Es ist bemerkenswert, dass dieselbe Vertreibung der Juden aus Rom auch in der Apostelgeschichte berichtet wird. Der Verfasser Lukas schreibt: „Danach zog Paulus fort aus Athen und kam nach Korinth. Dort begegnete er einem Juden namens Aquila, der aus der Gegend von Pontus stammte. Zusammen mit seiner Frau Priszilla war er kurz vorher aus Italien dorthin gekommen, weil Kaiser Klaudius angeordnet hatte, dass alle Juden die Stadt Rom verlassen mussten.“8 Das Ehepaar Aquila und Priszilla waren schon Christen, als sie aus Rom kamen. Hier sehen wir, wie die Berichte des römischen Historikers Sueton und des neutestamentlichen Historikers Lukas sich gegenseitig bestätigen. Wobei zu beachten ist, dass Lukas 50 bis 60 Jahre vor Sueton geschrieben hat, also viel näher am eigentlichen Geschehen war!
Eins jedenfalls wird aufgrund dieser Episode deutlich: Die Faszination von Jesus war schon wenige Jahre nach seinem Tod in der Hauptstadt des römischen Reiches zu spüren.
Nach dem Tod von Claudius (54 n. Chr.) kehrten die Juden, und mit ihnen die jüdischen Christen, wieder nach Rom zurück. Inzwischen war auch eine Reihe von Römern und Griechen Christen geworden, ja der christliche Glaube war sogar in den Kaiserpalast eingedrungen. Manche aus der Garde und einige Sklaven hatten den neuen Glauben angenommen. Als im Jahr 64 Rom niederbrannte und das Gerücht zu kursieren begann, dass Nero selbst das Feuer gelegt habe, suchte er einen Sündenbock, um den Verdacht von sich abzulenken. Deshalb ließ er die unbeliebte Gruppe der Christen beschuldigen. Viele von ihnen wurden gefangen genommen und wilden Tieren vorgeworfen oder als lebende Fackeln bei einem seiner Gartenfeste verbrannt. Sueton erwähnt dies in seinem „Leben Neros“: „Mit Todesstrafen wurde gegen Christen vorgegangen, eine Sekte, die sich einem neuen, gemeingefährlichen Aberglauben ergeben hatte.“9
Tacitus
Einen ausführlicheren Bericht darüber gibt jedoch der Geschichtsschreiber Tacitus. In seinen „Römischen Annalen“ berichtet er vom Brand Roms und Neros Versuch, die Schuld auf die Christen abzuwälzen. Sie sind „eine Sorte Menschen, verabscheut wegen ihrer Laster … Dieser Name stammt von Christus, der unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war. Dieser verderbliche Aberglaube war für den Augenblick unterdrückt worden, trat aber später wieder hervor und verbreitete sich nicht nur in Judäa, wo er aufgekommen war, sondern auch in Rom, wo alle Gräuel und Abscheulichkeiten der ganzen Welt zusammenströmen und geübt werden.“10 Diesen Bericht aus den Jahren zwischen 115 und 117 n. Chr. hat Tacitus wahrscheinlich aufgrund der Dokumente in den staatlichen Archiven in Rom verfasst. Tacitus hatte Zugang zu diesen Archiven, und wenn der Bericht des Pilatus noch vorlag, was sehr wahrscheinlich ist, so wird er ihn eingesehen haben.
Was er schreibt, ist bemerkenswert. Nicht nur gibt er eine genaue Angabe über die Hinrichtung von Jesus, die unter Pontius Pilatus in Judäa stattgefunden hat, sondern er gibt auch einen Hinweis darauf, dass nach dem Tod Jesu nicht alles vorbei war. Der „verderbliche Aberglaube“ ließ sich nur für einen Augenblick unterdrücken, dann aber verbreitete er sich mit großer Kraft und erreichte alle Teile der römischen Welt. Niemand kann Tacitus unterstellen, den Christen gegenüber freundlich gesinnt zu sein. Und dennoch stimmt seine Notiz mit dem überein, was wir aus dem Neuen Testament wissen. So ist Tacitus ein weiterer, unabhängiger Zeuge für die Tatsächlichkeit des Lebens und Sterbens Jesu. Und der Auswirkungen, die Jesus bis zu seinem Tag hatte: Viele Menschen, auch Römer, wurden Christen – Jünger von diesem Jesus Christus.
