Wie das heißt, braucht nicht gesagt zu werden, das ist etwas von allgemeiner Umgangssprache, die von allem, was sie nicht Sprache haben will, Umgang nimmt.
Die Prinzen hatten, wie man bemerkt haben wird, eine kluge Frau Mutter, freilich nur klug in der Weise, wie man das häufig bei Frauen findet, die, was sie sich einmal in den Kopf gesetzt haben, auch durchzuführen wissen; es ist das eine artige Kunst, an die schon mancher hat glauben müssen.
Die hohe Frau konnte es gar nicht erwarten, ihre Söhne regieren zu sehen, und sie war außer sich vor Freude, als die drei Prinzen heimkamen und ihr berichteten, daß sich in der heutigen Versammlung herausgestellt habe, wie auch das Reich, in Anerkennung ihrer – der drei Prinzen nämlich – ausgezeichneten Eigenschaften, es gar nicht erwarten könne, von ihnen regiert zu werden.
»Liebe Jungens,« dachte die hohe Frau, »ihr wißt eben nicht, was ihr ›Muttern‹ verdankt.«
Mit Feierlichkeit schritt sie zu einem Schranke und holte daraus den verrosteten Kriegshelm ihres verstorbenen Gemahls hervor.
»Kinder,« sagte sie, »jetzt müßt ihr losen, damit man weiß, in welcher Reihenfolge ihr zur probeweisen Regierung gelangt. Ich werde hier in den ehrwürdigen Hauptschmuck eures höchstseligen Vaters, den er in so mancher heißen Schlacht getragen, ein weißes, ein grünes und ein gelbes Zettelchen werfen und ihr werdet ziehen! Erlauchte Söhne, hoffnungsvolle Pflanzen in der Baumschule der Zukunft dieses Landes! Ich habe die genannten Farben erwählt, weil das Bäumchen im Frühlinge weiß, im Sommer grün und im Herbste gelb erscheint und gleichwie der Frühling vorangeht, der Sommer folgt und der Herbst den Reigen schließt, so soll auch der, welcher die jungfräuliche Farbe des Frühlings zieht, als der erste den andern vorangehen; derjenige, welchen die hoffnungsgrüne Sommerfarbe trifft, ihm folgen und den Reigen soll jener schließen, welchem die gelbe Farbe zufällt, doch hoffe ich von seiner brüderlichen Liebe, daß er sich gelben Neides entschlagen werde!«
Die Prinzen fanden diese Rede ihrer erlauchten Frau Mutter sehr sinnreich und erbaulich.
Die hohe Frau hatte ihren beiden jüngeren Sühnen dabei freundlich und verheißungsreich zugelächelt, bei dem letzten Satze ihrer Rede jedoch den ältesten ernst angeblickt.
Die hohe Frau liebte nämlich überaus die beiden jüngeren Prinzen, welche sich noch in kindlicher Liebe an die Falten ihrer reichgestickten Robe schmiegten, während der älteste ihr nicht mehr als den schuldigen Respekt bezeigte, womit bekanntlich oft ganz ordinären Müttern nicht gedient ist, geschweige denn gar einer dreifachen Königin-Mutter! Hätte sie nach ihrem Herzen handeln können, sie würde dem jüngsten als dem ersten zum Throne verholfen haben, denn er war gar so herzig; aber es ist eine alte Klage in den Palästen der Großen dieser Erde, daß die Rücksicht auf das Wohl der Kleinen der Stimme ihres Herzens Schweigen auferlege; so auch hier, der jüngste Prinz war eben auch gar so jung.
Die Prinzenmutter schüttelte den Helm mit den Losen. »Kinder,« rief sie scherzend, »wer zuerst zulangen kann, der zieht auch zuerst!«
Da stürzten die beiden jüngeren Prinzen vor, der dritte aber blieb voll Anstand und Würde auf seinem Platze stehen, auch um ein Königreich wollte er sich nicht mit seinen erlauchten Brüdern balgen.
»Du willst ein König werden,« sagte der zweitältere zu dem jüngsten, »dir wird ja die Krone bis über die Nase fallen und die Füße werden dir vom Throne herabbaumeln.« Und er stieß ihn weg, griff in den Helm und die Mutter schob ihm geschickt das weiße Zettelchen in die Hand.
Dann kam der jüngste herzu, er meinte, aber die Mutter versprach ihm ein Zuckerbrot, da griff auch er in den Helm und sie schob ihm das grüne Zettelchen zu.
Nun trat der dritte heran und holte den gelben Zettel heraus, wobei die Prinzenmutter dachte, er werde wohl nie von dieser Thronanweisung Gebrauch machen können, da doch gewiß einer von seinen Brüdern schon allen Anforderungen entsprochen haben wird.
