Nele wischte an sich herum, aber es war ganz offensichtlich, dass das nicht aus Sorge um ihr Shirt geschah, sondern um Zeit zu gewinnen.
Was sollte das alles?
Warum rückte sie nicht mit der Sprache heraus?
Allmählich hatte Bettina die Faxen dicke, sie konnte sich den Ablauf ihres Tages wahrlich anders, sehr viel angenehmer, vorstellen.
Diese Nele Rosskamp machte zwar einen netten Eindruck, aber den machten andere Leute auch.
»Also, Frau Rosskamp, so kommen wir nicht weiter. Wir sitzen bereits eine ganze Weile hier herum, ohne dass Sie auf den Kern der Sache gekommen sind. Fangen wir also nochmals an. Sie sind bei Frieders Bank für die Vergabe der Kredite an Geschäfskunden zuständig, das ist also bei der Regionalbank, und ich vermute, Sie arbeiten dann unter Dr. Fleischer.«
Ein heftiges Kopfschütteln war die Antwort.
»Nein, mit der Regionalbank hat Frieder nichts mehr zu tun. Obschon schon Ihr Vater dort guter Kunde war, hat man Frieder, als seine Firma in die Schieflage kam, sämtliche Konten aufgekündigt …, ich bin bei der Westbank.«
Bettina kannte die Bank, sie war klein, arbeitete eher regional. Dort also war Frieder gelandet, dabei hatte er früher über die Westbank die Nase gerümpft und sie verächtlich Arme-Leute-Bank genannt. Nun ja, im Grunde genommen war er da mittlerweile richtig aufgehoben, denn er hatte sein Vermögen verbrannt. Seine Exfrau hatte ja vorgesorgt und sich einen Batzen beiseite geschafft, als Milch und Honig noch reichlich flossen. Bettina glaubte nicht, dass Frieder das auch getan hatte. Der hatte den coolen Mann gespielt und geglaubt, alles liefe von selbst, wie damals zu Papas Zeiten. Vielleicht wäre das ja auch eine ganze Weile gutgegangen, wenn Frieder Papas Konzept weiter verfolgt hätte. Aber Frieder hatte eigene Wege gehen wollen und alles anders gemacht, als erstes hatte er das gesamte bewährte Personal auf die Straße gesetzt, allen voran sie. Aber das war Schnee von gestern, sie hätte als Erbin des Fahrenbach-Hofs doch nicht weiter im Weinkontor arbeiten können.
Daran, dass sie jetzt wieder daran denken musste, erkannte Bettina, dass die alten Verletzungen noch da waren, dass sie noch längst nicht darüber hinweg war. Aber sie durfte sich damit nicht aufhalten, ganz besonders jetzt nicht. Jetzt galt es etwas ganz anderes zu klären. Und wenn das in diesem Schneckentempo so weiter gehen würde, dann säßen sie morgen noch immer beisammen, um um den heißen Brei herum zu reden.
»Also, okay, Frieder hat also seine Konten bei der Westbank. Sie haben ihn dort kennengelernt, ihm offensichtlich geholfen. Und nun erzählen Sie mir, wie es zu der Bürgschaft gekommen ist.«
Sie trank wieder, diesmal vorsichtiger, es wurde kein Wasser verschüttet.
»Frau Rosskamp, wir warten«, wandte Thomas ein, der auch dabei war, die Geduld zu verlieren.
»Also gut.«
Nele sah wohl ein, dass es keinen Sinn mehr hatte, es hinauszuzögern. Es musste eh gesagt werden.
»Frieder wollte ein neues Geschäft anfangen, eine Partnerschaft wäre nur mit einer entsprechenden Einlage möglich gewesen …, fünfhunderttausend Euro …, dem Partner …«
Sie atmete tief durch, schloss die Augen, dann brach es aus ihr heraus.
»Ich habe die Unterschriften gefälscht, um Frieder zu helfen. Dabei wäre es gar nicht nötig gewesen …, der Partner hat kalte Füße bekommen und ist ausgestiegen … Dummerweise wurde die Bürgschaft durch einen Kollegen, der mich vertreten hat, weiter gegeben …, und so ist alles ins Rollen gekommen … Es …, es tut mir … leid.«
Bettina schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, sie konnte erst einmal überhaupt nichts sagen.
Zum Glück war Thomas an ihrer Seite, der äußerte sich dazu.
