Gesammelte Kindergeschichten & Romane von Agnes Sapper. Agnes Sapper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes Sapper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027208784
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Beleuchtung ihres Hauses alles wieder gut machen müsse. Ihr Mann sollte es sehen, wenn er mit dem Prinzen vorbeifuhr, daß sie doch ein Gefühl dafür hatte, was der richtigen Stadtschultheißin geziemte, trotz des Holzstoßes vor dem Haus, trotz des Zwischenfalls in der Bauernstube.

      Dreihundert kleine irdene Schälchen hatte sie sich beim Seifensieder mit Unschlitt füllen lassen und nun machte sie sich daran, jedem einzelnen Döchtchen einen Tropfen Petroleum zu geben, denn vom Seifensieder hatte sie gehört, daß sie auf diese Weise am leichtesten anzuzünden wären. Ja, von ihr aus war alles bereit, wenn sich nur endlich der Schreiner gezeigt hätte!

      Der Nachmittag rückte vor, dreimal hatte sie Anne hinuntergeschickt und jedesmal hatte diese die Antwort gebracht, Herr Wahl werde jetzt gleich kommen.

      Endlich ging sie selbst hinunter. »Aber Frau Wahl, was ist denn mit Ihrem Mann? Warum kommt er denn nicht?«

      Die Frau versicherte, daß sie ihn seit zwei Stunden erwarte. Sie wollte sich jetzt aber selbst auf den Weg machen, ihren Mann zu suchen. Es dauerte gewiß eine Stunde, bis sie ihn endlich brachte, aber er war in schlimmer Verfassung. Mit schwerer Zunge versicherte er, daß er die Sache gleich besorgen werde. Wieder verstrich eine Weile, da kam seine Frau herauf und sagte beschämt: »Es ist meinem Mann nicht gut, er hat sich aufs Bett gelegt; es wird auch besser sein, er schläft ein wenig.«

      Unsere junge Frau war so entrüstet, daß sie kein Wort mehr für die Hausfrau hatte; auf den Schreiner mußte sie ja doch verzichten. »Anne,« sagte sie, »was tun wir jetzt, wer kann uns helfen?«

      »Ich weiß, was wir tun,« sagte Anne. »Ich steige selbst auf die Leiter, wenn’s dunkel wird und die Leute es nicht so bemerken. Ich will nur erst einmal nach der Leiter sehen, ob die wenigstens imstand ist.« Hinter dem Haus, an dem Holzschuppen war sie aufbewahrt. Anne schleppte sie herbei, Frau Römer sah vom Fenster aus zu. Nun lehnte die Leiter am Haus. »Sie ist ja zu kurz!« rief Anne herauf.

      »Freilich, das habe ich immer gefürchtet!«

      »Was machen Sie denn da?« fragte der Bäcker, der gegenüber wohnte und neugierig herbeikam. Frau Römer schöpfte Hoffnung. Der Mann konnte vielleicht helfen. Sie von oben und Anne von unten legten ihm den Plan dar. Die Lichter sollten an dem vorspringenden Sims, der die Front des Hauses schmückte, angebracht werden. »Hat das der Herr Stadtschultheiß angeordnet?« fragte er.

      »Nein, ich möchte es ja zu seiner Überraschung tun.« Der Mann schüttelte den Kopf und schwieg. Unsere junge Frau oben sah das, und wahrhaftig stampfte sie ein wenig mit dem Fuß, – ihre Ungeduld war zu groß. »Die Leute hier sind doch unausstehlich langweilig und schwerfällig,« dachte sie, »hätte ich nur meine Hamburger hier!«

      »Frau Stadtschultheiß,« rief von unten der Bäcker, »wenn ich etwas sagen darf, dann rate ich Ihnen, lassen Sie das bleiben. Erstens hängen die Fahnen über dem Sims und könnten Feuer fangen, und zweitens ist’s auch zugig an der Ecke, der Wind bläst doch alles aus.«

      Was war dagegen vorzubringen? Frau Römer schwieg. Aber Anne ergab sich nicht so schnell. »O Herr Breitling,« sagte sie, »Sie wollen nur nicht. Die Fahnen könnte man einziehen, wenn’s Nacht wird, und wie sollten denn die Lichter auslöschen, da könnte ja kein Mensch beleuchten. Gehen Sie zu, helfen Sie uns auch ein wenig, hole ich doch alle Tage die Wecken bei Ihnen und am Sonntag die Brezeln!«

      Der Mann sagte darauf gar nichts, zog sein Feuerzeug aus der Tasche und zündete ein Streichhölzchen an – im Nu war es vom Wind ausgeblasen. »Glauben Sie’s jetzt?« sagte er, »in der Fensternische, da geht’s, da sind die Lichter geschützt, aber, frei längs der Hausmauer, da löschen alle aus. Helfen tät ich gern, daran fehlt’s nicht.«

      Einen Augenblick war es stille. »Anne, trage die Leiter an ihren Platz,« ließ sich nun von oben eine bekümmerte Stimme vernehmen, und das Fenster wurde geschlossen. Heute wollte doch auch gar nichts gelingen! Zum Weinen war es der jungen Frau, als sie ihre dreihundert Lämpchen sah. Sie hatte es sich etwas kosten lassen! Wie schön hatte sie es sich ausgemalt!

