Stella zuckte die Achseln.
»Ich kann das jetzt nicht so nachvollziehen, weil ich nie in einer solchen Situation war und auch bestimmt nicht in eine solche kommen werde. Mein Platz ist bei Jörg und unseren Kindern, und da fühle ich mich wohl. Ich hatte nie irgendwelche Ambitionen. Es hätte mir auch nichts ausgemacht, von Jörg abhängig zu sein, das ist nun nicht mehr der Fall, weil Tante Finchen mich als ihre Erbin eingesetzt hat. Ach, Ricky, es ist schon beachtenswert, wie du immer dein Ding machst. Du weißt einfach, was du willst, und von dir kann man eine ganze Menge lernen.«
Ricky wollte nicht über sich reden, zumal sie es als ganz normal empfand, was sie so tat, und deswegen wechselte sie das Thema.
»Fabian und ich waren übrigens bei deiner Mutter, um uns den kleinen Hund anzusehen. Beauty ist wirklich ein ganz reizendes Tierchen, und Rosmarie scheint mit ihr sehr glücklich zu sein. Sie hat sich überhaupt verändert …, sehr deutlich zu ihrem Vorteil, finde ich.«
»Mama hat mir von eurem Besuch erzählt, und sie ist ganz glücklich, dass sie mit Fabian nicht so heftig aneinandergeraten ist wie sonst. Wie wundervoll wäre es doch, wenn es bei uns irgendwann einmal annähernd so harmonisch werden könnte wie bei euch, bei deiner Familie. Davon sind wir meilenweit entfernt. Und das macht mich traurig. Ich bemühe mich ja, aber Gefühle lassen sich nicht einfach erzwingen, und wenn ich meine Eltern sehe, da fühle ich eigentlich so gut wie nichts. Bisher war es jedenfalls so. Im Gegensatz zu Fabian halte ich mich aber zurück, schließlich sind es unsere Eltern, die es verdienen, mit Respekt behandelt zu werden.«
»Stella, da musst du dir wirklich keine Vorwürfe machen, du tust, was du kannst. Aber jetzt, da Rosmarie so anders geworden ist, besteht noch ein Hoffnungsschimmer. Und uns und meine Eltern darfst du nicht als Vorbild nehmen. Das war einmal, aber seit das mit Pamela geschehen ist …«
Stella blickte ihre Schwägerin an.
»Es fällt dir immer noch schwer, Bambi jetzt Pamela oder Pam nennen zu müssen, nicht wahr?«
Ricky zuckte die Achseln.
»Sie war immer unsere Bambi, unsere Kleine, aber ich respektiere ihren Wunsch. Ach, Stella, sie fehlt mir so sehr. Und ich wünsche mir wirklich von ganzem Herzen, dass sie irgendwann nach Hause zurückkommt und Mama und Papa verzeiht, dass sie ihr verschwiegen haben, dass sie adoptiert ist und keine echte Auerbach.«
»Und das war es ja, worauf die Kleine immer so stolz war«, bemerkte Stella. »Sie hat sich als echte Auerbach gefühlt, hat zwischen sich und jedem von euch Ähnlichkeiten gesehen, und …«, Stella seufzte, »es muss schrecklich für sie gewesen sein, im Eiscafé zufällig das Gespräch zweier Frauen mitzubekommen und erfahren zu müssen, dass sie adoptiert ist. Da muss für das arme Ding doch eine Welt zusammengebrochen sein.«
Ricky nickte.
