Und da fiel Teresa ein, dass sie unbedingt mit Frau Doktor Fischer telefonieren musste, der Chefin des Tierheims. Eine Nachbarin hatte ihr einen Briefumschlag mit einer Spende gegeben. Frau Doktor Fischer würde sich sehr freuen, das Tierheim platzte aus allen Nähten, weil die Leute sich Tiere anschafften wie ein Paar Schuhe oder eine Handtasche. Und wenn sie merkten, welche Arbeit damit verbunden war, kamen die Tiere weg wie ein Wegwerfartikel. Und da konnte man noch froh sein, wenn sie die Tiere ins Tierheim brachten und nicht irgendwo aussetzten und sie ihrem Schicksal überließen.
»So wie sie es mit dir gemacht haben, meine kleine Luna«, sagte Teresa, und Luna bellte zustimmend, blickte Teresa bettelnd an. Doch diesmal blieb sie hart. »Genug ist genug. Ich weiß nämlich sehr genau, dass Herrchen dich auch noch verwöhnen wird.«
Luna machte kehrt und lief zu Magnus.
Dumm war die kleine weiße Hundedame wirklich nicht.
Endlich konnte Teresa sich um Kaffee und Kuchen kümmern. Und da sie keine Lust hatte, ein zweites Mal in die Küche zu laufen, schnitt sie von dem leckeren Schokoladenkuchen gleich ein größeres Stück für ihren Magnus ab. Sie kannte ihn doch.
Auf jeden Fall war Teresa jetzt wieder ein wenig entspannter, und das war gut so.
*
Rosmarie Rückert saß zusammen mit ihrem Mann Heinz in dem viel zu großen Wohnzimmer, in dem man sich so richtig verloren vorkommen konnte. Die Größe des Raumes erinnerte ja beinahe an einen Fürstenpalast, in dem Räume solcher Ausmaße üblich waren.
Was hatten sie sich damals nur gedacht, sich in einem Alter, in dem andere Leute sich kleiner setzten, sich diesen Palazzo Protzo hinzusetzen. Ihr Sohn Fabian hatte es damals ironisch gemeint, als er die Villa zum ersten Male betreten hatte, aber innerlich musste Rosmarie ihm jetzt recht geben.
Wie schön war doch ihr altes Haus gewesen, in dem die Kinder aufgewachsen waren.
Was hatte sie eigentlich dazu getrieben, sich so zu vergrößern?
Um ihr Geld zu zeigen?
Um sich bewundern oder beneiden zu lassen?
Das war anfänglich auch so gewesen, und wenn sie ehrlich war, hatte sie es genossen.
Schöner, größer, teurer …
Das war ihre Devise gewesen. Doch jetzt hatte sie sich verändert. Und sie hatte zu vielem auch eine ganz andere Einstellung bekommen. Aber manches Rad ließ sich nicht zurückdrehen. Ihr war es wichtig gewesen, wer zu sein, in der Öffentlichkeit eine Rolle zu spielen. Und um die Kinder, die eigentlich nicht mehr als Statussymbole gewesen waren, hatten sich wechselnde Kinderfrauen gekümmert.
Jetzt hatte sie die Quittung.
Fabian machte sein Ding und kam eigentlich hier und da nur noch, weil Heinz und sie halt seine Eltern waren. Sein Draht zu den Auerbachs, seinen Schwiegereltern, war viel besser und enger. Und Stella? Wenn sie ehrlich war, dann kam die auch nur aus dem Grund, weil sie auch als Erwachsene noch immer eine folgsame Tochter war, die wusste, was sich den Eltern gegenüber gehörte.
Ehrlich gesagt wusste sie auch nicht viel über die Kinder von Fabian oder die von Stella. Sie war die Großmutter, und das hatte sie eigentlich immer mit alt gleichgesetzt.
Verrückt!
Cecile, die uneheliche Tochter von Heinz, von der er nichts wusste, bis Cecile erwachsen war, die hatte ihr unbewusst die Augen geöffnet. Ausgerechnet Cecile, die sie am liebsten erdolcht hätte, von der sie nichts wissen wollte. Dabei war das eine so patente Frau, und durch die hatte Rosmarie gesehen, dass man Reichtum nicht nach außen tragen musste, sondern sich unauffällig bewegen sollte und den Reichtum als Selbstverständlichkeit sehen sollte. Wenn sie daran dachte, wie panisch sie gewesen war, weil sie geglaubt hatte, Cecile könnte ihren Anteil vom Rückertschen Vermögen verlangen. Die Familie von Cecile war unermesslich reich, dagegen war das, was die Rückerts besaßen, und das war nicht wenig, nichts als Peanuts.
