Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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Ihr werdet mächtig klug tun, guter Reinhold,

       Euch zu erkundgen, eh Ihr ihn besucht,

       Wie sein Betragen ist.

      REINHOLD

       Das dacht ich auch zu tun.

      POLONIUS

       Ei, gut gesagt, recht gut gesagt! Seht Ihr,

       Erst fragt mir, was für Dänen in Paris sind,

       Und wie, wer, auf was Art und wo sie leben,

       Mit wem, was sie verzehren; wenn Ihr dann

       Durch diesen Umschweif Eurer Fragen merkt,

       Sie kennen meinen Sohn, so kommt Ihr näher,

       Als Ihrs mit grad gezielten Fragen träfet.

       Tut gleichsam wie von fern bekannt; zum Beispiel:

       »Ich kenne seinen Vater, seine Freunde

       Und auch zum Teil ihn selbst.« - Versteht Ihr, Reinhold?

      REINHOLD

       Vollkommen, gnädger Herr.

      POLONIUS

       »Zum Teil auch ihn; doch«, mögt Ihr sagen, »wenig,

       Und wenns der rechte ist, der ist gar wild,

       Treibt dies und das« - dann gebt ihm nach Belieben

       Erlogne Dinge schuld; nur nichts so Arges,

       Das Schand ihm brächte, davor hütet Euch;

       Nein, solche wilden, ausgelaßnen Streiche,

       Als hergebrachtermaßen die Gefährten

       Der Jugend und der Freiheit sind.

      REINHOLD

       Als Spielen.

      POLONIUS

       Ja, oder Trinken, Raufen, Fluchen, Zanken,

       Huren - so weit könnt Ihr gehn.

      REINHOLD

       Das würd ihm Schande bringen, gnädger Herr.

      POLONIUS

       Gewiß nicht, wenn Ihrs nur zu wenden wißt.

       Ihr müßt ihn nicht in andern Leumund bringen,

       Als übermannt' ihn Unenthaltsamkeit;

       So mein ichs nicht; bringt seine Fehler zierlich

       Ans Licht, daß sie der Freiheit Flecken scheinen,

       Der Ausbruch eines feurigen Gemüts

       Und eine Wildheit ungezähmten Bluts,

       Die jeden anficht.

      REINHOLD

       Aber, bester Herr -

      POLONIUS

       Weswegen Ihr dies tun sollt?

      REINHOLD

       Ja, das wünscht ich

       Zu wissen, Herr.

      POLONIUS

       Ei nun, mein Plan ist der

       - Und, wie ich denke, ists ein Pfiff, der anschlägt:

       Werft Ihr auf meinen Sohn so kleine Makel,

       Als wär er in der Arbeit was beschmutzt.

       Merkt wohl!

       Wenn der Mitunterredner, den Ihr aushorcht,

       In vorbenannten Lastern jemals schuldig

       Den jungen Mann gesehn, so seid gewiß,

       Daß selbger folgender Gestalt Euch beitritt:

       »Lieber Herr«, oder so; oder »Freund«, oder »mein Wertester«,

       Wie nun die Redensart und die Betitlung

       Bei Land und Leuten üblich ist -

      REINHOLD

       Sehr wohl!

      POLONIUS

       Und hierauf tut er dies: - Er tut - ja was wollte ich doch sagen? Beim Sakrament, ich habe was sagen wollen. Wo brach ich ab?

      REINHOLD

       Bei »folgender Gestalt Euch beitritt«, bei »Freund oder so« und »mein Wertester«.

      POLONIUS

       Bei »folgender Gestalt Euch beitritt«. - Ja,

       Er tritt Euch bei: »Ich kenn ihn wohl, den Herrn,

       Ich sah ihn gestern oder neulich mal,

       Oder wann es war; mit dem und dem; und, wie Ihr sagt,

       Da spielt' er hoch; da traf man ihn im Rausch;

       Da rauft' er sich beim Ballspiel«; oder auch:

       »Ich sah ihn gehn in solch ein saubres Haus«

       - Will sagen: ein Bordell -, und mehr dergleichen.

       Seht nun:

       Eur Lügenköder fängt den Wahrheitskarpfen;

       So wissen wir, gewitzigt, helles Volk,

       Mit Krümmungen und mit verstecktem Angriff

       Durch einen Umweg auf den Weg zu kommen,

       Und so könnt Ihr, wie ich Euch Anweisung

       Und Rat erteilet, meinen Sohn erforschen.

       Ihr habts gefaßt, nicht wahr?

      REINHOLD

       Ja, gnädger Herr.

      POLONIUS

       Nun, Gott mit Euch! Lebt wohl!

      REINHOLD

       Mein bester Herr -

      POLONIUS

       Erforscht mit eignen Augen seinen Wandel!

      REINHOLD

       Das will ich tun.

      POLONIUS

       Und daß er die Musik mir fleißig treibt!

      REINHOLD

       Gut, gnädger Herr.

       [Ab. Ophelia kommt. ]

      POLONIUS

       Lebt wohl! -

       Reinhold geht ab. Ophelia kommt. Sieh da, Ophelia! Was gibts?

      OPHELIA

       O lieber Herr, ich bin so sehr erschreckt!

      POLONIUS

       Wodurch, in's Himmels Namen?

      OPHELIA

       Als ich in meinem Zimmer näht, auf einmal

       Prinz Hamlet - mit ganz aufgerißnem Wams,

       Kein Hut auf seinem Kopf, die Strümpfe schmutzig

       Und losgebunden auf den Knöcheln hängend;

       Bleich wie sein Hemd und schlotternd mit den Knien;

       Mit einem Blick, von Jammer so erfüllt,

       Als wär er aus der Hölle losgelassen,

       Um Greuel kundzutun - so tritt er vor mich.

      POLONIUS

       Verrückt aus Liebe?

      OPHELIA

       Herr, ich weiß es nicht,

       Allein ich fürcht es wahrlich.

      POLONIUS

       Und was sagt' er?

      OPHELIA

       Er griff mich bei der Hand und hielt mich fest,

       Dann lehnt' er sich zurück, so lang sein Arm:

       Und mit der andern Hand so überm Auge

       Betrachtet'