Nun war es bestimmt, wie die Prinzen der Reihe nach zur probeweisen Regierung gelangen sollten.
Nur eines gab es zu bedenken, die Zeit drängte, wo sollten die Prinzen in aller Eile die Regierungskunst hernehmen? Sie zu einem befreundeten Könige in der Nachbarstadt in die Lehre zu schicken, dazu war es zu spät, aber der greise Sprecher, der schon einmal die Sache der königlichen Schwägerin so gut geführt hatte, glaubte hier Rat zu wissen.
»Dreifache Frau Königin-Mutter,« begann er, »nicht weit von hier haust ein weiser Einsiedler, derselbe bewahrt den Schlüssel zu einer Höhle, welche viel Wunder umschließt, sie ist, wie mir erzählt worden, von sprachkundigen Geistern bewohnt und gar mancher, der später berufen war, die Welt durch seine Thaten und Werke in Erstaunen zu setzen, hat sich vorerst bei diesen Wesen Rates erholt. Ich denke, wir ließen immer den betreffenden Prinzen nach jener Höhle reisen, versehen ihn mit einigen erfreulichen Geschenken für den alten Pförtner derselben, denn auch weise Einsiedler thun nichts umsonst, und überlassen das Weitere der Fügung des Himmels. Es gleich, ohne diese Umstände, derselben zu überlassen, wäre zwar einfacher und käme auch billiger, aber es kann nicht schaden, wenn man heutzutage der himmlischen Fügung nach der gewünschten Richtung hin den Anstoß gibt.«
Der Rat war eben so gut gemeint als einleuchtend und so wurde er denn auch befolgt. Der zweitälteste Prinz reiste mit einem großen Gefolge nach dem Wohnsitze des weisen Einsiedlers ab.
Nach wochenlanger, beschwerlicher Fahrt gelangte man in eine greuliche Wildnis, rings starrten nackte Felsen zum Himmel, kein Baum, kein Strauch, ja kaum ein Halm war in der ausgebrannten Oede zu sehen, nur hie und da stand ein Kaktus mit brennend roten Blüten; man konnte nicht sagen mitten inne, denn nach gewöhnlichen Begriffen war ja eigentlich ringsherum nichts zu sehen, aber hier in dieser trostlosen Gegend befand sich die Hütte des weisen Einsiedlers.
Der Prinz pochte ungeduldig an, er erwartete wenig von hier zu holen und gedachte dieses Wenige auch so schnell als möglich wieder fortzutragen.
Der Einsiedler war ein freundlicher alter Herr, der, wie sich von selbst versteht, einen schneeweißen Bart hatte; er erschien sofort unter der geöffneten Thüre und lud den Prinzen ein, in die Hütte zu treten; der aber bedankte sich schön, sagte, er habe große Eile und brachte sein Anliegen vor, nämlich, daß er in die bewußte Höhle eingelassen sein wolle.
»Ohne alle Vorbereitung?« fragte der Einsiedler. »Soll ich dir nicht ein oder das andere Sprüchlein mit auf den Weg geben?«
»Sind die notwendig?« fragte der Prinz.
»Notwendig nicht, nützlich vielleicht,« sagte der Alte.
»Dann danke ich,« meinte der Prinz, »und du würdest mich sehr verbinden, wenn du ohne weiteres mir mit meinem Gefolge die Höhle erschließen würdest.«
»Dir wohl, Prinz,« sagte der Einsiedler, »aber deinem Gefolge mit nichten! Die Höhle darf nur einer allein betreten!«
»Nun denn, ich bin bereit, schließe auf!«
Da führte der Einsiedler den Prinzen nach einem hohen Felsen, an welchem sich eine eiserne Pforte befand, über dieser waren in Lettern aus gleichem Metall die Worte »Höhle der Phrasen« angebracht.
Der Alte löste das Schloß, bedeutete dem Prinzen, wenn er die Höhle werde verlassen wollen, nur von innen zu pochen, die verrosteten Angeln kreischten und der Prinz trat hinein in das Dunkel, hinter ihm schloß der Einsiedler wieder sorgsam die Thüre und blieb lauschend an derselben stehen. Die Herren des prinzlichen Gefolges hätten für ihr Leben gerne mitgelauscht, aber es konnte leider niemand hinzutreten, entweder war die Pforte zu schmal, oder der würdige Einsiedler zu breit, oder wohl auch beides zugleich; so bildeten sie denn, die hohle Hand am Ohre, einen den lauschenden Weisen belauschenden Halbkreis.
Es dauerte nicht lange,