Djin. Claus Bork. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claus Bork
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711800058
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üblichen, höflichen Formalitäten. Der Kapitän antwortete ihm mit einem steifen Nicken, dann schritt er zielbewußt auf den von Pferden gezogenen Wagen zu, der darauf wartete, ihn zum Palast des Kaisers von Jarana zu bringen.

      Zarafir folgte ihm mit den Augen, bis er im Gewimmel verschwand.

      Und das, was ein Tag der Freude und des Wiedersehens hatte werden sollen, verwandelte sich so unbegreiflich in eine Stunde der Angst, denn keiner wußte, was es bedeutete und keiner konnte sich vorstellen, welche Gefahren und Sorgen die Heimgekehrten hatten durchmachen müssen, auf ihrer Fahrt über das Meer.

      Die Warnung

      Der Kapitän der Windreiter, Zendo Kur, stand vor dem Kaiser von Jarana, der behaglich zurückgelehnt auf einem mit Gold belegtem Stuhl vor der offenen Balkontür saß. Auf jeder Seite des vergoldeten Thrones lag ein rauhaariger, schläfriger Wolfshund. Ihre Köpfe lagen auf den Vorderpfoten und sie beobachteten die Versammlung durch ihre halbgeschlossenen Augen.

      Der Kaiser selbst sah ruhig vor sich hin. Er spielte mit einem Messer, das er zwischen den Fingern hielt, und rollte langsam die scharfe Klinge auf der Haut hin und her, ohne es zu beachten.

      Dieser Kaiser, über den so viel Großes geschrieben und gesungen worden war, war der natürliche Mittelpunkt der Welt. Und darum war es nur natürlich, daß Zendo Kur um eine Audienz ersuchte, um einen Bericht über die Reise der Windreiter, Dynadans Stolz, abzugeben.

      Das markante Gesicht des Kaisers hatte entspannte Falten, und die bohrenden, grauen Augen schauten auf diese Versammlung mächtiger Männer, die immer zur Stelle waren, umgesehen zu werden.

      Der Kaiser sah ruhig auf die Menge der Gesichter. Er kannte sie alle, sie waren alle Bürger seiner Gnaden. Und sie waren alle da, so, wie er es am liebsten sah. Sie stellten sich auf Zehenspitzen, die, die am weitesten hinten standen, um von ihm gesehen und bemerkt zu werden, dem mächtigsten unter den Herrschern. Der Kaiser lächelte vor sich hin; lächelte über ihren Eifer, ihn zufriedenzustellen. Und sie lächelten zurück und nickten untertänigste, erleichtert über seine hochehrwürdige, gnädige Geste. Diskret im Hintergrund, aber doch in effektiver Reichweite, standen die Maruder mit kalten, ausdruckslosen Blicken und den Händen lässig auf den Säbelschäften.

      Angicore saß auf einem schön geschnitzten Stuhl mit überkreuzten Beinen und den Händen im Schoß. Er war das ganze Ebenbild seines Vaters und genoß allen Respekt und alle Aufmerksamkeit, die mit Recht einem solchen Herrschernachkommen zuteilwerden sollte. Auch er beobachtete den Kapitän, aber er war nicht fähig, seine innere Aufregung zu verstecken, so wie es die älteren Staatsmänner konnten. Er hob den Blick, ließ ihn über die Menge der Gesichter schweifen, bis er unter ihnen Zarafir entdeckte. Dann entspannte er sich und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Kapitän.

      "Was meinen Sie mit `dunklen Kräften`?" fragte der Kaiser von Jarana.

      Er hatte sich vorgebeugt, mit einer Hand auf dem einen Knie ruhend und einem verbissenen Ausdruck im Gesicht.

      Die Maruder sahen den Kapitän an, sahen durch ihn hindurch, mit ihren harten, wachsamen Augen.

      Der Kapitän sah auf die Gardinen, die in dem sanften, warmen Sommerwind schwankten, und zuckte leicht mit den Schultern. Die Stille war so überragend und tief, daß sie fast Formen annahm und sich berühren ließ. Es knisterte leise durch das Salz im Stoff, als der Kapitän den Arm hob. Die Maruder folgten der gleitenden Bewegung der Hand, angespannt wie Federn in Menschengestalt.

      "Das ist schwer zu erklären, Euer Gnaden."

      "Versuch es!" sagte der Kaiser tonlos.

      "Es ist, als hätte ein Geist seine Arme über der Welt ausgebreitet," murmelte der Kapitän. Er hob eine schwielige Faust, hielt sie vor den Mund und hustete. Seine Stimme zitterte vor Aufregung und sein Blick flackerte nervös vom Kaiser und Angicore zu den Marudern an den Wänden.