      Anne kam herein. »Das sind Leute,« sagte sie, »der Schreiner und der Bäcker!«

      »Gegen den Bäcker will ich nichts sagen, aber der Schreiner!«

      Ja, der Schreiner, über den entlud sich nun der ganze Zorn, denn einen Sündenbock will der Mensch haben.

      Es wurde dunkel. Da und dort zündeten Leute schon Lämpchen an. Ein kühler Abendwind erhob sich. »Wir haben wenigstens viele Fenster,« sagte Frau Römer, »und Lichter für beide Stockwerke.« Und nun fing sie oben im Dachstock an den Kammern an und stellte einstweilen die Lämpchen vor die Fenster, eines dicht ans andere; es war ja keine Gefahr, daß sie nicht reichten. Dann ebenso an allen Fenstern des ersten Stockwerks. In der Ferne hörte man ein Knattern und Knallen von Raketen, und die großen Felsen, die das Städtchen auf einer Seite umsäumten, erglänzten in bengalischer Beleuchtung.

      Jetzt war es Zeit zum Anzünden. Anne wurde hinaufgeschickt, es in der Kammer zu besorgen; unten wollte es Frau Römer tun. Aber der Wind, der Wind! Kaum brannten zwei, drei Flämmchen, so kam der starke Luftzug und blies sie aus. Und gerade auf der Seite des Eckhauses, die freistand und die von weiter Ferne beim Hereinfahren von den Felsen den Gästen ins Auge fallen mußte, gerade auf dieser Seite löschten beharrlich die schwachen Flämmchen aus. Wie war es denn wohl in den andern Häusern? Die junge Frau lehnte sich hinaus und sah an der Häuserreihe hinunter – schön beleuchtet glänzte sie ihr entgegen, Licht an Licht. Sie meinte es wenigstens, denn daß auch an den anderen Häusern viele Lichter wieder verlöscht waren, konnte sie nicht erkennen; sie sah nur, was brannte, und das war freilich mehr als an diesem ausgesetzten Punkt. Jetzt kam auch Anne verzweifelt herunter. »Droben verlöschen sie alle! wie ist’s denn unten?«

      »Ebenso!«

      »Meines brennt,« rief vergnügt der kleine Hans, der vor einem angezündeten Lämpchen stand, das auf dem Tisch hell brannte.

      »Ja, im Zimmer, das glaube ich gern,« sagte Anne.

      »Anne, ich weiß, wie wir es machen, wir stellen sie herein auf den inneren Fenstersims!« rief jetzt Frau Römer; »schnell, geh hinunter vors Haus und sieh, wie es sich ausnimmt,« und während das Mädchen hinuntersprang, legte sie ein paar Bücher auf den inneren Sims des geschlossenen Fensters und stellte die Lichter hoch. Anne kam wieder: »Prächtig sieht’s aus, kein Mensch bemerkt, daß die Lichter nicht außen stehen, die Fenster sind ja alle frisch geputzt.«

      Jetzt ging es ans Werk. »Hans, bring alle deine Bausteine herbei, schnell, schnell!« und mit Bausteinen und Büchern wurden nun sämtliche Fenstersimse so hoch belegt, daß die Lichter durch die Scheiben sichtbar wurden. Und dann wurden sie angezündet. Ob es nun wohl ging? Unsere junge Frau hätte sich ja nicht gewundert, wenn heute Lämpchen und Zündhölzer ihren Dienst versagt hätten. Aber sie brannten so gutmütig an, stellten sich ganz unschuldig. Einen Qualm gab das freilich in die Zimmer! Im Eckzimmer mit seinen vier Fenstern allein vierzig Unschlittlichtchen! und nirgends konnte man ein Fenster öffnen. Einerlei, wenn man auch nicht mehr im Zimmer atmen konnte, wenn es nur hell hinunterleuchtete! Und das tat es! Eine strahlende Helle war in allen Zimmern, und Anne nahm Hänschen mit hinunter, daß er es von der Straße aus sehen konnte. »Darf ich ein wenig mit ihm fortrennen zum Feuerwerk?« rief sie herauf.

      »Ja, ja, geht nur miteinander.«

      Das kleine Mädelein war aus dem qualmenden Zimmer hinausgeflüchtet worden in die Küche; da schlief sie ganz sanft, während ihre Mutter unruhig im Haus herumging. Die ungewohnte Helle, die zunehmende Hitze hatte etwas Beunruhigendes. Sie ging hinauf in die Kammer. Droben wurde es so heiß, der weiße Lack an den Fenstern fing an zu riechen, alles fühlte sich warm an. Wenn nur kein Brand entstand! Sie lief wieder ins untere Stockwerk, waren doch alle Vorhänge fest zurückgesteckt? Es war fast nicht auszuhalten, die Hitze, der Qualm und dabei die Angst! Eine Kanne Wasser in der Hand ging sie unablässig von einem Zimmer ins andere, wohl eine halbe Stunde lang. Endlich hörte man drunten auf der Straße Wagengerassel. Sie eilte ans Fenster: der Prinz und die Prinzessin, die Herren ihrer Begleitung, darunter der Stadtschultheiß, fuhren am Haus vorüber in den Gasthof zurück; das Feuerwerk war aus, die schaulustige Menge