Plinius der Jüngere
In seinem Briefwechsel mit Kaiser Trajan in Rom gibt uns Plinius der Jüngere wichtige Informationen über die Christen seiner Zeit und damit auch über Jesus. Plinius war im Jahr 111 n. Chr. kaiserlicher Legat in Bithynien, also im Nordwesten der heutigen Türkei, geworden. In seiner Provinz gab es viele Christen. Nun hatte es eine Reihe von anonymen Anklagen gegeben, in denen Menschen des Christseins beschuldigt wurden. Plinius war unsicher, ob dies allein schon als hinrichtungswürdiges Verbrechen ausreichte oder ob tatsächliche Straftaten nachgewiesen werden mussten. Er berichtet, dass er die, die gestanden, Christen zu sein, zur Hinrichtung abgeführt habe, die aber, die dem Kaiserbild geopfert hatten, freigelassen habe, auch wenn sie vorher Christen gewesen waren. Er schreibt: „Die Sache scheint mir nämlich der Beratung zu bedürfen, vor allem wegen der großen Zahl der Angeklagten. Denn viele jeden Alters, jeden Standes, auch beiderlei Geschlechts sind jetzt und in Zukunft gefährdet. Nicht nur über die Städte, auch über Dörfer und das flache Land hat sich die Seuche dieses Aberglaubens verbreitet …“
Wessen wurden die Christen beschuldigt? Ein eigentliches Verbrechen konnte Plinius nicht finden, außer der Hartnäckigkeit, mit der viele bei ihrem Glauben blieben und sich weigerten, dem Kaiserbild zu opfern. Plinius schreibt: „Andere, die der Denunziant genannt hatte, gaben zunächst zu, Christen zu sein, widerriefen es dann aber; sie seien es zwar gewesen, hätten es dann aber aufgegeben, manche vor drei Jahren, manche vor noch längerer Zeit, hin und wieder sogar vor zwanzig Jahren. Auch diese alle bezeugten deinem Bilde und den Götterstatuen ihre Verehrung und fluchten Christus. Sie versicherten jedoch, ihre ganze Schuld oder ihr ganzer Irrtum habe darin bestanden, dass sie sich an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang zu versammeln pflegten, Christus als ihrem Gott einen Wechselgesang zu singen und sich durch Eid nicht etwa zu irgendwelchen Verbrechen zu verpflichten, sondern keinen Diebstahl, Raubüberfall oder Ehebruch zu begehen, ein gegebenes Wort nicht zu brechen, eine angemahnte Schuld nicht abzuleugnen. Hernach seien sie auseinander gegangen und dann wieder zusammengekommen, um Speise zu sich zu nehmen, jedoch gewöhnliche, harmlose Speise …“11
Hier finden wir also den Bericht eines römischen Statthalters, der davon berichtet, dass eine ganze Gegend vom christlichen Glauben erfasst ist, und zwar 60 bis 80 Jahre nach Jesus. Die Christen in Bithynien priesen nach seiner Aussage Christus als Gott (quasi deo), versammelten sich an einem bestimmten Tag (dem Sonntag) frühmorgens zu einem Gottesdienst und dann abends noch einmal zu einem gemeinsamen Mahl (Abendmahl) aus ganz gewöhnlicher Speise und nicht, wie man ihnen nachgesagt hatte, zu kannibalistischen Gebräuchen. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf das Essen und Trinken von „Leib und Blut“ Jesu, das oft in der Antike missverstanden wurde, da zum Abendmahl hinter verschlossenen Türen nur Getaufte zugelassen wurden. Der Eid, den sie schworen, ist mit der Verpflichtung zum christlichen Leben bei der Taufe identisch. Das lateinische Wort für Eid, sacramentum, wurde später zum Fachausdruck nicht nur für die Taufe, sondern auch für das Abendmahl.
Plinius erwähnt hier alle wesentlichen Elemente des christlichen Glaubens, ohne sie selbst ganz zu verstehen: die Gottheit Jesu Christi und daraus folgend die Weigerung, dem Kaiser oder den Göttern Verehrung darzubringen, die Erinnerung an das Leiden und Sterben Jesu im Abendmahl als zentraler christlicher Glaubensinhalt, die Gemeinschaft der Christen, in die man durch die Taufe aufgenommen wurde, und die hohe ethische Lebensführung.
So ist Plinius am Übergang vom 1. zum 2. Jahrhundert ein unabhängiger Zeuge für alle wesentlichen Elemente des christlichen Glaubens, wie sie auch im Neuen Testament dargelegt sind. Allein aufgrund dieser Beschreibung – neben vielen anderen, die angeführt werden könnten – werden alle Behauptungen widerlegt, die uns weismachen wollen, die Lehre von der Gottheit Christi wäre erst Jahrhunderte später von irgendwelchen Konzilien festgelegt worden. Auch ist sein Brief ein Zeugnis für die Anziehungskraft des Christentums in der damaligen Zeit.
Thallus
Dieser außerbiblische Beleg für Jesus ist relativ unbekannt. Während Sueton, Tacitus und Plinius der Jüngere alle kurz nach der Jahrhundertwende über Christus und die Christen berichteten, haben wir mit dem Schriftsteller Thallus eine Erwähnung von Jesus aus dem Jahr 52 n. Chr. Er verfasste eine Geschichte der östlichen Mittelmeerländer vom trojanischen Krieg bis zu seiner Zeit. Das Werk selbst ist verloren gegangen, ein Hinweis darauf ist aber bei Julius Africanus zu finden, der zu Anfang des 3. Jahrhunderts, also etwa 170 Jahre später, ein chronologisches Werk schrieb. Julius Africanus diskutiert darin unter anderem die verschiedenen Deutungsversuche des Erdbebens