»Das kann ich verstehen, für mich wären diese neuen Formen des Zusammenlebens auch nichts. Zusammengehörigkeit muss auch nach außen hin sichtbar sein, und das beinhaltet auch den Namen, den man dann trägt … Sie …, Sie werden doch auch den Namen Ihres Mannes annehmen?«
»Ja«, antwortete Bettina sofort, »ich kann es kaum erwarten, dann Bettina Sibelius zu heißen. Das wollte ich schon immer, und ich glaube, ich war keine fünfzehn Jahre alt, als ich schon immer geübt habe den Namen zu schreiben.«
Ursula Mannebach begann zu lachen.
»Das habe ich auch gemacht, ich kenn’ den Rudi ja auch schon mein Leben lang. Wir sind bereits zusammen zur Schule gegangen und haben uns verliebte Zettelchen zugeworfen während des Unterrichts. Aber das macht man ja heute alles nicht mehr … Ich weiß nicht, früher war alles schöner, weil es persönlicher war.«
»Das sehe ich auch so«, entgegnete Bettina, zu mehr kam sie nicht, denn ihr Telefon klingelte. Einer ihrer Lieferanten, der Herr Schaapendonk aus den Niederlanden, der ganz köstlichen Eierlikör produzierte, war auf der Durchreise und wollte ihr, samt Familie, einen Besuch abstatten.
Das passte Bettina nicht so sehr, weil es ihren ganzen Tag durcheinander brachte. Aber Schaapendonk war nicht nur ein wichtiger Lieferant, sondern auch ein netter Mensch mit einer netten Familie, da würde ihr das Opfer nicht so schwer fallen.
Ursula Mannebach, die Bruchteile des Gesprächs mitbekommen hatte, stand auf.
»Sie werden gebraucht«, sagte sie, »und das ist für mich das Zeichen aufzubrechen … Danke, dass Sie mir zugehört haben, Frau Fahrenbach. Sie sind ein ganz wunderbarer Mensch.«
Wieder umarmte sie Bettina, die ganz gerührt die Umarmung erwiderte. Dann begleitete sie Ursula hinaus, winkte ihr zu, danach ging sie ins Haus zurück, um Thomas, der in seinem Arbeitszimmer war, von Schaapendonks unverhofftem Besuch zu erzählen. Außerdem wollte sie Thomas bitten, sie zu begleiten. Und, vielleicht hatte der ja eine Idee, was sie mit den Schaapendonks machen konnten. Vielleicht einen kleinen Segeltörn unternehmen und dann im Gasthof essen? Das mit dem Essen in der ›Linde‹ würde ihnen gefallen, da war sie bereits einmal mit ihm gewesen, und es hatte ihn total begeistert, sowohl das Essen als auch das Ambiente. Aber Segeln? War vielleicht nicht so prickelnd, es jemandem anzubieten, der aus einem Land kam, in dem es Wasser satt gab.
Ach, was sollte sie sich deswegen jetzt den Kopf zerbrechen. Sie würde die Schaapendonks einfach fragen, die würden ohne zu zaudern sagen was sie wollten.
Als sie ins Zimmer schaute, musste sie feststellen, dass Thomas nicht an seinem Platz war.
Vielleicht war er bei Arno oder Leni, vielleicht auch bei Markus.
Irgendwo würde er schon sein, und sie hatte auch keine Sorge, dass er nicht wiederkommen würde.
Dumm war nur, dass sie jetzt die Schaapendonks allein übernehmen musste. Aber das war im Grunde genommen auch nur gerecht. Schließlich waren es ihre Geschäftspartner, und daran würde sich auch in Zukunft nichts ändern.
Thomas hatte sich jetzt schon ganz fabelhaft in die Belange der Hermann-Fahrenbach-Stiftung eingearbeitet, und das würde er in Zukunft noch verstärkt tun.
Die Likörfabrik Fahrenbach, ihre Destille, würde weiterhin ihr Arbeitsfeld sein, zumindest solange sie noch keine Kinder haben würde. Danach würde sie mit sehr viel Freude und ohne zu murren in die Rolle der Ehefrau und Mutter schlüpfen, und es würde ihr sehr gefallen. Das wusste sie schon jetzt. Und davon hatte sie auch immer geträumt.
Die Werbung würde sie weiter machen, aber sich ansonsten auf Toni verlassen, dessen Kompetenzen sie auch jetzt schon ständig erweiterte.
Toni …
Klar, vielleicht konnte sie dem die Schaapendonks auf’s Auge drücken. Er und Herr Schaapendonk waren ein Herz und eine Seele. Schaapendonk hatte Toni sogar schon mal in die Niederlande eingeladen, damit der sich seine Fabrikation ansehen konnte, und sie hatten dabei sehr viel Spaß gehabt, denn der gute Ruud Schaapendonk war ein sehr geselliger Mensch.
