Gesammelte Kindergeschichten & Romane von Agnes Sapper. Agnes Sapper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes Sapper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027208784
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von der Wäsche, er hörte sie selbst an.

      »Der Pulverwagen darf heute nicht hier durchkommen,« war sein Bescheid.

      »Er ist aber schon unterwegs, man kann keine Nachricht mehr geben.«

      »Schicken Sie ihm einen Eilboten entgegen mit polizeilichem Verbot. Er darf heute auf drei Stunden im Umkreis der Stadt nicht nahe kommen. Ich schreibe sofort den Befehl.« Als der Gerichtsdiener mit diesem Schreiben abgezogen war, sagte die Frau Stadtschultheiß: »Weil du nun doch schon aus deinem Gedankengang gekommen bist, laß dich nur schnell fragen: könnte man nicht den Strauß in die Bauernstube schicken, daß ihn Hans als Bauernjunge der Prinzessin überreicht? Das wäre doch sicher reizend?«

      »Wenn du nur immer den Jungen vorschieben kannst, bist du schon glücklich. Mir dagegen kommt es immer sicherer vor, Kinder aus dem Spiel zu lassen.«

      »Aber liebster Mann, die Prinzessin ist doch nicht wie du. Einer jungen Frau macht das sicher Spaß.«

      »Kann sein, mach es so, aber nun laß mich nur noch eine halbe Stunde in Ruhe.«

      Ach wie gerne hätte sie das getan, aber einen Augenblick später sah sie schon wieder den Polizeidiener aufs Haus zukommen. Es war derselbe, der schon einmal wegen der Wäsche, die aufgehängt wurde, da war. Richtig, da kam er schon die Treppe herauf. »Die Wäscherin Matzbeck,« meldete er nun, »hat erklärt, es könne ihr niemand verwehren, bei dem schönen Wetter ihre Wäsche aufzuhängen. Die Frau Stadtschultheiß habe ja auch das Holz vor dem Haus nicht weggeräumt, so streng werde es also nicht genommen. Was Lumpen und dergleichen seien, wolle sie hinten hin hängen, aber ihre schöne Wäsche nehme sie keinem Prinzen zuliebe ab!«

      »Ach Hagemann,« sagte die Frau Stadtschultheiß, »können Sie denn nicht der Frau sagen, sie dürfe ihre Wäsche in meinem Garten hinter dem Haus aufhängen? Wir können doch meinen Mann nicht noch einmal wegen der Wäsche fragen.«

      »Die tut’s eben nicht! Die kennen Sie schlecht, wenn Sie meinen, daß die jetzt nachgibt und die Wäsche wieder abzieht und in der Frau Stadtschultheiß Garten aufhängt.«

      »Ach, so soll sie hängen bleiben, geht denn das nicht?«

      »Wenn der Herr Stadtschultheiß die hohen Herrschaften am Bahnhof abholt und vorbeifährt und sieht das, dann fällt die Schuld auf mich.«

      »So gehen Sie selbst zu meinem Mann, ich mag ihn nicht schon wieder stören,« sagte die junge Frau und führte den Polizeidiener durch Wohn- und Schlafzimmer bis an das Gaststübchen, wo auf das Klopfen ein sehr deutliches »Herein!« erfolgte. Sie hörte, wie der Mann seinen Rapport machte; ach, auch die Bemerkung, daß sie Holz vor dem Haus hatten, wiederholte er; wäre sie lieber selbst zu ihrem Mann gegangen, das hätte sie gewiß weggelassen! Und nun hörte sie ihren Mann mit starker Stimme sagen: »Die Matzbeck hat die Wäsche binnen einer Viertelstunde vollständig abzuziehen, widrigenfalls die Polizei das Abziehen besorgt. Verstanden? Sie haben für die Ausführung zu sorgen. Was das Holz vor meinem Haus betrifft, so ist das auf der Seite, nicht vorn, und wird überdies so mit Grün überdeckt, daß es zum Schmuck dient.«

      Der Polizeidiener ging seiner Wege. Die Frau Stadtschultheiß folgte ihm die Treppe hinunter und überzeugte sich, ob der Holzstoß wirklich zum Schmuck diene. Ja, Anne hatte ihre Sache gut gemacht, und Hänschen hatte noch einen Wedel abbekommen, mit dem er nun fröhlich die Treppe hinaufging. Fast gleichzeitig kam wieder ein Störenfried. Der junge Schreiber war es, der auf dem Rathaus verwendet wurde. In ein paar Sätzen kam er die Treppe herauf gesprungen und fragte eilfertig: »Ist der Herr Stadtschultheiß da?«

      »Ja, aber er ist nicht zu sprechen. Was wollen Sie denn, Meyer?«

      »Der Vorstand des landwirtschaftlichen Vereins hat mich geschickt von der Wiese draußen. Der Knecht vom Weidenhof hat zur Viehausstellung einen Stier gebracht nur am Strick; er will ihm keine Kette anlegen, wie’s doch vorgeschrieben ist, weil er sagt, das Tier sei’s nicht gewöhnt und werde wild. Der Vorstand hat mich schnell hergeschickt, er fürchtet, es könnte ein Unglück geben.«

