Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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empfing. Den Prinzen Areobindos hatte Prokop von der Notwendigkeit einer Rekognoszierung überzeugt, die nur heute und nur von ihm vorgenommen werden konnte.

      Umwogt von einem glänzenden geistlichen Gefolge nahte der Papst dem Feldherrnzelt. Große Massen Volkes drängten nach, aber sowie der Papst mit Scävola und Albinus die Mündung der engen Lagergasse hinter sich hatten, sperrten die Wachen mit gefällten Lanzen den Weg und ließen weder Priester noch Soldaten folgen.

      Lächelnd wandte sich Silverius zu dem Führer der Schar und hielt ihm eine schöne Rede über den Text: «Lasset die Kleinen zu mir kommen und wehret ihnen nicht.» Aber der Germane schüttelte den zottigen Kopf und wandte ihm den Rücken: der Gepide verstand kein Latein, außer dem Kommando.

      Da lächelte Silverius wieder, segnete nochmals seine Getreuen und schritt dann ruhig weiter in das Zelt. Belisar saß auf einem Feldsessel, darüber war eine Löwenhaut gebreitet. Ihm zur Linken thronte die schöne Antonina auf einem Pardelfell. Ihre wunde Seele hatte in dem Nachfolger des heiligen Petrus einen Arzt und Helfer zu finden gehofft. Aber bei dem Anblick der weltklugen Züge des Silverius zog sich ihr Herz zusammen.

      Belisar erhob sich beim Eintritt des Papstes.

      Dieser schritt, ohne sich zu neigen, gerade auf ihn zu und legte ihm – er mußte sich mühsam dazu aufrichten – wie segnend beide Hände auf die Schultern. Er wollte ihn leise niederdrücken auf die Knie: – aber eichenfest blieb der Feldherr aufrecht stehen, und Silverius mußte dem Stehenden den Segen erteilen.

      «Ihr kommt als Gesandte der Römer?» begann Belisar.

      «Ich komme», unterbrach Silverius, «im Namen des heiligen Petrus, als Bischof von Rom dir und dem Kaiser Justinian meine Stadt zu übergeben. Diese guten Leute», fuhr er fort, auf Scävola und Albinus weisend, «haben sich mir angeschlossen wie die Glieder dem Haupt.» Unwillig wollte Scävola einfallen – so hatte er seinen Bund mit der Kirche nicht verstanden! –, aber Belisar winkte ihm, zu schweigen.

      «Und so heiße ich dich willkommen in Italien und Rom im Namen des Herrn. Ziehe ein in die Mauern der ewigen Stadt zum Schirme der Kirche und der Gläubigen wider die Ketzer! Erhöhe dort den Namen des Herrn und das Kreuz Jesu Christi und vergiß nie, daß es die Heilige Kirche war, die dir die Wege gebahnt und die Pfade gebaut. Ich bin es gewesen, den Gott zum Werkzeug gewählt, die Goten in törichte Sicherheit zu wiegen und blinden Auges aus der Stadt zu führen, ich bin es gewesen, der die schwankende Stadt, die Bürger für dich gewonnen und die Anschläge deiner Feinde vernichtet hat. Der heilige Petrus ist es, der dir mit meiner Hand die Schlüssel seiner Stadt überreicht, auf daß du sie ihm beschirmest und beschützest. Vergiß niemals diese Worte.» Und er reichte ihm die Schlüssel des asinarischen Tores.

      «Ich werde sie nie vergessen!» sprach Belisar und winkte Prokop, der den Schlüssel aus der Hand des Papstes nahm. «Du sprachst von Anschlägen meiner Feinde. Hat der Kaiser Feinde in Rom?»

      Da sprach Silverius mit Seufzen: «Laß ab, Feldherr, zu fragen.

      Ihre Netze sind zerrissen: sie sind unschädlich, und der Kirche steht nicht an, zu verklagen, sondern zu entschuldigen und alles zum besten zu kehren.»

      «Es ist deine Pflicht, Heiliger Vater, dem rechtgläubigen Kaiser die Verräter zu entdecken, die unter seinen römischen Untertanen sich bergen, und ich fordre dich auf, seinen Feind zu entlarven.»

      Silverius seufzte: «Die Kirche dürstet nicht nach Blut.» – «Aber sie darf den Arm der weltlichen Gerechtigkeit nicht hemmen», sprach Scävola. Und der Jurist trat vor und überreichte Belisar eine Papyrusrolle. «Ich hebe Klage gegen Cornelius Cethegus Cäsarius, den Präfekten von Rom, wegen Majestätsbeleidigung und Empörung gegen Kaiser Justinian. Diese Schrift enthält die Klagepunkte und die Beweise. Er hat des Kaisers Regierung eine Tyrannei gescholten. Er hat sich der Landung kaiserlicher Heere nach Kräften widersetzt. Er hat endlich noch vor wenig Tagen, er allein, dafür gestimmt, die Tore Roms dir nicht zu öffnen.«

      «Und welche Strafe beantragt ihr?» fragte Belisar, in die Schrift blickend.

