Während man sich darüber austauschte, wurde deutlich, dass innerhalb der Unterschiede und Vielfältigkeit eine einzige Stimme zu hören war, und dass diese Stimme zu einer Person gehörte: die Stimme Gottes, der sich selbst offenbart. Diese personale, offenbarende Eigenschaft wurde in dem zusammengefasst, was wir heute die Dreieinigkeit nennen. Dreieinigkeit ist ein gedankliches Konzept, das es uns ermöglicht, die Einheit hinter der Verschiedenheit der Offenbarung zu erkennen. Hier ist nicht der Raum, um ausführlich auf die Dreieinigkeit einzugehen. Was ich sagen will ist, dass unsere Vorfahren dieses Konzept „Dreieinigkeit“ entwarfen, während sie die gleiche Bibel lasen, die wir heute lesen und sie damit inmitten all der Stimmen eine einzige, persönliche Stimme hörbar machten.
Im vierten und fünften Jahrhundert konzentrierten sich die besten Denker der Kirche schließlich darauf, diese Bibel zu lesen und dadurch zu verstehen, auf welche Weise Gott seine Souveränität persönlich und einzigartig unter uns ausübt. Ihre Formulierung der Dreieinigkeit ist ein geniales Werk, das groß und detailliert genug ist, um alles einzuschließen, was Gott ist, was er getan hat, tut und tun wird. Gleichzeitig zeigt es, dass wir alle, egal wer wir sind, was wir tun oder wo wir herkommen, eingeschlossen sind. Sie arbeiteten mit viel Einsatz und lange daran. Es gab Konzile, Bücher wurden geschrieben, man diskutierte, predigte, man beeinflusste und ja, man stritt auch. Es war wichtig, hier keinen Fehler zu machen und das wussten sie. Sie wussten, dass sie diese Arbeit nicht gelehrten Theologen in ihren Bibliotheken überlassen durften – hier ging es um Dinge, die den Alltag der Menschen betrafen. Es ging darum, richtig zu leben, nicht nur richtig zu denken, und darum in dieser Bibel alles persönlich und lebbar zu erhalten.
Ihr Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Beim Lesen der Bibel stellen wir fest, dass Gott eine dauerhafte und schlüssige Identität besitzt: Gott ist eins. Gott offenbart sich auf verschiedene Art und Weise und auf den ersten Blick scheint das nicht zusammenzupassen. Es sind drei Arten ersichtlich, auf die Gott am Werk ist und sich offenbart: der Vater (die gesamte Schöpfung steht hier im Vordergrund), der Sohn (hier geht es um das Chaos der Welt, in das Jesus Christus einbricht und um sein Erlösungswerk) und der Geist (wir erleben, wie unser Leben in Gottes Leben hineingezogen wird). Es ist immer der gleiche Gott, doch die „Person“ oder das „Gesicht“ oder die „Stimme“ ändern sich, je nachdem, auf welchem Weg wir die Offenbarung erhalten.14
Erstaunlich ist aber: Jeder Aspekt der Offenbarung, jede ihrer Ausprägungen ist personal – der Kern des Wesens Gottes ist Beziehung – und deshalb ist alles, was gesagt wird, alles, was offenbart wird, alles, was empfangen wird auch personal und steht in Beziehung. Es gibt nichts unpersönliches, nichts, was einfach nur funktional wäre. Alles, vom Anfang bis zum Ende und alles dazwischen, ist personal. Gott ist von Natur aus und umfassend personal.
Die logische Konsequenz ist, dass ich als Person auch persönlich an der Offenbarung beteiligt bin. Jedes Wort, das ich höre, alles, was ich mir im Verlauf dieser Geschichte vorstelle, nimmt mich in eine Beziehung hinein, zieht mich mit in die Teilnahme, hat Bedeutung für meine innerste Identität, hat Auswirkungen darauf, wer ich bin und was ich tue.
Was ich damit betonen will ist, dass das trinitarische Denken sich über einen Zeitraum von zwei- oder dreihundert Jahren entwickelte, während der unsere Mütter und Väter diese beiden Testamente geduldig, betend, überlegt lasen und dabei nach und nach erkannten, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind. Während sie die Sätze von Jesaja und Paulus, Moses und Markus, David und Johannes lasen und hörten, bemerkten sie, dass sie genau jene Stimme hörten, die sie das Wort Gottes nannten. Und während sie hörten und zuhörten, hörten sie auch, dass sie selbst angesprochen wurden – angesprochen als Personen mit Würde, Sinn und Freiheit, Personen, die fähig sind zu glauben, zu lieben und zu gehorchen.
