Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr. Anzengruber Ludwig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anzengruber Ludwig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075836366
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ist nötig, daß er alle meine Sprüchlein erlernt.«

      »Das ginge mir ab,« sagte der Prinz stille für sich, und dann laut: »Vielleicht aber könnte ich doch erfahren, wie ich dem Geschicke entgehen kann, das ihn betroffen hat, denn daran liegt mir vor allem.«

      »Da brauchst du nur zur ersten Erscheinung, die dir entgegentritt, zu sagen:

      Haß ist stets ein traurig' Erbe,

       Oft der Sieg ein ungerechter,

       Krieg sei nimmer ein Gewerbe

       Und der Held, er sei kein Schlächter!«

      »Gerechter Himmel,« klagte der Prinz, »das klingt nicht viel klüger als das erste, wie werde ich das behalten können? Ich bitte, sage mir das noch einmal!«

      Und der geduldige Alte sagte den Spruch noch einmal, dann auf allerhöchstes Verlangen ein drittes Mal und nachdem er ihn so ein Dutzend Mal wiederholt hatte, gestand sich der Prinz, daß man mit ein wenig Mühe, die man anderen mache, sich derlei ganz gut merken könne.

      »Nun schließe mir nur auch rasch die Höhle auf,« sagte er, »damit ich den Spruch gleich vor der ersten Erscheinung hersagen kann, ich hoffe, sie wird doch so artig sein und sich blicken lassen, bevor ich ihn vergesse.«

      Der Einsiedler löste das Schloß an der eisernen Pforte, bedeutete dem Prinzen, wenn er die Höhle werde verlassen wollen, nur von innen zu pochen, und die verrosteten Angeln kreischten –

      »Halt einen Augenblick,« sagte der Prinz, ehe er in das Dunkel hineintrat. »Wie geht das Silben- und Reimgetrommel, das du mich gelehrt hast? Sieg ist stets ein traurig Erbe ...«

      »Haß, Haß,« verbesserte der Einsiedler.

      »Ach ja, ich weiß es nun schon,

      Haß ist stets ein traurig' Erbe,

       Und der Sieg, er sei kein Schlächter!«

      »Du lieber Himmel,« sagte der Alte und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen.

      »Nun, nun,« meinte huldreich der Prinz, als gälte es, den Einsiedler über eine von dessen eigenen Angelegenheiten zu beruhigen. Dann ließ er sich das Sprüchlein noch einmal vorsagen und dann hatte er es weg und trat hinein in die Höhle.

      Hinter ihm schloß der Einsiedler wieder sorgsam die Thüre und blieb lauschend an derselben stehen. Die Herren des prinzlichen Gefolges hätten für ihr Leben gerne mitgelauscht, aber – doch das ist ja schon einmal erzählt worden und hat sich auch jetzt zum zweitenmal nicht anders zugetragen.

      Es dauerte wieder nicht lange, wenngleich ein wenig länger als das erste Mal, da pochte es von innen, der Einsiedler schloß auf und der Prinz trat heraus. Er hatte den Blick andächtig gen Himmel gerichtet, dann senkte er ihn demutsvoll zur Erde, faßte die Hand des Einsiedlers und drückte sie an die Lippen, aber der alte Weise machte wieder gar ein ernstes Gesicht und verneigte sich stumm, als der Prinz beim Abschiede bat, ihn in das Gebet mit einzuschließen. Die Rückreise ging genau so von statten wie das erste Mal und wenn die Herren vom Gefolge etwas mehr wußten als damals, so war dies gewiß nicht die Schuld des Prinzen.

      Der königliche Oheim empfing auch diesen seinen zweiten Neffen sehr huldreich und übertrug demselben unter großen Feierlichkeiten, aber mit ein wenig bangem Herzklopfen, die Regierung, worauf er sich wieder nach seinem stillen Jagdschlosse begab.

      Nun begann unter dem jüngsten Prinzen die zweite Regentschaft. Er ließ sich jedoch anders dazu an, wie sein höchstseliger Herr Bruder. In seinem ersten Manifeste lobpries er Gott und die friedsamen, guten, alten Zeiten und versprach, unter des ersteren mächtigem Beistande deren festen Glauben und ehrsame Zucht und Sitte im Reiche wieder herzustellen: alle Patrioten waren höflichst eingeladen mitzuthun!

      Der Hof des neuen Herrschers wimmelte bald von Leuten, welche alle versicherten, daß sie nur das Reich Gottes suchten, wobei sie freilich verschwiegen, daß sie auch auf eine Reichsverweserstelle in demselben rechneten, aber das war ja selbstverständlich, denn dem getreuen Knechte gebühret sein Lohn und daß ihnen derselbe, vermöge ihrer Verdienste, schon lange zugedacht war und nur die böse Welt sich weigerte, ihn herauszugeben, das fühlten sie gar wohl. Wollten sie also dazu gelangen, so durften sie keine Zeit verlieren und mit der argen Welt nicht spaßen.