      «Nach dem Gesetz den Tod», sprach Scävola. – «Und seine Güter verfallen nach dem Gesetz», sprach Albinus, «halb dem Fiskus, halb den Klägern.» – «Und seine Seele der Barmherzigkeit Gottes», schloß der Bischof von Rom.

      «Wo ist der Angeklagte?» fragte Belisar.

      «Er verhieß, dich aufzusuchen; aber ich fürchte, sein böses Gewissen wird ihn nicht haben kommen lassen.»

      «Du irrst, Bischof von Rom», sprach Belisar, «er ist schon hier.»

      Bei diesem Wort fiel der Vorhang im Hintergrund des Zeltes, und vor den erstaunten Anklägern stand Cethegus, der Präfekt. Überrascht fuhren die Ankläger auf; schweigend, mit vernichtendem Blick, trat Cethegus einige Schritte vor, bis er zur Rechten Belisars stand.

      «Cethegus hat mich früher aufgesucht als du», fuhr der Feldherr nach einer Pause fort: «und er ist dir zuvorgekommen – auch im Anklagen. Du stehst als schwer Beschuldigter vor mir, Silverius. Verteidige dich, ehe du verklagst.»

      «Ich als Beschuldigter?» lächelte der Papst. «Wo wäre ein Kläger oder ein Richter für den Nachfolger des heiligen Petrus?»

      «Der Richter bin ich: an deines Herrn, des Kaisers Statt.»

      «Und der Kläger?» fragte Silverius.

      Cethegus wandte sich halb gegen Belisar und sprach: »Der Kläger bin ich! Ich habe Silverius, den Bischof von Rom, des Verbrechens der verletzten Majestät des Kaisers und des Hochverrats am Römischen Reich geziehen. Ich beweise sofort meine Klage. Silverius hat die Absicht, die Herrschaft der Stadt Rom und einen großen Teil Italiens dem Kaiser Justinian zu entreißen und – lächerlich zu sagen! – ein Priesterreich zu gründen in dem Vaterlande der Cäsaren. Und schon hat er den nächsten Versuch getan zur Ausführung dieses – soll ich sagen: seines Wahnsinns oder seines Verbrechens? Hier überreiche ich einen Vertrag, – hier steht die Unterschrift seiner Hand – den er mit Theodahad, dem letzten Fürsten der Barbaren, geschlossen. Der König verkauft darin für ewige Zeiten für die Summe von tausend Pfund Gold an den heiligen Petrus und seine Nachfolger, für den Fall, daß Silverius Bischof von Rom werde, die Herrschaft der Stadt und das Weichbild von Rom und dreißig Meilen in der Runde. Es sind aufgezählt alle Hoheitsrechte: Gerichtsbarkeit, Gesetzgebung, Verwaltung, Steuern, Zölle und selbst Kriegsgewalt. Dieser Vertrag ist nach seinem Datum drei Monate alt. Also im selben Augenblick, da der fromme Archidiakon, hinter Theodahads Rücken, die Waffen des Kaisers herbeirief, schloß er, hinter des Kaisers Rücken, einen Vertrag, der diesem die Früchte seiner Anstrengung rauben und den Papst für alle Fälle sichern sollte. Ich überlasse es dem Stellvertreter des Kaisers, wie solche Klugheit zu würdigen sei. Für die Erwählten des Herrn gilt als besondre Klugheit der Schlangen Moral, – unter uns Laien ist solches Tun…»

      «Der schändlichste Verrat!» fiel Belisar donnernd ein, sprang auf und nahm die Urkunde aus des Präfekten Hand. – «Hier sieh, Priester, deinen Namen: kannst du noch leugnen?»

      Der Eindruck dieser Anklage, dieses Beweises auf alle Anwesenden war ein gewaltiger. Staunen und Unwillen, gemischt mit Spannung auf des Papstes Verteidigung, lag auf den Zügen aller Gesichter; am meisten aber war Scävola, der kurzsichtige Republikaner, überrascht von diesen Herrscherplänen seines gefährlichen Verbündeten. Er hoffte, Silverius werde die Verleumdung siegreich niederschlagen.

      Die Lage des Papstes war in der Tat höchst gefährlich, die Anklage schien unwiderleglich, und das zornlohende Antlitz Belisars hätte manch tapfres Herz erschreckt. Aber Silverius zeigte in diesem Augenblick, daß er kein unebenbürtiger Gegner des Präfekten und des Helden von Byzanz war. Nicht eine Sekunde hatte er die Fassung verloren, nur als Cethegus die Urkunde aus dem Gewand hervorzog, hatte er einen Moment die Augen niedergeschlagen, wie aus Schmerz. Aber dem donnernden Ruf wie den blitzenden Augen Belisars hielt er ein unerschütterlich ruhiges Angesicht entgegen. Er fühlte, daß er in dieser Stunde den Gedanken seines Lebens verfechten mußte: dies gab ihm kühne Kraft, keine Wimper zuckte ihm.

      «Wie lange wirst du noch schweigen?» fuhr ihn Belisar an.

      «Bis