Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Friedrich Schiller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Schiller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849635039
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schnell zu einer furchtbaren Republik verknüpfen. Was hatte er einem solchen Feinde entgegen zu setzen, wenn der protestantische Theil seiner Unterthanen sich von ihm trennte? Und erschöpften sich nicht beide Theile in einem so verderblichen Bürgerkriege? Was war nicht alles auf dem Spiele, wenn er unterlag, und wen anders als seine eigenen Unterthanen hatte er zu Grunde gerichtet, wenn er siegte?

      Ueberlegungen dieser Art stimmten den Kaiser und seine Räthe zur Nachgiebigkeit und zu Gedanken des Friedens; aber eben in dieser Nachgiebigkeit wollten Andre die Ursache des Uebels gefunden haben. Erzherzog Ferdinand von Grätz wünschte dem Kaiser vielmehr zu einer Begebenheit Glück, die jede Gewaltthat gegen die böhmischen Protestanten vor ganz Europa rechtfertigen würde. »Der Ungehorsam,« hieß es, »die Gesetzlosigkeit und der Aufruhr seien immer Hand in Hand mit dem Protestantismus gegangen. Alle Freiheiten, welche von ihm selbst und dem vorigen Kaiser den Ständen bewilligt worden, hätten keine andere Wirkung gehabt, als ihre Forderungen zu vermehren. Gegen die landesherrliche Gewalt seien alle Schritte der Ketzer gerichtet; stufenweise seien sie von Trotz zu Trotz bis zu diesem letzten Angriff hinauf gestiegen; in kurzem würden sie auch an die noch einzig übrige Person des Kaisers greifen. In den Waffen allein sei Hilfe gegen einen solchen Feind – Ruhe und Unterwerfung nur über den Trümmern ihrer gefährlichen Privilegien – nur in dem völligen Untergange dieser Sekte Sicherheit für den katholischen Glauben. Ungewiß zwar sei der Ausgang des Krieges, aber gewiß das Verderben bei Unterlassung desselben. Die eingezogenen Güter der Rebellen würden die Unkosten reichlich erstatten und der Schrecken der Hinrichtungen die übrigen Landstände künftig einen schnellern Gehorsam lehren.« – War es den böhmischen Protestanten zu verdenken, wenn sie sich gegen die Wirkungen solcher Grundsätze in Zeiten verwahrten? – Und auch nur gegen den Thronfolger des Kaisers, nicht gegen ihn selbst, der nichts gethan hatte, die Besorgnisse der Protestanten zu rechtfertigen, war der böhmische Aufstand gerichtet. Jenem den Weg zu dem böhmischen Throne zu verschließen, ergriff man die Waffen schon unter Matthias, aber so lange dieser Kaiser lebte, wollte man sich in den Schranken einer scheinbaren Unterwürfigkeit halten.

      Aber die Böhmen hatten zu den Waffen gegriffen, und unbewaffnet durfte ihnen der Kaiser nicht einmal den Frieden anbieten. Spanien schoß Geld zur Rüstung her und versprach Truppen von Italien und den Niederlanden aus zu schicken. Zum Generalissimus ernannte man den Grafen von Boucquoi, einen Niederländer, weil keinem Eingebornen zu trauen war, und Graf Dampierre, ein anderer Ausländer, commandierte unter seinen Befehlen. Ehe sich diese Armee in Bewegung setzte, versuchte der Kaiser den Weg der Güte durch ein vorausgeschicktes Manifest. In diesem erklärte er den Böhmen: »daß der Majestätsbrief ihm heilig sei, daß er nie etwas gegen ihre Religion oder ihre Privilegien beschlossen, daß selbst seine jetzige Rüstung ihm durch die ihrige sei abgedrungen worden. Sobald die Nation die Waffen von sich lege, würde auch er sein Heer verabschieden.« Aber dieser gnädige Brief verfehlte seine Wirkung – weil die Häupter des Aufruhrs für rathsam fanden, den guten Willen des Kaisers dem Volke zu verbergen. Anstatt desselben verbreiteten sie auf den Kanzeln und in fliegenden Blättern die giftigsten Gerüchte und ließen das hintergangene Volk vor Bartholomäusnächten zittern, die nirgends als in ihrem Kopfe existierten. Ganz Böhmen, mit Ausnahme dreier Städte, Budweiß, Krummau und Pilsen, nahm Theil an dem Aufruhr. Diese drei Städte, größtenteils katholisch, hatten allein den Muth, bei diesem allgemeinen Abfall dem Kaiser getreu zu bleiben, der ihnen Hilfe versprach. Aber dem Grafen von Thurn konnte es nicht entgehen, wie gefährlich es wäre, drei Plätze von solcher Wichtigkeit in feindlichen Händen zu lassen, die den kaiserlichen Waffen zu jeder Zeit den Eingang in das Königreich offen hielten. Mit schneller Entschlossenheit erschien er vor Budweiß und Krummau und hoffte beide Plätze durch Schrecken zu überwältigen. Krummau ergab sich ihm, aber von Budweiß wurden alle seine Angriffe standhaft zurückgeschlagen.

