Faszination Jesus. Roland Werner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roland Werner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783765574993
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auseinandersetzen, ist es wichtig, dass wir einen Maßstab finden, an dem wir sie messen können. Was wissen wir von Jesus? Woher kommen unsere Informationen?

      Nun ist von uns ja keiner damals dabei gewesen. Wir sind bei Jesus wie bei jeder anderen Person der Geschichte auf Zeugnisse von Zeitgenossen angewiesen, also auf historische Quellen. Aus diesen Quellen können wir Rückschlüsse ziehen auf das, was damals passiert ist. Keiner von uns war dabei, als Julius Cäsar mit seinem Heer den Rubikon überschritt. Und dennoch nehmen wir das aufgrund der schriftlichen Überlieferungen und der Auswirkungen, die dieses Ereignis für die römische Geschichte hatte, als wirklich geschehen an. Ebenso hat kein Mensch des 21. Jahrhunderts Sokrates gesehen. Und dennoch gehen wir von seiner Geschichtlichkeit aus, weil wir von Platon und anderen Zeitgenossen Berichte über das Leben des Sokrates haben.

      Die Evangelien als verlässliche Informationsquellen

      So ist die historische Lage bei Jesus besser als bei den meisten Persönlichkeiten der alten Welt.

      Gründe für die Evangelienkritik

      Und doch sind wir bei den Berichten, die wir in den Evangelien lesen, besonders kritisch. Woher kommt das? Hier spielen sicher zwei Gründe eine Rolle. Zum einen passt vieles, was in den Evangelien berichtet wird, nicht in unser gegenwärtiges westliches Weltbild. Alles sogenannte Übernatürliche, also Heilungen, Wunder, Prophetien und alles nicht sofort Erklärbare, wird von vielen unserer Zeitgenossen von vornherein abgelehnt. Das ist eine typisch westliche Erscheinung aufgrund des sogenannten naturwissenschaftlichen Weltbilds. In vielen anderen Kulturen rechnet man ganz natürlich mit sogenannten übernatürlichen Dingen. Und auch im Westen ist man unter dem Einfluss der modernen Physik und der Weiterentwicklung der Wissenschaft viel vorsichtiger geworden mit grundlegenden Urteilen über das, was möglich ist und was nicht. Diese Erkenntnis hat noch nicht alle Zeitgenossen erreicht, wird sich aber längerfristig sicher durchsetzen. Hiermit fallen viele der grundlegenden Einwände gegen die Bibel in sich zusammen.

      Die Kritik an den neutestamentlichen Texten hat jedoch neben dem Grund, dass vieles nicht in unser zeitbedingtes und einseitiges westliches Weltbild passt, noch eine weitere Ursache. Und die liegt in der Brisanz der ganzen Sache. Denn wenn das stimmt, was von Jesus berichtet wird, dann hat das automatisch Konsequenzen für unser Leben. Und die sind nicht immer angenehm. Der Anspruch, den Jesus erhebt, ist unbequem. Wenn das wahr ist, was er sagt, dann kann man sich nicht einfach an Jesus vorbeimogeln. Dann muss man sich seinem Anspruch stellen. Und das hat Auswirkungen in allen Bereichen der Lebensgestaltung. Das passt uns vielfach nicht. Das ist zu herausfordernd.

      Ich glaube, dass hier der tiefste Grund für die innere Abwehrhaltung gegenüber der Bibel liegt. Ein bisschen Religion ist okay. Aber konsequente Nachfolge eines Jesus, der wirklich von Gott kommt und einen Anspruch auf unser Leben hat, so wie das Neue Testament es sagt, das ist eine ganz andere Sache. Das würde sehr viel kosten.

      JESUS IN DER RÖMISCHEN

      GESCHICHTSSCHREIBUNG

      Es ist nicht verwunderlich, dass wir in den römischen Quellen kaum zeitgenössische Berichte über das Leben Jesu finden. Die Geschichtsschreiber beschäftigten sich damals – wie heute – vor allem mit dem Leben der Einflussreichen und Mächtigen. Das Kaiserhaus, Eroberungskriege, der Senat in Rom, Intrigen, Skandale und Liebesaffären von bekannten Leuten, das waren die Themen, die berichtenswert erschienen. Außerdem waren die Schriftsteller und Dichter von der Gunst der führenden Schicht abhängig. Sie schrieben häufig bestellte Lobeshymnen auf die jeweiligen Herrscher und ihre Errungenschaften. Kritik war nur in begrenztem Maß möglich, und meist erst im Nachhinein wie bei Nero, der in Ungnade gefallen war. Es wundert daher nicht, dass wir von römischen Schriftstellern wenig über Jesus, einen jüdischen Lehrer in einem von Rom eroberten Gebiet im Osten des Reiches, erfahren. Was wirklich verwundert, ist, dass überhaupt etwas berichtet wird. Von den Berichten, die jeder Gouverneur von Judäa sicher regelmäßig nach Rom senden musste, ist uns z. B. überhaupt nichts erhalten geblieben. Für die Auflösung dieser Archive des „ewigen Roms“ sorgten neben dem ständig nagenden Zahn der Zeit auch größere Katastrophen wie Brände und die Stürme der Völkerwanderung, die die germanischen Heerscharen nach Italien brachten. Da blieb nicht viel übrig.

      Ausführlichere Berichte als diese kurzen Hinweise, die an mehreren Stellen auftauchen, finden sich bei den römischen Geschichtsschreibern Sueton, Tacitus sowie bei Plinius dem Jüngeren. Wir wollen sie einzeln untersuchen und darstellen, was sie uns an Information über Jesus zu bieten haben.

      Sueton

      Aus dieser Notiz des Sueton wird deutlich, dass schon in den Vierzigerjahren, also weniger als zwanzig Jahre nach Kreuzigung und Auferstehung Jesu, innerhalb der jüdischen Bevölkerung