      "Wir fuhren in den Hafen von Illemed, dem Land, wo es sich unbeschwert leben läßt, und die Sorgen nur ein Nebel in der Erinnerung sind," sprach er weiter. "Aber das Leben ist nicht mehr unbeschwert in Illemed, und das Leid hat den Weg in alle Herzen gefunden."

      Er schloß den Mund, stand da und starrte auf den Boden.

      "Weswegen macht man sich Sorgen in Illemed?" wollte der Kaiser wissen.

      "Das weiß ich nicht, Euer Gnaden," sagte der Kapitän.

      "Sprich weiter!" sagte der Kaiser.

      "Wir gingen an Land, um frische Früchte und frisches Gemüse zu holen, denn nichts darf doch einem Schiff aus Dynadan verweigert werden?"

      Er sah den Kaiser fragend an. Der nickte.

      "Aber wir trafen auf Waffen, Euer Gnaden. Und uns wurde mit Hass und Verachtung begegnet. Wir mußten kämpfen, um die Leute zu befreien, die an Land gegangen waren."

      Er befeuchtete die Lippen mit der Zunge und holte tief Luft. "Wir verloren viele, in Illemed..."

      All die großen Staatsmänner, alle, die sich im Saal befanden und aus den offenen Balkontüren sehen konnten, auf die glitzernde, golden schimmernde Fläche des Meeres, starrten Zendo Kur ungläubig an. Und so sehr erwarteten sie den Zorn des Kaisers, daß keiner zu sprechen wagte, aus Furcht, diesen Zorn auf sich zu ziehen.

      "Wir hatten getrocknetes Fleisch und eingesalzenen Fisch und lebende Schafe an Bord. Also setzten wir die Fahrt durch die inneren Fahrwasser fort und passierten die Gay-Tiefe, danach setzten wir Kurs auf Erzurum. Wir hatten gehört, daß die Dunkelheit von dort kommen sollte."

      "Die Dunkelheit?"

      "Sie folgte uns, die ganze Zeit. Tag und Nacht lagen die schwarzen Galeeren am Horizont und bewachten uns. Ich glaube, sie dachten, wir wären zu viele an Bord, und daß wir zu gut ausgerüstet wären, als daß sie einen Angriff hätten wagen können. Aber auf den Inseln in der Bucht vor Erzurum sandte ich eine Expedition an Land, die herausfinden sollte, wie sich dort das Leben abspielte."

      Zarafir bahnte sich einen Weg durch die Menge und näherte sich dem Rücken des Kapitäns. Er stellte sich ruhig hin und wartete an seiner Seite, ohne etwas zu sagen.

      "Schwarze Galeeren..." der Kaiser starrte entrüstet vor sich in die Gesichter. "Ich bin der Kaiser von Dynadan, ich übe die Gerechtigkeit in diesem Teil der Welt aus und brauche der Furcht in meinem Herzen keinen Platz zu geben!" Er hob die Augenbrauen und die Menge murmelte zustimmend.

      Aber selbst Angicore konnte sehen, was für einen tiefen Eindruck Zendo Kurs Bericht hinterlassen hatte und wie schockiert sie nun waren, ihn zu sehen. Denn sie hatten ihn davonziehen sehen als Führer des stolzen Schiffes Windreiter, einen Mann mit dem Körperbau eines Bären, der klaren Urteilskraft eines Zauberers und einem unbezwingbaren, eisernen Willen.

      "Wenn dem nur so wäre, Euer Gnaden..." Zendo Kurs Worte waren kaum hörbar.

      Die Menge starrte ihn wie gelähmt an. Bis jetzt hatte noch niemand Zweifel an den Fähigkeiten des Kaisers von Jarana, als unbestrittenes Oberhaupt Dynadans geäußert und lange genug gelebt, um es zu bedauern.

      Die Maruder, die an den Wänden standen, rührten sich.

      Die Wolfshunde hoben die Köpfe und knurrten drohend in den Saal hinein.

      Zarafir trat einen Schritt vor, hob abwehrend die Hand und mahnte sie, zu schweigen. Dann sah er einen Augenblick dem Kapitän in die Augen, richtete dann seine ganze Aufmerksamkeit auf den Kaiser und sprach.

      "Euer Gnaden. Auch ich habe die Bedrohung bemerkt, die sich über die Welt ausbreitet. Noch bevor die Windreiter am Horizont sichtbar wurde, wußte ich, daß etwas nicht in Ordnung war." Er sah Angicore an, der nickte.

      "Ich bitte Euch. Gebt diesem Mann eine Chance, zu beweisen, welche Gefahren an seiner Seele gezehrt haben. Einen Mann wie Zendo Kur zu verurteilen, einen Mann, der so viele Jahre seinen Wert für den kaiserlichen Thron bewiesen hat, ohne ihm diese Chance zu geben, wäre gegen jede Vernunft."

      Der Kaiser von Jarana öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Aber dann schloß er ihn wieder und sank in seinen Stuhl zurück.