»Woran denkst du?«, erkundigte sich Heinz Rückert, der seine Frau bereits eine ganze Weile beobachtet hatte.
»Gerade an Cecile, und wie schrecklich ich mich ihr gegenüber benommen habe. Und ich dachte auch an unser Haus. Heinz, ist es nicht viel zu groß für uns?«
Heinz Rückert blickte seine Frau ein wenig irritiert an.
»Aber du wolltest dieses Haus doch um jeden Preis, und es sollte ganz genauso aussehen wie die Villa von diesem Industriellen, auf dessen Namen ich jetzt nicht gleich komme.«
»Frielingsdorf«, half Rosmarie ihrem Mann weiter, der in letzter Zeit ganz schön vergesslich wurde. »Ich weiß, aber man merkt erst, ob man sich wohlfühlt oder nicht, wenn man in dem Objekt seiner Begierde wohnt … Heinz, ich fühle mich nicht mehr wohl. Am liebsten würde ich diesen großen Kasten verkaufen.«
Heinz wurde wütend.
»Rosmarie, wir hatten wegen dieser Hütte Kräche ohne Ende. Du hast mir sogar damit gedroht, mich zu verlassen, wenn ich dir diesen Wunsch nicht erfülle. Und jetzt willst du verkaufen? So einfach ist das nicht. Die Immobilienpreise sind gestiegen, die Villa ist auf jeden Fall teurer geworden, wenn wir jetzt verkaufen, dann müssen wir, wenn wir mehr erzielen, auf jeden Fall einen Spekulationsgewinn versteuern.«
»Na und? Dann tun wir das, das bringt uns nicht an den Bettelstab.«
»In Hohenborn einen Käufer für dieses Objekt zu finden, ist auch noch etwas anderes. Nein, meine Liebe, ich denke, wir lassen es erst einmal so, wie es ist und bis du dir auch wirklich sicher bist.«
»Heinz, ich habe mich verändert«, sagte sie.
Er nickte bestätigend.
»Ja, das hast du. Und das gefällt mir auch gut, dass du dich nicht mehr so herausputzt und dass du offensichtlich den Spaß an Schönheitsoperationen verloren hast. Und Rechnungen vom Juwelier habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen. Aber dennoch, es bleibt dabei. Bis wir uns klar werden, wohin wir im Alter, und taufrisch sind wir ja nicht mehr, wirklich gehen wollen. Auch da muss ich dich an etwas erinnern. Als ich von einem Zweitsitz in Frankreich sprach, weil ich Cecile nahe sein wollte, hast du getobt. Erinnerst du dich noch?«
Du liebe Güte! Natürlich erinnerte Rosmarie sich, und wenn es ginge, würde sie das alles am liebsten ausradieren. Sie hatte keine rühmliche Rolle gespielt. Sie hatte sich aufgeführt wie eine Furie. Zuerst einmal war da ihr Verdacht, die junge Frau, mit der sie ihren Heinz zufällig gesehen hatte, sei seine heimliche Geliebte. Es wäre schnell aus der Welt zu schaffen gewesen, wenn sie ihm zugehört hätte. Aber sie hatte jede Aussprache vermieden, weil sich an ihrem Leben nichts ändern sollte. Den Kopf in den Sand zu stecken war auf jeden Fall für sie besser gewesen als sich einer jungen Geliebten zu stellen. Es war einzig und allein ihre Schuld gewesen, dass sie diese Höllenqualen erleiden musste. Aber es war ja weitergegangen. Als feststand, dass Cecile seine Tochter war, von der er nichts gewusst hatte, da war sie längst nicht zufrieden gewesen, sondern voller Panik, Cecile wolle an ihr Geld.
»Heinz, fang bitte nicht wieder davon an. Das war doch alles, bevor ich Cecile kennengelernt habe, bevor ich wusste, welch liebenswerter Mensch sie ist. Also lass es, höre auf, olle Kamellen aufzuwärmen. Ich könnte dir auch eine ganze Menge vorwerfen. Warum hast du mir beispielsweise nie erzählt, dass du in Paris studiert hast und dort eine große Liebe hattest, von der du durch unglückliche Umstände getrennt wurdest?«
Heinz seufzte.
Er und Rosmarie waren wirklich ein gutes Team, aber manchmal konnte seine Frau ganz schön nervig sein.
»Weil das mit Adrienne Raymond lange vor deiner Zeit war und weil du dich niemals für meine Vergangenheit interessiert hast. Du warst doch viel zu sehr damit beschäftigt, Geld unter die Leute zu bringen und gesellschaftliche Anerkennung zu finden.«
Rosmarie