Das Verständnis, dass die Bibel einen Autor hat, definiert es als personal – in den Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist. Weil es personal ist, ist es auch beziehungsrelevant, was bedeutete, dass für jedes Lesen/Hören der Heiligen Schrift auch personales, in Beziehung stehendes, teilhabendes Lesen/Hören nötig ist. Zugleich kam man zu der Erkenntnis, dass diese Heilige Schrift, in der Gott alles offenbarte, was Gott ist, auch alles einschloss, was uns ausmacht: Auf beiden Seiten, bei Autor und Leser, geht es um die ganze Person und um persönliche Teilnahme.
Möglicherweise ist dies der wichtigste Aspekt, den es zu erfassen gilt, wenn wir die Heilige Schrift lesen, studieren, ihr glauben: diesen mächtigen, lebendigen, sich selbst offenbarenden Gott, wie wir ihn in Vater, Sohn und Heiligem Geist erleben, der uns persönlich anspricht, egal in welcher Situation wir uns befinden, wie alt wir sind, wie es uns geht – ich, du, wir. Christliches Lesen ist teilnehmendes Lesen. Wir nehmen die Worte auf, sodass sie in unser Leben eingehen, dass Rhythmus und Bilder Teil unseres Gebets werden, zu Taten des Gehorsams, zu einem Lebensstil der Liebe.
Wir dürfen nicht für einen Moment annehmen, dass die Dreieinigkeit etwas ist, dass sich Theologen ausgedacht haben, um eine Erklärung für abgehobene Mysterien zu finden, die nichts mit dem täglichen Leben von Menschen wie uns zu tun haben, die Kinder großziehen und ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Nein, es ist das Ergebnis der Arbeit von Christen wie uns (vielleicht waren ein paar von ihnen etwas schlauer als wir!), die lernten und sich gegenseitig lehrten, wie man die Bibel so umfassend und aufmerksam und personal und erwidernd liest, wie es ihnen möglich war. Sie wollten so lesen, dass ihr Leben mit dem Text übereinstimmte. Sie waren davon überzeugt, dass dieser Text die beste Quelle für ein gutes Leben heute und in Ewigkeit ist. Sie wollten alles und sie wollten keinen Fehler machen.
Dem Text die Persönlichkeit nehmen
Allerdings liest nicht jeder die Bibel auf diese Weise und viele wollen es auch gar nicht. Viele finden Sie aus anderen Gründen interessant oder haben andere Verwendung für sie. Die Bibel hat sich über die Jahrhunderte als Autorität etabliert und man betrachtet sie auf vielerlei Weise als nützlich oder interessant oder hilfreich und sieht sie nicht notwendigerweise als Text, der uns in die Offenbarung Gottes hineinnimmt.
Es gibt beispielsweise schon immer eine große Zahl von Menschen, die von den intellektuellen Herausforderungen der Bibel fasziniert ist. Wer über einen neugierigen Geist verfügt und die Herausforderung sucht, der kann fast nichts Besseres tun, als Bibelgelehrter zu werden. Gehen Sie in eine theologische Bibliothek und wandern Sie durch die Gänge mit säuberlich katalogisierten Büchern, die über die Bibel und ihre verschiedenen Teile geschrieben wurden, und Sie werden erstaunt sein. Nehmen Sie irgendeines der Bücher heraus und sie werden mit großer Sicherheit das Ergebnis eines großartigen Geistes in Händen halten, der diese Sätze auf der Suche nach Wahrheit durchstöbert hat und mit höchst beeindruckenden und interessanten Ergebnissen aufwarten kann. Sprache, Geschichte, Kultur, Ideen, Geografie, Dichtung – suchen Sie sich ein Gebiet aus, die Bibel liefert es Ihnen. Ein Mensch kann sein ganzes Leben mit der Bibel verbringen – sie lesen, studieren, lehren und darüber schreiben – und nie zum Ende kommen.
Dann gibt es wiederum andere, die mit eher praktischen Absichten zur Bibel kommen. Sie wollen ein gutes Leben führen und wünschen sich das auch für ihre Kinder und Nachbarn. Sie wissen, dass die Bibel vernünftige Ratschläge bereithält und eine zuverlässige Richtung vorgibt, um in der Welt voranzukommen, was im Allgemeinen ja bedeutet, gesund, reich und weise zu werden. Die Bibel steht in dem Ruf, einen guten Kurs für persönliches und soziales Verhalten vorzugeben, und genau davon wollen diese Menschen profitieren. Generell ist man der Ansicht: Menschen sind ein störrischer Haufen, der dazu tendiert, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Diese Bibel bewahrt uns vor Fallstricken und leitet uns auf einem geraden, schmalen Weg.
Und dann gibt es natürlich noch die große Zahl von Menschen, die die Bibel zu ihrer sogenannten Inspiration lesen. Es gibt so viele schöne und tröstliche Passagen in der Bibel. Wenn wir einsam sind oder trauern oder auf der Suche nach Worten sind, die uns dem alltäglichen Stumpfsinn entreißen,