Das Böse ruht nie. Marion Petznick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marion Petznick
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783946734369
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Die riesige Menge Farn und wie die Frau hingelegt wurde. Dazu die weiße Calla, das alles kann kein Zufall sein! Sie sollte genauso gefunden werden!“

      „Könnte auch ganz anders sein“, überlegte Michael. „Etwas Entscheidendes spricht gegen deine These. Der Platz ist viel zu abgelegen. Wir selbst wären ohne Arko nie so nah herangekommen. Genau, der Hund war es ja, der uns hierhergelockt hat! Freiwillig hätte ich mich nie durch diesen dichten Farn gequält.“

      Michaels Worte erreichten Thea und sie reagierte genauso fassungslos: „Ein Verbrechen der übelsten Sorte. Und das in unserer friedlichen Gegend!“

      „Die Polizei muss her! Pass bloß auf den Hund auf, der darf der Frau nicht zu nahekommen.“ Theas Worte klangen unverständlich und kleinlaut.

      „Los, wir sollten endlich was unternehmen! Das Ganze ist schlimm genug und kann nur von der Kripo geklärt werden.“ Michael drängte jetzt energisch darauf, den Platz zu verlassen.

      Theas Atem wurde schneller, trotzdem konnte sie sich nicht verkneifen, auch in das Gesicht der Frau zu sehen. Als ob sie darin eine Antwort finden könnte. Sie traute sich sogar etwas näher heran. Doch als sie merkte, dass ihr Atem unkontrollierter wurde und ihren gesamten Brustkorb beben ließ, entfernte sie sich schnell. „Ich hab’ genug und halte das nicht länger aus. Was reden wir hier eigentlich, die Polizei muss her!“

      Michael sah auf die Frau und murmelte fast unverständlich: „Warum mussten wir auch in diesen Wald?“

      „Mit so einem grauenvollen Fund konnte wohl niemand rechnen“, zischte Thea.

      „Mir wird das jetzt zu viel. Was, warum und wie es hier aussieht, darum sollen sich die kümmern, die wissen, wie das geht. Ich wollte gar nicht erst her. Nun hast du deinen Wald, aber ohne Ruhe, die ist nämlich dahin. Wer weiß, wann wir die wiederfinden.“

      Deprimiert schaute Thea auf Arko. „Alles deinetwegen“, schimpfte sie ihren Hund mit gequälter Stimme aus. Und ihr Blick wurde von dem Hund fast ebenso traurig erwidert! „Warum musstest du uns in dieses Versteck drängen?“ Theas Stimme hörte sich selten so kraftlos an, wie in diesem Moment.

      Als ob Arko jedes Wort verstanden hätte, drängte auch er jetzt darauf, den Ort zu verlassen. Er jaulte laut und machte sich auf seine Weise bemerkbar.

      „Halt bloß den Hund fest!“, rief sie entsetzt ihrem Mann zu, als sie merkte, dass der sich an der Frau zu schaffen machen wollte.

      „Arko weg da. Die Spuren werden noch gebraucht“, belehrte Michael seinen Hund, als ob der alles verstehen würde. „Im Tatort wird auch gezeigt, wie wichtig DNA-Spuren sind. Sie sind der einzige Beweis, um den Täter einwandfrei zu überführen.“

      „Vielleicht aber haben sich mehrere Täter hier zu schaffen gemacht? Los ruf endlich die Polizei“, schrie Thea ihren Mann buchstäblich an.

      Die Farbe ihres Gesichtes hatte sich komplett verändert. Das auffällige Rot von vorhin war einer aschfahlen Blässe gewichen. Dabei erkannte sie jetzt erst, wie mitgenommen auch ihr Mann aussah. Michael griff in seine Hosentasche, doch sein Handy konnte er nicht ertasten. „Es ist nicht da! Hab ich das jetzt verloren oder nur vergessen? Ich weiß noch nicht mal, ob ich es überhaupt eingesteckt habe.“

      „Was jetzt? Die Polizei muss aber schnell her! Wie kriegen wir das ohne Handy hin?“

      Michael musste an die Frau denken. „Wer weiß, wie lange die tote Frau hier bereits liegt. Kann sein, dass längst nach ihr gesucht wird.“

      „Unseren Ausflug können wir jedenfalls abhaken. Komm wir laufen weiter zum Köhlerhof, da gibt es garantiert ein Telefon.“

      Es dauerte eine Weile, eh sie den Köhlerhof erreichten. Bereits von Weitem erkannten sie, dass sich am Haus im Wald nichts rührte.