»Das denke ich auch. Und alles hätte vermieden werden können, wenn meine Eltern es nicht immer wieder herausgeschoben hätten, ihr die Wahrheit zu sagen. Es war ein Verrat an Pam. Sie hatte das Recht darauf zu erfahren, wo ihre Wurzeln sind. Und wäre es beizeiten geschehen, wäre sie ganz anders damit umgegangen. Jetzt ist ein tiefer Graben zwischen uns, und das belastet mich auch sehr. Sie fehlt mir, schließlich ist sie, und daran wird sich niemals etwas ändern, meine kleine, geliebte Schwester.«
»Ich mag sie auch so gern«, sagte Stella. »Jörg sagt immer, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können. So ist sie wenigstens bei Hannes, und ich glaube, der passt ganz großartig auf seine kleine Schwester auf.«
»Das glaube ich auch, aber Hannes ist selbst noch sehr jung. Der weiß ja nicht einmal, was aus ihm werden soll. Und wie soll er mit den Problemen eines pubertierenden Mädchens umgehen. Stella, erinnere dich, wie es bei uns war, wie oft wir in die Arme unserer Mütter geflüchtet sind.«
»Du in die Arme deiner Mutter«, sagte Stella traurig, »weil Inge eine liebevolle, verständnisvolle Mutter ist. Ich konnte das nicht, wie du weißt, waren Fabian und ich immer auf die Zuwendung unserer Kinderfrauen angewiesen. Und auch wenn die noch so nett sind, man vertraut ihnen nicht das an, was man einer guten, treusorgenden Mutter sagen würde …, aber es ist Vergangenheit, es ist vorbei. Und ich will auch nicht nachtragend sein, und deswegen werde ich heute Nachmittag zu meinen Eltern fahren. Ich habe sogar einen Kuchen gebacken.«
»Aber das tust du doch immer«, bemerkte Ricky. »Aber guck dir den Hund mal an, der ist wirklich süß, und er scheint an Rosmarie zu hängen. Als wir da waren, wich Beauty auf jeden Fall nicht von Rosmaries Seite, und das ist doch schon, mal was. Rosmarie hat sich wirklich verändert, und zwar zu ihrem Vorteil.«
»Wir sollten auch mal wieder ein Familientreffen machen«, sagte Stella. »Unsere Kinder kommen so gern zu euch, und ich glaube, alle unsere Kinder verstehen sich richtig gut.«
Ricky konnte das nur bestätigen.
»Sag mal, Stella, ist eure Familienplanung eigentlich endgültig abgeschlossen?«
Stella wurde rot. »Ich glaube, Jörg sieht das so. Ich hätte mir durchaus noch ein Kind vorstellen können.«
Ricky klopfte ihrer Schwägerin auf die Schulter.
»Stella, Jörg ist zwar mein Bruder, und ich liebe ihn auch wirklich über alles. Aber ich finde, manchmal kann er ein richtiger Macho sein. Er könnte deinen Wunsch schon respektieren.«
Dem widersprach Stella sofort.
»Mein Jörg ist überhaupt kein Macho. Er ist ein ganz wundervoller Ehemann und ein liebevoller Vater. Für mich ist es normal, mich an seine Regeln zu halten. Ich kenne es nicht anders, mir wurde immer von meinen Eltern gesagt, wo es längs geht, was ich zu tun oder zu lassen habe. Fabian ist da anders, der hat rebelliert. Aber wie ist es denn bei euch mit euren Kindern? Habt ihr die einfach so bekommen?«
»Nein, Stella, jedes von ihnen ist gewünscht, und das haben Fabian und ich gemeinsam so gewollt. Gemeinsam«, wiederholte sie noch einmal ganz nachdrücklich.
Stella zuckte die Achseln.
»Bei euch ist es eben anders als bei uns. Aber man muss daraus doch keinen Film drehen. Es gibt für eine Partnerschaft keine festen Regeln, du bist mit Fabian auf eure Weise glücklich, und so geht es mir mit Jörg. Ich habe nicht eine einzige Sekunde lang bereut, ihn geheiratet zu haben. Wir sind sehr glücklich miteinander. Und darauf kommt es schließlich an, und man muss keine Strichliste darüber führen, wer wann was und wo gesagt hat und ob er dabei vielleicht irgendwelche Kompetenzen überschritten hat.«
»Stella, ich denke, wir sollten das Thema beenden. Darüber zu streiten führt zu nichts. Außerdem muss ich nach Hause. Ich habe noch eine ganze Menge zu tun, vor allem muss ich mich mit einem Elektriker streiten, der uns schon dreimal versetzt hat.«
Stella lachte.
»Siehst du, und das muss ich nicht. Das nimmt mir Jörg ab, und das ist gut so.«
»Ich muss es auch nicht, meine Liebe«, bemerkte Ricky. »Ich will es.«
Stella umarmte Ricky. »Ich gebe auf, liebe Schwägerin. Gehe nach Hause und streite dich, und wenn du das hinter dir hast, kannst du ja vielleicht mal darüber nachdenken, ob und wann wir das Familientreffen machen.«
Sie verstanden sich wirklich gut, die beiden Frauen, und das lag in erster Linie vermutlich daran, dass sie Freundinnen waren. Sie konnten unterschiedlicher Meinung sein, ihrer Freundschaft tat das keinen Abbruch.
»Darüber muss ich nicht nachdenken, kommt doch einfach am Samstag vorbei, und am besten schon