Dennoch waren sie ein kriegerisches Volk, wie auch Arasis selbst eine kriegerische Gottheit war, und sie begannen die Einhörner nicht nur zu vertreiben, sondern sie auch gezielt auszurotten.
In den meisten Geschichten heißt es, dass diese so faszinierenden Tiere in jener Zeit ausstarben. Dennoch tauchten in späteren Zeiten hier und da noch ein paar ihrer Art auf. Vielleicht hatten die Einhörner sich in irgendein sicheres Land zurückgezogen, vielleicht waren sie auf eine andere Insel geflohen, vielleicht war es ihnen auch nur gelungen, sich vor den Arasien zu verstecken.
In der Natur kehrte wieder Frieden ein und die Tiere standen unter dem Schutz der Arasien.
Arasis wurde als Held gefeiert. Er gewann an Ansehen und selbst Oros neigte sein Haupt vor ihm. Doch vergaßen die Gottheiten darauf zu achten, was in den Ländern der großen Insel weiter geschah.
Die Arasien waren als Krieger geschaffen worden und so lag es in ihrer Natur, Konflikte durch Kampf zu regeln. Es kam dazu, dass sich das Volk in einzelne Clans aufsplitterte, doch selbst innerhalb dieser Gruppen herrschte keine Einigkeit, sodass sich einzelne Familien aus der Gemeinschaft zurückzogen.
Es folgten viele Schlachten zwischen den Familien und den Clans. Hauptsächlich kämpfte man um Gebiete und Ländereien, denn je größer das eigene Reich war, umso sicherer konnten die Familien leben, umso mehr Nachkommen wurden geboren und zu Kriegern ausgebildet.
Diese Kriege führten zu einem Streit unter den Gottheiten. Man gab Arasis die Schuld am kriegerischen Verhalten seines Volkes, doch eine noch weitaus größere Gefahr als die Arasien stellte die Magie dar, die nun nicht mehr zu bändigen war, auch nicht von den Gottheiten selbst. Sie war allgegenwärtig, eine unsichtbare Macht, die sich erst dann entfalten sollte, wenn Gefahr bestand, dass die Natur aus dem Gleichgewicht kommt.
Behemus, eine Gottheit, die Arasis um seinen Ruhm beneidete, schuf heimlich ein weiteres Volk, die Bettas, die fern der großen Insel hoch im Norden bei den Hohen Bergen lebten. Es waren sehr kleine Wesen mit langen knochigen Armen und kurzen Beinen mit langen Zehen.
Ihre Haut war von gräulicher bis bläulicher Farbe. Zwei leuchtende Augen stachen aus dem Kopf hervor, Mund, Nase und Ohren waren klein und kaum zu sehen.
Sie waren ausgezeichnete Kletterer und herrschten recht bald über die Hohen Berge, doch ihre wahre Stärke lag in der Fähigkeit unscheinbar zu sein.
Behemus hatte die Bettas nur zu einem Zweck geschaffen: Sie sollten die Arasien überlisten, sich in ihre Dörfer einschleichen und die Frauen abschlachten, denn ohne sie würde es keinen Nachwuchs mehr geben.
Die Bettas sollten über das große Meer kommen und den Norden der größten Insel erreichen, auf der die Arasien lebten. Doch dieser Plan scheiterte.
Oros der Mächtige erfuhr von Behemus’ Absicht, und in seiner Wut löste er auf See einen heftigen Sturm aus, doch wenngleich dieser von zerstörerischer Kraft war, so konnte er den Bettas doch nichts anhaben, denn ihr Überlebenswille war zu stark. Sie schafften es, sich auf eine kleine Insel zu retten.
Die Gottheiten verbannten Behemus daraufhin aus ihrem Reich. Oros ließ nun aus den Tiefen der heiligen Quelle im Westen der großen Insel seine eigene Schöpfung steigen: die Oronin. Auch sie waren kleine Wesen mit spitzen Ohren und einem starken Willen. Und wenn sie auf den ersten Blick auch hässlich wirkten, so verbarg sich tief in ihrem Inneren eine unübertreffliche Schönheit. Sie bewegten sich mit großer Eleganz und waren geschickter als alle anderen Lebewesen.
Oros hatte jedoch nicht bedacht, wie die Arasien reagieren würden, wenn sie auf die Oronin stießen.
Natürlich betrachteten die Wächter der Wälder das neue Volk als einen Feind und sie begannen, die Oronin zu jagen und zu hetzen. Die kleinen Kreaturen waren gegen die großen Krieger machtlos, da Oros ihnen keine zusätzlichen Fähigkeiten gegeben hatte, die sie gegen die Arasien einsetzen hätten können.