      Und nun fing auch der Kaiser an, etwas mehr Ernst und Thätigkeit zu zeigen. Boucquoi und Dampierre fielen mit zwei Heeren ins böhmische Gebiet und fingen an, es feindselig zu behandeln. Aber die kaiserlichen Generale fanden den Weg nach Prag schwerer, als sie erwartet hatten. Jeder Paß, jeder nur irgend haltbare Ort mußte mit dem Degen geöffnet werden, und der Widerstand mehrte sich mit jedem neuen Schritte, den sie machten, weil die Ausschweifungen ihrer Truppen, meistens Ungarn und Wallonen, den Freund zum Abfall und den Feind zur Verzweiflung brachten. Aber auch noch dann, als seine Truppen schon in Böhmen vordrangen, fuhr der Kaiser fort, den Ständen den Frieden zu zeigen und zu einem gütlichen Vergleich die Hände zu bieten. Neue Ansichten, die sich ihnen aufthaten, erhoben den Muth der Rebellen. Die Stände von Mähren ergriffen ihre Partei, und aus Deutschland erschien ihnen in der Person des Grafen von Mannsfeld ein eben so unverhoffter als tapferer Beschützer.

      Die Häupter der evangelischen Union hatten den bisherigen Bewegungen in Böhmen schweigend, aber nicht müßig zugesehen. Beide kämpften für dieselbe Sache, gegen denselben Feind. In dem Schicksale der Böhmen ließen sie ihre Bundsverwandten ihr eigenes Schicksal lesen, und die Sache dieses Volks wurde von ihnen als die heiligste Angelegenheit des deutschen Bundes abgeschildert. Diesem Grundsatz getreu, stärkten sie den Muth der Rebellen durch Beistandsversprechungen, und ein glücklicher Zufall setzte sie in Stand, dieselben unverhofft in Erfüllung zu bringen.

      Graf Peter Ernst von Mannsfeld, der Sohn eines verdienstvollen österreichischen Dieners, Ernst von Mannsfeld, der die spanische Armee in den Niederlanden eine Zeit lang mit vielem Ruhme befehligt hatte, wurde das Werkzeug, das österreichische Haus in Deutschland zu demüthigen. Er selbst hatte dem Dienste dieses Hauses seine ersten Feldzüge gewidmet und unter den Fahnen Erzherzog Leopolds in Jülich und im Elsaß gegen die protestantische Religion und die deutsche Freiheit gefochten. Aber unvermerkt für die Grundsätze dieser Religion gewonnen, verließ er einen Chef, dessen Eigennutz ihm die geforderte Entschädigung für den in seinem Dienste gemachten Aufwand versagte, und widmete der evangelischen Union seinen Eifer und einen siegreichen Degen. Es fügte sich eben, daß der Herzog von Savoyen, ein Alliierter der Union, in einem Kriege gegen Spanien ihren Beistand verlangte. Sie überließ ihm ihre neue Eroberung, und Mannsfeld bekam den Auftrag, ein Heer von viertausend Mann, zum Gebrauch und auf Kosten des Herzogs, in Deutschland bereit zu halten. Dieses Heer stand eben marschfertig da, als das Kriegsfeuer in Böhmen aufloderte, und der Herzog, der gerade jetzt keiner Verstärkung bedurfte, überließ es der Union zu freiem Gebrauche. Nichts konnte dieser willkommener sein, als ihren Bundesgenossen in Böhmen auf fremde Kosten zu dienen. Sogleich erhielt Graf Mannsfeld Befehl, diese viertausend Mann in das Königreich zu führen, und eine vorgegebene böhmische Bestallung mußte den Augen der Welt die wahren Urheber seiner Rüstung verbergen.

      Dieser Mannsfeld zeigte sich jetzt in Böhmen und faßte durch Einnahme der festen und kaiserlich gesinnten Stadt Pilsen in diesem Königreiche festen Fuß. Der Muth der Rebellen wurde noch durch einen andern Succurs aufgerichtet, den die schlesischen Stände ihnen zu Hilfe schickten. Zwischen diesen und den kaiserlichen Truppen kam es nun zu wenig entscheidenden, aber desto verheerendern Gefechten, welche einem ernstlichern Kriege zum Vorspiele dienten. Um die Lebhaftigkeit seiner Kriegsoperationen zu schwächen, unterhandelte man mit dem Kaiser und ließ sich sogar die angebotene sächsische Vermittlung gefallen. Aber ehe der Ausgang beweisen konnte, wie wenig aufrichtig man verfuhr, raffte der Tod den Kaiser von der Scene.

      Was hatte Matthias nun gethan, um die Erwartungen der Welt zu rechtfertigen, die er durch den Sturz seines Vorgängers herausgefordert hatte? War es der Mühe werth, den Thron Rudolphs durch ein Verbrechen zu besteigen, um ihn so schlecht zu besitzen und mit so wenig Ruhm zu verlassen? So lange Matthias König war, büßte er für die Unklugheit, durch die er es geworden. Einige Jahre früher sie zu tragen, hatte er die ganze Freiheit seiner Krone verscherzt. Was ihm die vergrößerte Macht der Stände an Selbstthätigkeit noch übrig ließ, hielten seine eignen Agnaten unter einem schimpflichen Zwange. Krank und kinderlos, sah er die Aufmerksamkeit der Welt einem stolzen Erben entgegeneilen, der ungeduldig dem Schicksal vorgriff und in des Greisen absterbender Regierung schon die seinige eröffnete.

      Mit Matthias war die regierende Linie des deutschen Hauses Oesterreich so gut als erloschen; denn von allen Söhnen Maximilians lebte nur noch der einzige kinderlose und schwächliche Erzherzog Albrecht in den Niederlanden, der aber seine nähern Rechte