Das Böse ruht nie. Marion Petznick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marion Petznick
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783946734369
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schnell ab. Einige wichtige Angaben hatte er der Polizei gegeben, das reichte. Der Mann ließ sich nicht einfach abwimmeln. Er rief weiter mehrmals täglich an. Dabei wurden die zeitlichen Abstände sogar noch kürzer. Heilmeyers Leute kannten solche Zeitgenossen zur Genüge. Sie blieben gelassen. Er forderte, den Chef sprechen zu wollen, doch stets vertröstete man ihn: „Der Chef gibt keine persönlichen Statements, erst recht nicht über laufende Ermittlungen.“

      Heilmeyer erfuhr kaum etwas von der Nerverei des Mannes. Sein Interesse nahm erst zu, als er hörte, dass die Exfrau auch Opfer einer Entführung sein könnte.

      „Zuletzt war Sarah mit einem chaotischen Typ liiert“, so der Journalist. „Sie wollte sich von dem Kerl längst trennen. Für mich verständlich, denn der schlug sie regelmäßig. Ein harter Bursche. Ich bin sicher, der hat sie verschleppt.“

      Im Kommissariat ließ sich zwar niemand vom Gerede des Mannes beeindrucken, aber die Kripo musste den Anschuldigungen des Mannes trotzdem nachgehen. Deshalb machte Heilmeyer klare Ansagen, um sofort mit den Befragungen zu beginnen. Der aktuelle Freund der Vermissten konnte allerdings nirgendwo ausfindig gemacht werden.

      Seit den frühen Morgenstunden stand in Heilmeyers Räumen kein Telefon mehr still. Jede Menge Hinweise trudelten fast im Minutentrakt ein, alle wollten die Frau irgendwo gesehen haben. Sogar ein Anruf aus Dänemark landete bei ihnen. Einige Hinweise erschienen mehr als abenteuerlich und gehörten eher in die Liga der Trittbrettfahrer. Einige ließen sich gleich während des Telefongesprächs enttarnen, andere wurden so weit in die Enge gedrängt, dass sie nur noch zugaben, sich wohl getäuscht zu haben. Es war jedes Mal dasselbe, die meisten wollten sich nur wichtigmachen und stahlen der Kripo wertvolle Zeit. Offenbar nahm die Aktivität von Schaumschlägern noch weiter zu.

      Heilmeyers Erfahrungen ließen keinem Wichtigtuer eine Chance. Schnell erkannte er sie und erteilte ihnen eine ordentliche Abfuhr. „So ein Gelaber können wir uns bei der schlechten Besetzung gar nicht bis zum Ende anhören.“ Sein Ton war manchmal etwas zu robust, das wusste er. Doch seine Ergebnisse gaben ihm recht. „Die paar Beschwerden können wir verkraften. Klappt die Zusammenarbeit mit den anderen Polizeirevieren?“, fragte er in die Runde. „Wer koordiniert die Ergebnisse der anderen Reviere?“ Seine Leute kannten ihn und wussten, dass er nie die Zügel lockerließ. Erst wenn sichergestellt war, dass alles in Bewegung gebracht wurde, schien er zufrieden zu sein.

      Zur heutigen Besprechung waren seine Leute alle pünktlich versammelt. „Fassen wir zusammen“, begann Heilmeyer seine Ausführungen. „Von der Frau fehlt seit fast zwei Tagen jede Spur. Telefonisch ist sie nicht zu erreichen und der AB springt nicht mehr an. Niemand aus ihrem Umfeld konnte uns einen brauchbaren Hinweis liefern. Nur der Ex bedrängt uns penetrant.“

      „Seit er merkt, dass eine Menge Leute an der Suchaktion beteiligt waren, hat er sich aber beruhigt“, mischte sich Olli ein. Olli war so was wie seine rechte Hand und arbeitete dem Chef direkt zu. „Eine so groß angelegte Suchaktion beginnt ansonsten ja auch viel später. Denn die Frau gilt weder als hilflos, noch ist sie suizidgefährdet. Aber in diesem Fall gab es wohl die Anweisung von ganz Oben?“

      „Genau Olli, der Ex hat sein Ziel erreicht, weil er glaubhaft darstellen konnte, dass eine Entführung wahrscheinlich ist. Der Schreiberling muss tatsächlich …“

      Heilmeyer kam nicht mehr dazu seinen Satz zu beenden, weil sein Telefon läutete: „Was gibt es?“ Und dachte bei sich, hoffentlich mal etwas, das wir ernst nehmen können.

      Die erregte Frauenstimme am anderen Ende der Leitung antwortete: „Garantiert landen wir mit diesem Anrufer einen Volltreffer. Ein Ehepaar wartet in Wiethagen und scheint total durch den Wind zu sein. Die Frau berichtete nervös von einem grausamen Fund. Die hörte sich selbst durchs Telefon noch geschockt an. Wenn da nichts dran ist, lasse ich mich versetzen“, meinte ungewohnt flapsig die Kollegin aus der zentralen Telefonstelle.

