den Festungskrieg. Aber zum Krieg gehört ein Heer, und deine leeren Wälle werden mich nicht aufhalten.»

      «Du wirst sie nicht leer finden. Du wirst einräumen, daß mehr als zwanzigtausend Mann Rom – nämlich dies mein Rom hier auf dem Plan – über Jahr und Tag selbst gegen Belisar zu halten vermögen. Gut: so wisse denn, daß jene Werke in diesem Augenblick von fünfunddreißigtausend Bewaffneten gedeckt sind.»

      «Sind die Goten zurück?» rief Belisar. Prokop trat erstaunt näher.

      «Nein, jene fünfunddreißigtausend stehen unter meinem Befehl. Ich habe seit Jahren die lang verweichlichten Römer zu den Waffen zurückgerufen und unablässig in den Waffen geübt. So habe ich zur Zeit dreißig Kohorten, jede fast zu tausend Mann, schlagfertig.»

      Belisar bekämpfte seinen Unmut und zuckte verächtlich die Achseln.

      «Ich geb’ es zu» – fuhr Cethegus fort –, «diese Scharen würden in offener Feldschlacht einem Heere Belisars nicht stehen. Aber ich versichre dich: von diesen Mauern herab werden sie ganz tüchtig fechten. Außerdem hab’ ich aus meinen Privatmitteln siebentausend auserlesene isaurische und abasgische Söldner geworben und allmählich in kleinen Abteilungen ohne Aufsehen nach Ostia, nach Rom und in die Umgegend gebracht. Du zweifelst? Hier sind die Listen der dreißig Kohorten, hier der Vertrag mit den Isauriern. Du siehst deutlich, wie die Sachen stehen. Entweder du nimmst meine Bedingungen an – dann sind jene fünfunddreißigtausend dein, dein ist Rom, mein Rom, dieses Rom auf dem Plan, von dem du sagtest, es sei von furchtbarer Stärke, und dein ist Cethegus. Oder du verwirfst meine Bedingung: dann ist dein ganzer Siegeslauf, dessen Gelingen auf der Raschheit deiner Bewegung ruht, gehemmt. Du mußt Rom belagern, viele Monde lang. Die Goten haben alle Zeit, sich zu sammeln. Wir selber rufen sie zurück: sie ziehen in dreifacher Übermacht zum Entsatz der Stadt heran, und nichts errettet dich vom Verderben als ein Wunder.»

      «Oder dein Tod in diesem Augenblick, du Teufel», donnerte Belisar und riß, seiner nicht mehr mächtig, das Schwert aus der Scheide. «Auf, Prokop, in des Kaisers Namen! Ergreife den Verräter! Er stirbt in dieser Stunde!»

      Entsetzt, unschlüssig trat Prokop zwischen die beiden, indes Antonina ihrem Gatten in den Arm fiel und seine rechte Hand zu fassen suchte.

      «Seid ihr mit im Bunde?» schrie der Ergrimmte. «Wachen, Wachen herbei!»

      Aus jeder der beiden Türen traten zwei Lanzenträger in das Zelt: aber noch zuvor hatte sich Belisar von Antonina losgerissen und mit dem linken Arm den starken Prokop, als wär’ er ein Kind, zur Seite geschleudert. Mit dem Schwert zu furchtbarem Stoß ausholend, stürzte er auf den Präfekten los.

      Aber plötzlich hielt er inne und senkte die Waffe, die schon des Bedrohten Brust streifte.

      Denn unbeweglich, wie eine Statue, ohne eine Miene zu verziehen, den kalten Blick durchbohrend auf den Wütenden gerichtet, war Cethegus stehen geblieben, ein Lächeln unsäglicher Verachtung um die Lippen.

      «Was soll der Blick und dieses Lachen?» fragte Belisar innehaltend.

      Prokop winkte leise den Wachen, abzutreten.

      «Mitleid mit deinem Feldherrnruhm, den ein Augenblick des Jähzorns für immer verderben sollte. Wenn dein Stoß traf, warst du verloren.»

      «Ich!» lachte Belisar. «Ich sollte meinen du.»

      «Und du mit mir. Glaubst du, ich stecke tolldreist den Kopf in den Rachen des Löwen? Daß einem Helden deiner Art zuallererst der feine Einfall kommen werde, dich mit einem guten Schwertstreich herauszuhauen, das vorauszusehen war nicht schwer. Dagegen hab’ ich mich geschützt. Wisse: seit diesem Morgen ist infolge eines versiegelten Auftrages, den ich zurückließ, Rom in den Händen, in der Gewalt meiner blindergebnen Freunde. Das Grabmal Hadrians, das Kapitol und alle Tore und Türme der Umwallung sind besetzt von meinen Isauriern und Legionären. Meinen Kriegstribunen, todesmutigen Jünglingen, hab’ ich diesen Befehl hinterlassen für den Fall, daß du ohne mich vor Rom eintriffst.» Er reichte Prokop eine Papyrusrolle.

      Dieser las: «An Lucius und Marcus, die Licinier, Cethegus, der Präfekt. Ich bin gefallen, ein Opfer der Tyrannei der Byzantiner. Rächet mich! Ruft sofort die Goten zurück. Ich fordre es bei eurem Eid. Besser die Barbaren als die Schergen Justinians. Haltet euch bis auf den letzten Mann. Übergebt die Stadt eher den Flammen als dem Heer des Tyrannen.»

      «Du siehst also», fuhr Cethegus fort, «daß dir mein Tod die Tore Roms nicht öffnet, sondern für immer sperrt. Du mußt die Stadt belagern: oder mit mir abschließen.»

      Belisar warf einen Blick des Zornes, aber auch der Bewunderung auf den kühnen Mann, der ihm mitten unter seinen Tausenden Bedingungen vorschrieb. Dann steckte er das Schwert ein, warf sich unwillig auf seinen Stuhl und fragte: «Welches sind deine Bedingungen für die Übergabe?»

      «Nur zwei. Erstens gibst du mir Befehl über einen kleinen Teil deines Heeres. Ich darf deinen Byzantinern kein Fremder sein.»

      «Zugestanden. Du erhältst als Archon zweitausend Mann illyrischen Fußvolks und eintausend sarazenische und maurische Reiter. Genügt das?»

      «Vollkommen. Zweitens.

      Meine Unabhängigkeit vom Kaiser und von dir ruht einzig auf der Beherrschung Roms. Diese darf durch deine Anwesenheit nicht aufhören. Deshalb bleibt das ganze rechte Tiberufer mit dem Grabmal Hadrians, auf dem linken aber das Kapitol, die Umwallung im Süden bis zum Tore Sankt Pauls einschließlich, bis zum Ende des Kriegs in der Hand meiner Isaurier und Römer; von dir aber wird der ganze Rest der Stadt auf dem linken Tiberufer besetzt, von dem flaminischen Tor im Norden bis zum appischen Tor im Süden.»

      Belisar warf einen Blick auf den Plan. «Nicht übel gedacht! Von jenen Punkten aus kannst du mich jeden Augenblick aus der Stadt drängen oder den Fluß absperren. Das geht nicht an.»

      «Dann rüste dich zum Kampf mit den Goten und mit Cethegus zusammen vor den Mauern Roms.»

      Belisar sprang auf. «Geht! Laßt mich allein mit Prokop! Cethegus, erwarte meine Entscheidung.»

      «Bis morgen», sagte dieser. «Bei Sonnenaufgang kehr’ ich nach Rom zurück, mit deinem Heer oder – allein.»

      *

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