Die Seele der Kamera. David DuChemin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David DuChemin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783960882336
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mir das. Es gibt gute Kunst, schlechte Kunst, moderne Kunst, bildende Kunst. Doch gegen das aufgewogen, was mein Leben bereichert, bringen mich diese Einordnungen weder weiter, noch bereichern sie meine Fotos.

      Wenn Sie sich also unter der Vorstellung, ein Künstler zu sein, winden und mit den Folgen dessen hadern, so möchte ich nur den Blick auf den Sinn unserer Arbeit lenken, das Einfließenlassen von Seele. Ganz gleich, ob es sich dabei um Hochzeits-, Werbe-, Reportage-, Natur- oder Sportfotografie handelt, das Ziel ist stets dasselbe. Wenn es das nicht ist, so ist es vielleicht an der Zeit zu fragen, ob wir uns nicht schon damit abgefunden haben, unter unseren Möglichkeiten zu bleiben. Die Leute reagieren schließlich auf die Seele, die Sie Ihren Bildern eingehaucht haben. Freunden Sie sich mit dieser Vorstellung an, und falls Ihnen das nicht gelingen will, setzen Sie sich mit ihr auseinander.

       Über die Fotos

      Ich habe beschlossen, Die Seele der Kamera mit Bildern zu illustrieren, die dem Grundgedanken dieses Buchs entsprechen, unsere Menschlichkeit. Manche dieser Bilder wurden bereits woanders veröffentlicht, und manche davon bisher nur in Farbe. Da es hier um die Seele geht, habe ich mich für Schwarz-Weiß-Fotos entschlossen, da schon der kanadische Fotograf Ted Grant sagte: »Fotografiert man die Menschen in Farbe, fotografiert man ihre Kleidung. Fotografiert man sie hingegen in Schwarz-Weiß, fotografiert man ihre Seelen.«

      Die Bilder entstanden mit Kameras von Canon, Nikon, Leica, Fuji und Apple, wobei die Kameraeinstellungen und -brennweiten so unwichtig sind, dass ich zum ersten Mal entschieden habe, sie in einem Buch wegzulassen. Damit verbinde ich die Hoffnung, dass Ihr Vorstellungsvermögen angeregt wird, wie sie wohl entstanden sein mögen. Explizite Informationen können uns denkfaul machen und von der eigentlichen Sache, dem schwer zu beschreibenden Prozess des Sehens, des Erkennens von richtigem Licht und des entscheidenden Moments ablenken. Wenn es dann noch um Fotos von Menschen geht, sagen diese Daten zudem gar nichts über die in Beziehung stehenden Bildelemente aus, die über alles entscheiden.

      Wenn Sie sich darüber Sorgen machen, dass auf den Bildern nur menschliche Themen zum Zuge kommen, und daraus schließen, dass es nur um diese Sujets geht, seien Sie beruhigt; dem ist nicht so. Jedes Foto hat das Potenzial, mit Seele, Geist, Verbindung oder wie Sie es auch immer nennen wollen, angereichert zu werden. Schauen Sie sich dazu nur die Tieraufnahmen von Paul Nicklen, die Stillleben von Edward Weston oder die Industrielandschaften von Edward Burtynsky an: allesamt erfüllt von Leben, Wundern, Menschlichkeit, ohne dass Personen darin vorkommen. Meine Bilder sollen daher nur diese Vorstellung unterstreichen, Seele und Menschlichkeit hochleben lassen und keine Einengung darstellen, auf welche Art und Weise man seine Ideen in Werken auszudrücken hat.

      Jetzt ist es an der Zeit, sich wirklich um das zu kümmern, was bessere Fotos bringt: den Fotografen selbst.

      Schlussendlich werden die Leute nicht über die Bildschärfe oder Ihre überwältigenden Histogramme sprechen.

       Die Rolle der Technik

      Zu erwähnen, dass die Kamera in der Fotografie eine wichtige Rolle spielt, mutet schon fast komisch an. Dass wir als Fotografen eine noch größere Rolle spielen, sollte ebenso klar sein. Ich persönlich liebe meine Kameras, oftmals mit solcher Inbrunst, dass sie manchen verwundert, der eine solche Verbundenheit mit seinen geliebten Werkzeugen nicht kennt. Doch den eigentlichen kreativen Prozess und die Fotos, die dabei herauskommen, liebe ich noch viel mehr. Das muss man wissen. Auf den folgenden Seiten lege ich dar, warum der Vorzug eher auf Letzterem als auf Ersterem liegen sollte. Man könnte sogar sagen, dass Ausrüstung gut, dass Sehen aber noch besser sei. Ich habe es schon so oft gesagt, dass es zu einer Art persönlichem Mantra geworden ist. Doch damit Sie nicht befürchten müssen, dass ich die totale fotografische Anarchie ausrufe, lassen Sie mich vorher noch ein paar Dinge klären.