Aus dem Hass zwischen Arasien und Oronin entstand der längste Krieg zwischen zwei Völkern, der bis zum heutigen Tage andauert.
Da die Arasien den Oronin überlegen waren, zog sich Oros’ Volk nach Norden an die Küste zurück, wo sie sich ansiedelten und auf die Ankunft der Bettas warteten.
Über Jahre und Jahrzehnte hinweg geschah nichts. Einige der Gottheiten hofften bereits, die Bettas wären wieder zu den Hohen Bergen zurückgekehrt, doch sie irrten sich.
Behemus, der nach seiner Verbannung als Sterblicher wiedergeboren worden war, führte sein Volk zum Osten der großen Insel, von wo aus sie unbehelligt nach Westen weiterzogen, den Arasien entgegen.
Wie die einstige Gottheit es beabsichtigt hatte, erwies sich sein Volk als den Arasien überlegen. Sie waren zu klein und zu geschickt, um entdeckt und gejagt zu werden. Doch eines Tages gelang es einem der großen Clananführer, Behemus zu überlisten und ihn zu töten.
Mit einem Schlag war der Wille der Bettas gebrochen, es war, als stünden sie unter einem Bann. Vielleicht aus Angst, da sie nun erkannt hatten, dass selbst der mächtige Behemus ihnen unterlegen war, schlossen sie sich den Arasien an.
Die Kunde von Behemus’ Tod erreichte auch die Oronin, die nun in Scharen von Norden in die Gebiete der Arasien einfielen und die anderen Völker bekämpften.
Auch unter den Gottheiten brach ein Streit aus. Man gab Oros und Arasis die Schuld an den Missständen. Zugleich war es nun kein Geheimnis mehr, wie man neue Völker erschaffen konnte. Renetus der Radikale schuf die Renz, große, zottelige Bestien. Wie die Arasien standen auch sie auf ihren Hinterbeinen und hatten die Pranken für Waffen aller Art frei, doch waren sie nicht als Wächter und Bewahrer geschaffen worden, sondern als Monster mit gewaltigen Stoßzähnen und einem riesigen Maul.
Die Renz zogen in Rudeln durch die Ländereien, mordeten und plünderten. Wenngleich sie niemals so stark waren wie die anderen großen Völker, konnten sie in kleinen Gruppen über all die Jahre hinweg überleben und werden noch heute als Bestien gefürchtet.
In vielen Geschichten steht geschrieben, dass Riefus, der Sohn des Behemus, sich für die Verbannung und den Tod seines Vaters rächen wollte. Deshalb schuf er das mächtigste aller Völker, jenes, das den anderen überlegen war, weil es sich der Sprache bedienen und Handel betreiben konnte.
Er war der Erste, der sein Volk, die Menschen, nicht nach sich selbst benannte und nicht wie die anderen Gottheiten nach Perfektion strebte. Die Menschen waren voller Fehler und Schwächen, doch er stattete sie mit der Fähigkeit aus, einander zu verzeihen, sich zu irren und auch das Scheitern zuzulassen.
Es waren die Menschen, die Liebe empfinden konnten, es waren die Menschen, die unter Kummer litten. Und dennoch wurden sie zum mächtigsten aller Völker, denn sie betrieben Handel und errichteten eine soziale und politische Struktur.
Viele Gottheiten rätselten über Riefus’ Vorgehensweise, sie misstrauten ihm, sie vermuteten einen tückischen Plan. Auch konnten sie sich nicht erklären, wie ein Volk so voller Schwächen so mächtig werden konnte.
Am wahrscheinlichsten allerdings gilt, dass Riefus nicht nach Rache trachtete, vielmehr wollte er die Taten seines Vaters wieder gut machen und die anderen Gottheiten die Kunst des Verzeihens lehren.
Ein ganzes Jahrhundert lang standen die Völker einander im Krieg gegenüber. Als fast schon der gesamte Westen der größten Insel von den Menschen beherrscht wurde, geschah etwas, was sich keiner der Gottheiten – selbst Riefus nicht – erklären konnte: die Verschmelzung zweier Kreaturen durch Magie.
Über dieses Ereignis gibt es zahlreiche Aufzeichnungen, zumal die Menschen der Schrift mächtig waren.
Ein junger Menschen-Mann war einst bis zum See im Herzen des westlichen Teils der großen Insel vorgedrungen, wo er auf eine Oronin-Frau traf. Die beiden Geschöpfe wurden von Liebe zueinander erfasst und ihre Körper verschmolzen durch Magie miteinander. Zwei Seelen waren nun in einem Körper gefangen. Auch das Aussehen