Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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irren sich.

      GÜLDENSTERN

       Worin, mein teurer Prinz?

      HAMLET

       Ich bin nur toll bei Nordnordwest; wenn der Wind südlich ist, kann ich einen Falken von einem Reiher unterscheiden.

       Polonius kommt.

      POLONIUS

       Es gehe Euch wohl, meine Herren!

      HAMLET

       Hört, Güldenstern - und Ihr auch -, an jedem Ohr ein Hörer: Der große Säugling, den Ihr da seht, ist noch nicht aus den Kinderwindeln.

      ROSENKRANZ

       Vielleicht ist er zum zweitenmal hineingekommen, denn man sagt, alte Leute werden wieder Kinder.

      HAMLET

       Ich prophezeie, daß er kommt, um mir von den Schauspielern zu sagen. Gebt acht! - Ganz richtig, Herr, am Montagmorgen, da war es eben.

      POLONIUS

       Gnädiger Herr, ich habe Euch Neuigkeiten zu melden.

      HAMLET

       Gnädiger Herr, ich habe Euch Neuigkeiten zu melden. Als Roscius ein Schauspieler zu Rom war -

      POLONIUS

       Die Schauspieler sind hergekommen, gnädiger Herr.

      HAMLET

       Lirum, larum.

      POLONIUS

       Auf meine Ehre -

      HAMLET

       »Auf seinem Eselein jeder kam« -

      POLONIUS

       Die besten Schauspieler in der Welt, sei es für Tragödie, Komödie, Historie, Pastorale, Pastoral-Komödie, Historiko-Pastorale, Tragiko-Historie, Tragiko-Komiko-Historiko-Pastorale, für Einheit des Ortes oder nicht beschränktes Gedicht. Seneca kann für sie nicht zu traurig, noch Plautus zu lustig sein. Für das Aufgeschriebene und für den Stegreif haben sie ihresgleichen nicht.

      HAMLET

      »O Jephtha, Richter Israels« -

      Welchen Schatz hattest du?

      POLONIUS

       Welchen Schatz hatte er, gnädiger Herr?

      HAMLET

       Nun:

      Hätt ein schön Töchterlein, nicht mehr,

       Die liebt' er aus der Maßen sehr.«

      POLONIUS

       beiseit. Immer meine Tochter.

      HAMLET

       Habe ich nicht recht, alter Jephtha?

      POLONIUS

       Wenn Ihr mich Jephtha nennt, gnädiger Herr, so habe ich eine Tochter, die ich aus der Maßen sehr liebe.

      HAMLET

       Nein, das folgt nicht.

      POLONIUS

       Was folgt denn, gnädiger Herr?

      HAMLET

       Ei,

      »Wie das Los fiel,

       Nach Gottes Will.«

      Und dann wißt Ihr

      Darauf traf ein,

       Was sollte sein.«

      Der erste Vers von dem Kirchenlied wird Euch mehr verraten; denn seht, da kommen die Abkützer meines Gesprächs.

       Vier oder fünf Schauspieler kommen. Seid willkommen, ihr Herren, willkommen alle! - Ich freue mich, dich wohl zu sehn. - Willkommen, meine guten Freunde! - Ach, alter Freund, wie ist dein Gesicht betroddelt, seit ich dich zuletzt sah! Du wirst doch hoffentlich nicht in den Bart murmeln? - Ei, meine schöne junge Dame! Bei Unsrer Frauen, Fräulein, Ihr seid dem Himmel um die Höhe eines Absatzes näher gerückt, seit ich Euch zuletzt sah. Gebe Gott, daß Eure Stimme nicht wie ein abgenutztes Goldstück den hellen Klang verloren haben mag. - Willkommen alle, ihr Herrn! Wir wollen frisch daran, wie französische Falkoniere, auf alles losfliegen, was uns vorkommt. Gleich etwas vorgestellt! Laßt uns eine Probe eurer Kunst sehen. Wohlan, eine pathetische Rede!

      ERSTER SCHAUSPIELER

       Welche Rede, mein wertester Prinz?

      HAMLET

       Ich hörte dich einmal eine Rede vortragen - aber sie ist niemals aufgeführt oder, wenn es geschah, nicht mehr als einmal; denn ich erinnre mich, das Stück gefiel dem großen Haufen nicht, es war Kaviar für das Volk. Aber es war, wie ich es nahm, und andere, deren Urteil in solchen Dingen den Rang über dem meinigen behauptete, ein vortreffliches Stück, in seinen Szenen wohlgeordnet und mit ebensoviel Mäßigung als Verstand abgefaßt. Ich erinnre mich, daß jemand sagte, es sei kein Salz und Pfeffer in den Zeilen, um den Sinn zu würzen, und kein Sinn in dem Ausdrucke, der an dem Verfasser Ziererei verraten könnte, sondern er nannte es eine schlichte Manier, so gesund als angenehm, und ungleich mehr schön als geschmückt. Eine Rede darin liebte ich vorzüglich: es war des Äneas Erzählung an Dido; besonders da herum, wo er von der Ermordung Priams spricht. Wenn Ihr sie im Gedächtnisse habt, so fangt bei dieser Zeile an. - Laßt sehn, laßt sehn -

       Der rauhe Pyrrhus, gleich Hyrkaniens Leun -

       nein, ich irre mich; aber es fängt mit Pyrrhus an.

       Der rauhe Pyrrhus, er, des düstre Waffen,

       Schwarz wie sein Vorsatz, glichen jener Nacht,

       Wo er sich barg im unglückschwangern Roß,

       Hat jetzt die furchtbare Gestalt beschmiert

       Mit grauserer Heraldik; rote Farbe

       Ist er von Haupt zu Fuß; scheußlich geschmückt

       Mit Blut der Väter, Mütter, Töchter, Söhne,

       Gedörrt und klebend durch der Straßen Glut,

       Die grausames, verfluchtes Licht verleihn

       Zu ihres Herrn Mord. Heiß von Zorn und Feuer,

       Bestrichen mit verdicktem Blut, mit Augen,

       Karfunkeln gleichend, sucht der höllische Pyrrhus

       Altvater Priamus -

       Fahrt nun so fort.

      POLONIUS

       Bei Gott, mein Prinz, wohl vorgetragen mit gutem Ton und gutem Anstande.

      ERSTER SCHAUSPIELER

       Er findt alsbald ihn,

       Wie er den Feind verfehlt; sein altes Schwert

       Gehorcht nicht seinem Arm, liegt, wo es fällt,

       Unachtsam des Befehls. Ungleich gepaart

       Stürzt Pyrrhus auf den Priam, holt weit aus -

       Doch bloß vom Sausen seines grimmen Schwertes

       Fällt der entnervte Vater. Ilium

       Schien leblos, dennoch diesen Streich zu fühlen;

       Es bückt sein Flammengipfel sich hinab

       Bis auf den Grund und nimmt mit furchtbarm Krachen

       Gefangen Pyrrhus' Ohr; denn seht, sein Schwert,

       Das schon sich senkt auf des ehrwürdgen Priam

       Milchweißes Haupt, schien in der Luft gehemmt.

       So stand er, ein gemalter Wütrich, da

       Und, wie parteilos zwischen Kraft und Willen,

       Tat nichts.

       Doch wie wir oftmals sehn vor einem Sturm

       Ein Schweigen in den Himmeln, still die Wolken,

       Die Winde sprachlos und der Erdball drunten

       Dumpf wie der Tod - mit eins zerreißt die Luft