      Technik ist wichtig. Die Fotografie besteht zu einem gewissen Anteil aus Wissenschaft und Technologie, zumindest in ihrer Funktionsweise. Davon sollte man immerhin so viel verstehen, dass man seine Aufgaben lösen kann. Doch die Fotografie ist, zumindest nach meinem Verständnis, kein rein technisches Unterfangen. Sie ist vor allem ein ästhetisches unter Einsatz von technischen Mitteln. Schlussendlich werden die Leute nicht über die Bildschärfe oder Ihre überwältigenden Histogramme sprechen. Sie werden auch nicht daran zurückdenken, wie geschickt Sie die ISO-Einstellungen gemeistert haben. Wenn ich auf die Werke der Fotografen zurückschaue, die mich inspiriert haben, kann ich mich an keines erinnern, bei dem das technische Verständnis für mich eine Rolle gespielt hätte. Meistens weiß ich auch nicht, welche Kameras meine Idole verwendet haben, welche Objektive sie besaßen oder mit welchen Einstellungen sie am liebsten arbeiteten. Ich kann mich nur an das Erlebnis des Fotos oder des Gesamtwerks erinnern, das mich berührt hat.

      Die Fotos, die uns am meisten inspiriert haben, die zu Ikonen geworden sind oder bei uns zuhause hängen, haben dies nicht erreicht, weil die Kameraeinstellungen perfekt waren, ebenso wenig wie uns die Verse von Rumi berühren, bloß weil er wusste, wie man liest und schreibt. Sie berühren uns wegen der Herzlichkeit und Menschlichkeit des Poeten und seiner Bereitschaft, sie vor uns in Worten auszubreiten. Dabei verstand er sein Handwerk aus Wörtern und Grammatik so gut, dass diese ihm nicht im Weg standen und seiner Weisung folgten.

      Unser Handwerkszeug ist wichtig. Fehlt es uns, fehlt uns das Ausdrucksmittel, zumindest wenn wir fotografieren wollen. Zu verstehen, mit unserem Handwerkszeug umzugehen, ist ebenso wichtig, denn wenn wir das nicht tun, steht es uns im Weg. Das heißt nicht, dass wir gar kein Foto zustande bekämen; doch ein Foto, das andere berühren soll, gelingt uns dann nur schwer. Je umständlicher und kameraorientierter wir agieren, desto unwahrscheinlicher ist es, dass wir in einen Zustand geraten, den viele als Flow bezeichnen, den kreativen Zustand, in dem wir Zugang zu unserer Intuition und unserem Unterbewusstsein haben. Um noch einmal auf das Beispiel des Dichters Rumi zurückzukommen:

      Je weniger wir unsere technischen Mittel beherrschen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir zwar Sätze hervorbringen, aber keine Poesie erschaffen.

      Sein Handwerk zu verstehen kann eine lebenslange Aufgabe sein, vor allem, da Kameras sich stetig weiterentwickeln, mehr Möglichkeiten bieten und mit diesen Möglichkeiten der Grad an Komplexität steigt. Damit möchte ich nicht gesagt haben, dass die Beherrschung der Technik unbedingte Voraussetzung zum Erschaffen von Kunst wäre. Sie ist bestenfalls Beiwerk. Ich hoffe jedenfalls, dass es stimmt, dass wir mit zunehmender Vertrautheit mit unserer Ausrüstung und den gesamten Arbeitstechniken immer etwas besser werden und uns diese Fertigkeit größere Freiheiten einräumt, die Dinge auszudrücken, die wir vermitteln wollen. Mit zunehmendem Wissen und tieferem Verständnis unserer Mittel können sich unsere Möglichkeiten nur erweitern.

      Was allerdings auch stimmt, ist, dass die Kamera und alles andere Physische um sie herum bei Weitem nicht die einzigen Werkzeuge sind, mit denen wir uns vertraut machen müssen. Beschränken wir uns nur darauf, wird dies zum größten Hindernis auf dem Weg zu den Fotos, die wir uns erträumt haben. Schlussendlich ist die Kamera recht einfach zu bedienen. Man muss nur wissen, wie man die Belichtung für die gewünschte Bildstimmung den Lichtverhältnissen entsprechend wählt und schon geht es weiter. Das Gleiche gilt für das Thema Scharfstellung.

      Beim großen Rest handelt es sich um die nicht greifbaren Werkzeuge der Bildsprache. Deren Funktionsweise zu verstehen ist sehr viel schwerer. Meiner Einschätzung versteht die überwiegende Mehrheit der Fotografen sie niemals völlig, da sie unter der Tyrannei von Bedienungsknöpfen und -rädern stehen oder gehorsam Regeln befolgen. Damit können sie bisweilen sogar einen Preis in einem Fotowettbewerb gewinnen, wie man auch einen Preis in einem Fleißwettbewerb in der Schule gewinnen kann. Doch werden Sie so niemals den viel größeren Preis gewinnen: den der Freude über etwas Wahrhaftes und Authentisches, etwas, das viel tiefer geht als die Anerkennung, dass Sie die Kamera beherrschen.

      Lernen Sie Ihre Kamera und anderen Einsatzmittel, die Sie gerne einsetzen, wie Blitze und Filter, gut kennen. Eignen Sie sich neue Techniken an, sollte Ihre Neugier Sie dorthin führen. Lernen Sie die Technik so gut kennen, dass sie ein Teil von Ihnen wird, sie sich Ihnen nicht in den Weg stellt und Ihnen die so viel wichtigere Arbeit