Unter diesem Aspekt würde es ihnen gewiss Spaß machen, ein paar Stunden miteinander zu verbringen, denn ein paar Stunden würden die Holländer bestimmt bleiben.
*
Bettina verließ eilig ihr Haus und eilte über den Hof. Sie wollte gerade den Abzweig hinauf zur Destille nehmen, weil sie die Schaapendonks dort vermutete. Das allerdings war ein gewaltiger Irrtum.
Sie saßen, und Toni war auch schon bei ihnen, unter den Apfelbäumen, und die gute Leni servierte gerade Kaffee, Kuchen und Gebäck und für die Jugendlichen kalte Getränke, wie Bettina sehen konnte, war auf jeden Fall auch Cola dabei, das Getränk, das bei jungen Leuten einen ganz hohen Stellenwert hatte, obwohl es erwiesenermaßen nicht gerade gesund war, dafür hatte es aber Kultstatus.
Ach, die gute Leni …
Das Schöne war, dass dank ihr jederzeit unverhoffter Besuch kommen konnte. Leni zauberte immer ein paar Köstlichkeiten aus ihrer Aservatenkammer.
Ruud Schaapendonk hatte Bettina entdeckt und kam auf sie zugeeilt. Er war ein mittelgroßer, quirliger Typ mit einem unverkennbaren Bauchansatz und ebenso unverkennbar ausgedünnten Haaren. Über kurz oder lang würde er eine Glatze haben. Doch wie sie ihn kannte, würde ihm das nicht das Geringste ausmachen. Ruud Schaapendonk war ein cleverer Geschäftsmann, aber er war vollkommen uneitel.
»Mevrouw Fahrenbach …, schön, Sie zu sehen«, begrüßte er sie überschwänglich und schüttelte ihre rechte Hand so stark, dass Bettina schon befürchtete, er würde sie ihr abreißen wenn er so weitermachte. »Heute können Sie meine Familie kennenlernen, meine Frau und ook de kinderen.«
Ruud Schaapendonk sprach sehr gut Deutsch, vermischte es aber hier und da mit ein paar niederländischen Brocken, was alles einem gewissen Charme gab.
Die meisten Niederländer sprachen mehr oder weniger Deutsch, was man umgekehrt nicht gerade behaupten konnte.
Sie waren überhaupt sprachbegabt oder lernten andere Sprachen zwangsläufig, weil die meisten Fernsehfilme nicht synchronisiert werden und in der Originalsprache mit Untertiteln laufen.
Außerdem sind sie ein reiselustiges Völkchen und eine alte Seefahrernation.
Bettina hatte sich einige Worte Niederländisch angeeignet, und Ruud freute sich, wenn sie die anwandte.
Leni sagte immer, es sei eine Sprache für Halskranke.
Ruud Schaapendonk führte sie an den Tisch, wo seine Frau und die beiden halbwüchsigen Kinder zur Begrüßung aufgestanden waren.
»Greetje, meine Frau, dat is Bart und hier mijn Dochter Anneke.«
Bettina begrüßte die Familie. Sohn und Tochter kamen nach Greetje. Sie waren allesamt blond, blauäugig, hatten eine gesunde Gesichtsfarbe. Sie sahen genau so aus, wie man sich die ›Holländer‹ vorstellte. Dabei war das so irrig, denn so sahen sie nicht alle aus, wie überall gab es braun-, schwarz-rothaarige Menschen. Aber man machte sich halt so gern eine klischeehafte Vorstellung, und in dieses Klischee passten Greetje, Bart und Anneke. Es fehlten nur noch die Holzschuhe, und fertig war ein Postkartenmotiv.
»Wir sind auf dem Weg nach Süden«, sagte er, »und da Bart nach seinem Studium in meine Firma einsteigen soll, dachte ich, dass es nicht schaden kann, ihm zu zeigen, wo unser Eierlikör und unsere anderen Produkte verkauft werden. Und ich denke, es wird Bart auch interessieren, Ihren Betrieb zu sehen, wo Sie Ihr fantastisches Kräutergold produzieren.«
Bettina blickte den jungen Mann an, der machte nicht den Eindruck, als sei er heiß darauf. Das konnte sie sogar verstehen. Bestimmt wäre er lieber eher am Urlaubsort angekommen, anstatt sich eine Firma anzusehen.
Und Anneke langweilte sich so sehr, dass sie gähnte. Sie hatte nur zwei, drei Kekse gegessen und die herrliche Torte ignoriert. Aber sie war jetzt in einem Alter, wo man dünn sein wollte und eine panische Angst davor hatte, nicht mehr in die hautenge Jeans zu passen.