      „Das darf nicht wahr sein. Alle Türen zu, und kein Auto in der Nähe! Nicht mal ein Hinweis, ob sich das demnächst ändern würde.“

      „Los, dann laufen wir halt weiter, hier in Wiethagen muss es doch ein Telefon geben.“

      Das erste Mal seit dem schrecklichen Fund machte Michael den Eindruck wieder Herr seiner Sinne zu sein. „Von deinem hoch gelobten Ruhewald keine Spur und mit einem erholsamen Waldspaziergang hat das Ganze auch nichts zu tun. Wer weiß, wann wir uns davon überhaupt erholen?“

      „Ich weiß, dass nichts mehr sein wird wie zuvor. Die wenigen schönen Stunden, alles dahin.“ Thea murmelte leise: „Ich würde mich nicht wundern, wenn wir sogar von bösen Träumen heimgesucht werden.“

      „Mord, das sieht man sonst nur im Fernsehen. Nie hätte ich geglaubt, dass derart Schreckliches so nah an uns heranrückt.“

      Beide merkten ihre körperliche Abgeschlagenheit und nicht nur ihre Psyche war davon betroffen. Ihnen fiel jetzt selbst das Laufen schwer. Auf diese Weise kamen sie nur langsam voran. „Hoffentlich werden die Täter schnell gefunden, ansonsten kann man sich hier in der Gegend nicht mehr sicher sein, weil womöglich ein Mörder frei herumläuft. Dann wird sich auch keiner mehr vor die Tür trauen.“

      „Vielleicht stecken die sogar noch ganz in der Nähe oder es war überhaupt gar kein Mord?“

      „Ach, was sonst? Die sind längst über alle Berge. Und die Tiere hier? Wäre gut, wenn die sich wenigstens zurückhalten würden. Ansonsten kann es für die Polizei mit den Spuren schwierig werden.“

      Nach etwa einer halben Stunde erkannten sie die ersten Häuser von Wiethagen. Als die näher heranrückten, liefen ihre Füße automatisch weiter. Fast waren sie am Ausgangspunkt ihres Ausfluges zurückgekehrt. Allerdings jetzt kraftlos und ohne jeden Schwung. Nicht zu vergleichen mit Theas Freude noch am Morgen.

      Thea klingelte an der erstbesten Haustür. Kurz schilderte sie die Lage, ohne zu viele Details zu verraten, erfuhren die Leute, wie wichtig es war, dass sie die Polizei anrufen musste. Der Hausherr erkannte sofort die Brisanz und reichte ohne große Fragen sein Handy weiter. Thea hielt innerlich bebend den Hörer fest in der Hand und wählte zitternd die 110. Voller Ungeduld musste sie warten, eh sie zum Kriminalkommissariat Rostock durchgestellt wurde. Endlich meldete sich eine kraftvolle Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. Die Frau am Apparat hörte Thea aufmerksam zu und leitete sie ohne noch einmal nachzuhaken sofort weiter.

      Hauptkommissar Heilmeyer und sein Team waren mit den speziellen, nichtalltäglichen Delikten beschäftigt. Deshalb wurde er als erster aus der Zentrale benachrichtigt. Er nahm relativ schnell den Anruf entgegen. Sofort spürte er, dass es sich bei der Anruferin um eine ernstzunehmende Nachricht handeln könnte.

      Plötzlich war ich allein. Wochenlang konnte ich nicht mehr denken und schon gar nicht etwas fühlen. Ich grübelte, ob ich im Verlies überhaupt weitermachen sollte. Lange Zeit war mir nur noch kalt. Ich verkroch mich unter der Erde und konnte nichts anfangen mit dem, was ich vorfand.

      Im Moment geht es wieder los. Die Zweifel sind zurück. Ich zweifle an allem, doch vor allem daran, welchen Sinn die Arbeit in der Höhle macht. Warum hattest du mich in dieses verdammte Verlies geführt und mir das Versprechen abgerungen, alles fertigzustellen. Ich war viel zu jung, um zu begreifen, was das für mich bedeuten würde.

      Inzwischen ist aus deinem Plan längst auch mein Plan geworden. Ich muss das jetzt zu Ende bringen. Und ich werde dir beweisen, dass ich stärker bin als du je geglaubt hattest. Staunen sollst du!

      Hier schreibe ich alles für dich auf. Mit jeder Zeile sollst du blasser werden, wenn du liest, was du mir angetan hast. Erst, wenn du mir gegenüberstehst, werde ich endlich loslassen können:

      Mutter hatte früh Geld für mich angelegt. Das reichte eine Zeitlang, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Inzwischen musste ich diese blödsinnige Arbeit in der Hohen Düne annehmen. Obwohl ich mit fünf Kollegen zusammenarbeite, ist meine Einsamkeit geblieben. Menschen bedeuten mir, seitdem ich allein lebe, sowieso gar nichts mehr. Die Chaträume, die ich jeden Tag besuche, helfen mir zwar zu vergessen, dass ich allein bin. Doch ich finde im Internet immer seltener etwas, das mich antreibt. Hier fragt mich wenigstens keiner, was ich mache und wer ich bin. Das ist gut, denn mein Wissen