»Es tut Ihnen leid. Das ist ein bisschen wenig für das, was Sie gemacht haben … Urkundenfälschung, Unterschriftenfälschung, das sind nicht unbedingt Kavalliersdelikte. Das sind kriminelle Handlungen.«
Nele begann zu weinen, und Bettina bekam schon ein wenig Mitleid mit ihr.
»Ich hatte doch alles unter Kontrolle, normalerweise wäre es gutgegangen«, flüsterte sie.
»Gutgegangen?« Thomas war richtig aufgebracht. »Wenn dieser Geschäftspartner nicht abgesprungen wäre, dann hätte man die Bürgschaft in Anspruch genommen. Eine halbe Million, Sie als Bankerin wissen mehr als alle anderen, dass das kein Spielgeld ist. Was haben Sie sich dabei gedacht?«
Jetzt begann sie am ganzen Körper zu zittern.
»Ich habe mir … nichts dabei gedacht … Frieder hat geglaubt, dass ich es für ihn drehen kann, und ich wollte ihn nicht enttäuschen. In seinen Unterlagen habe ich die Unterschriften von Ihnen gesehen, Frau Fahrenbach. Auf einmal war es so leicht, die nachzumachen, und auf einmal …«
»Hören Sie auf«, sagte Thomas. »Ich kann es nicht mehr hören. Im Grunde genommen gehören Sie angezeigt.«
»Das würde mich meinen Job kosten.«
»Darüber hätten Sie früher nachdenken sollen, wir verzichten …«, Thomas blickte zu Bettina hinüber. »Es ist doch auch in deinem Sinne, Liebes, dass wir das jetzt nicht an die große Glocke hängen, sondern versuchen, es so aus der Welt zu schaffen?«
Bettina nickte. Sie war froh, dass Thomas das jetzt regelte, vor allem in ihrem Sinne. Noch war sie nicht zu Schaden gekommen, sondern hatte nur Ärger gehabt. Eine Anzeige würde nichts bringen, zumal, wenngleich das auch keine Entschuldigung war, diese junge Frau aus Liebe zu Frieder gehandelt hatte.
»Also, Frau Rosskamp, veranlassen Sie, dass diese Bürgschaft zurückgezogen wird, wie man das handhabt, werden Sie ja wohl wissen. Und in Zukunft begehen Sie keine kriminellen Handlungen mehr. So glimpflich wie jetzt wird es nämlich nicht immer abgehen.«
Nele wischte sich die Tränen mit ihrem Handrücken aus dem Gesicht, dabei verwischte sie ihre Wimperntusche, die tiefe schwarze Gräben in ihrem Gesicht hinterlassen hatte.
»Danke«, murmelte sie. »Tausend Dank … Ich habe allerdings noch eine Bitte. Verraten Sie Frieder nichts davon … Er hat, was Hilfe in finanzieller Hinsicht angeht, eine hohe Meinung von mir … Das ist auch ein festes Bindeglied zwischen uns … Ich möchte ihn nicht verlieren, weil ich ihn liebe.«
Jetzt mischte Bettina sich ein.
»Frau Rosskamp, ich wünsche Ihnen wirklich Glück mit meinem Bruder. Und ich will auch die ganze Bürgschaftsgeschichte vergessen. Aber Abhängigkeit ist keine Basis für eine Liebe, und Unaufrichtigkeit ist es auch nicht. Sie sollten reinen Tisch machen und Frieder die Wahrheit sagen.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Dann verlässt er mich«, ihre Stimme bebte vor innerer Anspannung.
»Wenn er Sie liebt, dann nicht. Wenn er sich durch Sie nur Vorteile erhofft, dann sollten Sie diese Beziehung beenden und sich zu schade sein, nur benutzt zu werden.«
»Aber ich liebe ihn, und mir ist der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach. Ehe Frieder und ich zusammenkamen, war ich lange Zeit allein, weil es mir nicht so leicht fällt, Anschluss zu finden und ich außerhalb der Bank ziemlich schüchtern bin. Es ist schöner mit einem Mann zusammenzusein, der mir etwas Gefühl entgegenbringt als gar keinen zu haben.«
Das war eine Einstellungssache, und weder Bettina noch Thomas wollten das kommentieren. Sie konnten es ja auch überhaupt nicht, denn ihre Verbindung basierte auf hundertprozent Liebe und hundertprozentigem Vertrauen.
»Wo ist Frieder eigentlich?«, fragte Bettina stattdessen, vielleicht würde sie erfahren, ob das Gerücht mit Südamerika stimmte.
Nele zuckte hilflos die Achseln.
»Ich