      Da waren im Reiche böswillige Neuerer, die schrieben in ihren Büchern nicht wie die Rechtgläubigen »GOTT«, sondern ganz unehrfürchtig »Gott«; freilich brauchten sie Ausflüchte, meinten, die Buchstaben hätten nichts mit der Ehrfurcht zu schaffen und »Gott« geschrieben, hieße nicht »GOTT« gelästert: aber man weiß, was man von so spitzfindigen Vorwänden zu halten hat, daß sich immer bei Streiten über Rechtschreiberei viel Rechthaberei breit macht und daß sich hier der ungläubige Wolf in ein orthographisches Schaffell hüllte. Was sollte man mit solchen verrotteten Gemütern beginnen, denen Gott nur für ein gewöhnliches Hauptwort galt, und welche auch dem Teufel die gleiche Ehre erwiesen?!

      Um durch die Duldung dieses ketzerischen Gebarens die Rechtgläubigen nicht irre zu führen, sondern vielmehr zu überzeugen, daß sie mit ihren Anschauungen in der Mehrzahl und in der Macht, somit im Rechte seien, ließ der junge Herrscher ein Dekret ergehen, welches die »neuere Rechtschreibung in göttlichen Dingen« verdammte und den Anhängern derselben freistellte, binnen vierzehn Tagen das Reich zu verlassen oder ihrem Irrtume gänzlich zu entsagen, mit dem Bemerken jedoch, daß jeder, der im Lande verbleibe, für einen Rückfall in seine früheren verdammlichen Ansichten auf das härteste bestraft werden würde; gegen solche Rückfällige wurden auch unter einem alle ehrliebenden Patrioten zu Anzeigen, wenn auch ohne Unterschrift, höflichst eingeladen.

      Zwei Dritteile der orthographischen Ketzer, welche eine flinke Hand schrieben und fürchteten, es möchte ihnen das bewußte Wort oftmal unversehens in der verpönten Schreibeweise aus der Feder fließen, zogen es vor, auszuwandern; die andern, welche bedachtsamer ihre Buchstaben malten, dachten, sie würden sich schon an die vier großen Schriftzeichen in einem Worte gewöhnen können. Aber die Gewohnheit spielte doch manchem arge Streiche und das Gericht, das der Fürst für solche Falle eingesetzt hatte, ließ nicht mit sich spaßen.

      Es dauerte auch nicht lange, so wimmelte es von Anzeigen ohne Unterschriften. Scherz wurde mit gutem Vorbedacht als Ernst genommen, Mutwille als Frevel; ja, persönliche Feindschaft scheute sogar nicht davor zurück, die Schreibhefte eines verhaßten Gegners zu fälschen und das Gericht kannte nur eine Strafe, den Tod durch Feuer.

      Nicht lange hatte der gute Monosogoporibius I. auf seinem stillen Jagdschlosse gehaust, so wurde sein Friede wieder gar arg getrübt; so oft er auszog, begegneten ihm Scharen von Auswanderern, Männer, Weiber und Kinder, welche der Schrecken aus dem Lande scheuchte, wehmütig grüßten sie stets ihren alten, guten König, und Tag für Tag und immer zahlreicher strebten die Züge der Grenze zu; als aber eines Tages verzweifelnde Hinterbliebene von sogenannten Ketzern vor dem Schlosse Asche und verbrannte menschliche Gebeine auf den tiefgrünen Rasen streuten, da schluchzte der alte Mann laut auf, man sieht, er war kindisch geworden, wer wird denn weinen?

      Als er aber seine Thränen getrocknet hatte, da sammelte er seine wenigen Diener, bestieg ein Pferd, aber da er gar schwach war, mußten ihn zwei Leute rechts und links stützen, und so zog er der Hauptstadt zu; auf dem Wege kehrte jede Auswandererschar um und schloß sich ihm an, in Dörfern und Städten, wo er vorüberkam, ließen sie die Arbeit liegen und stehen und ein unermeßliches Menschengewoge wälzte sich brausend gegen die Residenz heran.

      Ja, man wußte dort gar nicht zu deuten, was das war, als aber Monosogoporibius nach der Stadt hineinschickte und sagen ließ, er fordere seine Krone zurück, da rannte alt und jung vor das Thor hinaus zu ihm, und die Großen des Reiches, welche doch nicht ganz allein darinnen verbleiben wollten, entschlossen sich rasch mitzurennen, und da es ihnen sehr schicklich schien, die Krone zur Hand zu haben und wie aus eigenem Antriebe gleich anzubieten, so riß der letzte, der in der Eile aus dem Königssaale entlief, dieselbe etwas unsanft dem jungen Fürsten vom Haupte.

      Dieser ärgerte sich nicht wenig und fand es nicht in der Ordnung, daß er mitten in seiner segensreichen Regierung also unterbrochen wurde, denn er hoffte an dem Feuer, an dem er die eine Hälfte seiner