      »Was meint denn der Vorstand, daß man tun soll?«

      »Er meint, man soll sogleich den Herrn Stadtschultheiß fragen.«

      Diesmal trat die junge Frau laut bei ihrem Mann ein. »Wenn du nur die Rede früher studiert hättest,« sagte sie, »am letzten Morgen ist doch keine Ruhe! Nun ist wieder etwas los mit einem Stier, soll ich ihn hereinlassen?«

      »Den Stier? Du scheinst schon in so grimmiger Laune zu sein,« sagte der Mann, »hast aber keine Ursache dazu, wo du doch gar keine Unannehmlichkeiten von der Sache hast! Übrigens war bis gestern bestimmt, daß der Oberamtmann die Festrede halten solle, und erst heute ließ er mir sagen, daß er sich zu unwohl fühle, sonst wäre ich nicht so spät daran. Daß du auch noch schlechter Laune bist, das fehlte gerade noch an diesem Tage, das ist doch sonst nicht deine Art.« Er ging hinaus und hörte den Bericht wegen des Stiers.

      »Der Knecht hat sofort dem Stier die vorschriftsmäßige Kette anzulegen, wobei ihm in der Stallung die nötige Hilfe vom Schlachtmeister geleistet werden soll. Widersetzt er sich, so ist der Knecht in Arrest abzuführen, der Stier von der Ausstellung auszuschließen und im Stall anzuketten.«

      Der Stadtschultheiß ging nicht mehr in das Gaststübchen zurück. »Es ist besser, ich kleide mich jetzt an,« sagte er, »und gehe wieder aufs Rathaus, dort ist es noch ruhiger als daheim.« Er verschwand im Schlafzimmer, wo sein Festgewand hergerichtet war. Aber etwas fehlte doch. Nach einer Weile ertönte seine Stimme: »Julie, wo ist meine weiße Halsbinde?«

      Frau Römer, die eben ihrem kleinen Mädelein die Flasche reichte, rief: »Auf dem Tisch bei deinem Hut und den Handschuhen.«

      »Nein, da ist sie nicht. Könntest du nicht einmal kommen? Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren.«

      Schnöde wurde der Kleinen die Flasche vom Munde genommen, die Mutter sprang auf, lieber sollte das Kind warten als der Mann.

      »Die Binde muß da liegen, ich habe sie doch hingelegt, ist sie denn vielleicht hinter das Schränkchen gerutscht?«

      Nun ging ein Suchen an, das immer ungemütlicher wurde, dazu schrie die Kleine zum Erbarmen.

      »So gib mir die andere, die du mir gestern gezeigt hast,« sagte Römer.

      »Die war dir ja zu alt und abgewetzt.«

      »So schlimm war sie ja nicht, gib sie nur her.«

      »Die ist jetzt nicht mehr vorhanden. Ich schicke aber Anne in den Laden, in fünf Minuten ist sie wieder da.« Und hinaus rannte die Frau.

      »Anne, schnell, spring so schnell du springen kannst, zu Geschwister Keller; eine weiße Halsbinde für meinen Mann, ich zahle sie morgen.«

      Anne flog nur so davon. Die Mutter erbarmte sich inzwischen der schreienden Kleinen, wahrhaftig, Tränen standen dem kleinen Wesen im Auge.

      »Wo hast du denn aber die alte Binde hingebracht?« fragte der Stadtschultheiß; »findest du denn auch diese nicht? Das ist aber eine Unordnung!« Nun kam das Geständnis: »Die alte habe ich dem Bubi geschenkt, der hat sich damit geschmückt und soviel Spaß daran gehabt.« Der Mann sagte gar nichts mehr.

      Nun kam atemlos Anne zurück. Frau Römer hörte sie kommen und eilte ihr entgegen, mochte immerhin die Kleine wieder eine Pause im Trinken machen. »Fräulein Keller hat keine Binden mehr, sie habe eigens ein halbes Dutzend für den heutigen Tag kommen lassen, aber sie seien alle weggegangen,« berichtete Anne.

      »Und im andern Geschäft?«

      »Fräulein Keller meint, da gäbe es keine. Aber sie hat gesagt, wenn der Herr Oberamtmann, der gestern schon unwohl war, heute nicht besser sei, so schicke die Frau Oberamtmann die Halsbinde wieder zurück, die sie gekauft habe; das habe sie sich gleich ausbedungen. Und nun meint Fräulein Keller, ich soll bei Frau Oberamtmann anfragen.«

      »Natürlich sollst du, Anne, wärst du doch gleich hingesprungen!«

      Als Frau Römer wieder zu ihrer Kleinen zurückkehren wollte, sah sie ihren Hans, der mit dem Tannenwedel