      „Ist ja gut, stell durch und hoffentlich hast du recht.“ Kaum hatte er seinen brummigen Kommentar abgelassen, war ein leises Stammeln zu hören: „Bin ich richtig bei Ihnen?“

      „Das werden wir gleich feststellen. Erzählen Sie mir kurz, warum Sie anrufen.“

      „Wir haben, äh, unser Hund hat im Wald …“ Dann war nur noch ein lautes Atmen zu hören.

      „Bleiben Sie ganz ruhig und erzählen der Reihe nach! Was hat Ihr Hund gefunden?“ Heilmeyer spürte die Nervosität der Anruferin und ging besonders behutsam auf sie ein, auch wenn er innerlich bebte. Zwar verlor er selten die Beherrschung, aber jetzt schien er kurz davor zu stehen. Seine Intuition sagte ihm aber, dass es sich um etwas Ernstzunehmendes handeln könnte. Er spürte, wie die Frau am anderen Ende der Leitung um ihre Fassung rang und sie war nur stotternd zu verstehen: „Eine junge Frau liegt im … Wald …“ Dann machte sie erneut eine Pause.

      „Lassen Sie sich nicht jedes Wort aus der Nase ziehen! Lebt sie, was ist mit der Frau?“

      „Wir glauben, äh, ja, nein. Wir sind eigentlich sicher. Nein, die Frau lebt nicht mehr. Obwohl, na ja, eigentlich sieht sie aus, als ob sie nur schläft.“

      „Wie schlafen? Was soll das denn? Wo genau sind Sie?“

      „In Wiethagen am Waldrand, wo die ersten Häuser beginnen. Wir konnten nicht früher anrufen, weil das Handy …“

      „Okay, okay, ist ja gut. Bleiben Sie an Ort und Stelle. In wenigen Minuten sind wir bei Ihnen.“ Er rief noch ein „Danke“ hinterher, aber die Frau hatte längst aufgelegt.

      „Tatsächlich ein Volltreffer! Jens ruf die anderen von der Spusi zusammen! Die sollen sich schon mal auf den Weg nach Wiethagen machen. Die Frau im Wald könnte tatsächlich unsere gesuchte Frau sein.“

      Wenige Minuten später saßen sie bereits im Auto. Jens, der Techniker in Heilmeyers Team, saß am Steuer und gab kräftig Gas. Heilmeyer missfiel sein Fahrstil.

      Vorsichtig mahnte er ihn: „Jens denk daran, auf der Straße sind ortsunkundige Touristen unterwegs, denen sollten wir ihren wohlverdienten Urlaub nicht verderben.“

      Jetzt erst erkannte auch Jens, dass er kaum aufs Tacho geschaut hatte. Und wirklich, so schnell waren sie selten unterwegs. Für die Strecke Rostock Mitte bis an ihr Ziel brauchten sie knapp dreißig Minuten. Einige Meter vom Ortsschild Wiethagen entfernt erkannten sie zwei Leute, die unruhig auf- und abgingen.

      „Die beiden sehen total mitgenommen aus. Ehrlich, so sieht man nur aus, wenn etwas Furchtbares passiert ist.“

      Heilmeyer stieg als erster aus und ging direkt dem Ehepaar entgegen. Auf der Hälfte des Weges trafen sie sich. Thea wiederholte das, was sie bereits am Telefon gesagt hatte. Geduldig hörte sich der Hauptkommissar den gesamten Bericht noch einmal an.

      „Das hört sich wirklich schlimm an, da müssen Sie ja geschockt sein“, versuchte der Kommissar beruhigend auf das Ehepaar einzureden. „Aber jetzt sind wir ja da und kümmern uns um den Fall. Versuchen Sie abzuschalten und das Ganze zu vergessen, wenn das irgendwie möglich ist. Aber gut, dass Sie sich gleich bei uns gemeldet haben. Vielen Dank dafür. Wenn Sie sich erholt haben, kommen Sie morgen ins Kommissariat, wir nehmen dann ein Protokoll auf. Sind Sie in der Lage uns eine Wegbeschreibung zu machen?“

      „Bestimmt, Michael kann das!“ Theas Mann beschrieb sofort der Polizei den kürzesten Weg, der direkt zum Fundort führte. „Mit dem Auto geht das auf alle Fälle schneller“, fügte er ergänzend hinzu.

      Nachdem die Eheleute sich verabschiedet hatten, versprachen sie wegen des Protokolls vorbeizukommen.

      „Na dann bis morgen oder übermorgen. Rufen Sie vorher an und wir machen einen Termin, damit sie nicht so lange warten müssen“, meinte Heilmeyer freundlich zum Abschied.

      Thea und Michael verließen sofort den Schreckensort und waren froh wieder in ihrem Auto zu sitzen, um in Richtung Rostock zu fahren. Michael fand als erster seine Sprache wieder: „Für heute habe ich genug vom Wald und die Lust am Baden ist mir ohnehin vergangen. Wenn du morgen beim Sport Claudia triffst, wird die garantiert den Mund nicht mehr zu kriegen. Wo die an jeder Ecke kriminelle Idioten wittert. Wer weiß, ob sie danach immer noch so wild auf