Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Friedrich Schiller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Schiller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849635039
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nach der andern verschwand. – So hatte sich alles in wenigen Monaten verändert!

      Indessen versammelten die Häupter der Union eine Kriegsmacht; der Kaiser und die Ligue thaten ein Gleiches. Die Macht der letztern stand unter Maximilians Fahnen bei Donauwörth versammelt; die Macht der Unierten bei Ulm, unter dem Markgrafen von Ansbach. Der entscheidende Augenblick schien endlich herbeigekommen zu sein, der diese lange Zwistigkeit durch einen Hauptstreich endigen und das Verhältniß beider Kirchen in Deutschland unwiderruflich bestimmen sollte. Aengstlich war auf beiden Seiten die Erwartung gespannt. Wie sehr aber erstaunte man, als auf einmal die Botschaft des Friedens kam und beide Armeen ohne Schwertschlag auseinander gingen!

      Frankreichs Dazwischenkunft hatte diesen Frieden bewirkt, welchen beide Theile mit gleicher Bereitwilligkeit umfaßten. Das französische Ministerium, durch keinen Heinrich den Großen mehr geleitet, dessen Staatsmaxime vielleicht auch auf die damalige Lage des Königreichs nicht mehr anzuwenden war, fürchtete jetzt das Wachsthum des österreichischen Hauses viel weniger, als die Machtvergrößerung der Calvinisten, wenn sich das pfälzische Haus auf dem böhmischen Throne behaupten sollte. Mit seinen eignen Calvinisten eben damals in einen gefährlichen Streit verwickelt, hatte es keine dringendere Angelegenheit, als die protestantische Faktion in Böhmen so schnell als möglich unterdrückt zu sehen, ehe die Faktion der Hugenotten in Frankreich sich ein gefährliches Muster daran nähme. Um also dem Kaiser gegen die Böhmen geschwind freie Hände zu machen, stellte es sich zwischen der Union und Ligue als Mittelsperson dar und verglich jenen unerwarteten Frieden, dessen wichtigster Artikel war, »daß die Union sich jedes Antheils an den böhmischen Händeln begeben und den Beistand, welchen sie Friedrich dem Fünften leisten würde, nicht über die pfälzischen Länder desselben erstrecken sollte.« Maximilians Entschlossenheit und die Furcht, zwischen den liguistischen Truppen und einem neuen kaiserlichen Heere, welches aus den Niederlanden im Anmarsch war, ins Gedränge zu gerathen, bewog die Union zu diesem schimpflichen Frieden.

      Die ganze Macht Bayerns und der Ligue stand jetzt dem Kaiser gegen die Böhmen zu Gebote, welche der Ulmische Vergleich ihrem Schicksal überließ. Schneller, als das Gerücht den Vorgang zu Ulm dort verbreiten konnte, erschien Maximilian in Oberösterreich, wo die bestürzten Stände, auf keinen Feind gefaßt, die Gnade des Kaisers mit einer schnellen und unbedingten Huldigung erkauften. In Niederösterreich zog der Herzog die niederländischen Truppen des Grafen von Boucquoi an sich, und diese kaiserlich bayerische Armee, nach ihrer Vereinigung zu fünfzigtausend Mann angewachsen, drang ohne Zeitverlust in das böhmische Gebiet. Alle böhmischen Geschwader, welche in Niederösterreich und Mähren zerstreut waren, trieb sie fliehend vor sich her, alle Städte, welche es wagten, Widerstand zu thun, wurden mit stürmender Hand erobert; andere, durch das Gerücht ihrer Züchtigung erschreckt, öffneten freiwillig ihre Thore; nichts hinderte den reißenden Lauf Maximilians. Weichend zog sich die böhmische Armee, welche der tapfere Fürst Christian von Anhalt kommandierte, in die Nachbarschaft von Prag, wo ihr Maximilian an den Mauern dieser Hauptstadt ein Treffen lieferte.

      Die schlechte Verfassung, in welcher er die Armee der Rebellen zu überraschen hoffte, rechtfertigte diese Schnelligkeit des Herzogs und versicherte ihm den Sieg. Nicht dreißigtausend Mann hatte Friedrich beisammen; achttausend hatte der Fürst von Anhalt ihm zugeführt, zehntausend Ungarn ließ Bethlen Gabor zu seinen Fahnen stoßen. Ein Einfall des Kurfürsten von Sachsen in die Lausitz hatte ihm alle Hilfe abgeschnitten, welche er von diesem Land und von Schlesien her erwartete, die Beruhigung Oesterreichs alle, welche er sich von dorther versprach. Bethlen Gabor, sein wichtigster Bundesgenosse, verhielt sich ruhig; die Union hatte ihn an den Kaiser verraten. Nichts blieb ihm übrig, als seine Böhmen, und diesen fehlte es an gutem Willen, Eintracht und Muth. Die böhmischen Magnaten sahen sich mit Verdruß gegen deutsche Generale zurückgesetzt, Graf Mannsfeld blieb, von dem böhmischen Hauptlager getrennt, in Pilsen zurück, um nicht unter Anhalt und Hohenlohe zu dienen. Dem Soldaten, welchem auch das Notwendigste fehlte, entfiel aller freudige Muth, und die schlechte Mannszucht unter dem Heere gab dem Landmann Ursache zu den bittersten Klagen. Umsonst zeigte sich Friedrich in dem Lager, den Muth der Soldaten durch seine Gegenwart, die Nacheiferung des Adels durch sein Beispiel zu ermuntern.

      Auf dem weißen Berge, unweit Prag, fingen die Böhmen an, sich zu verschanzen, als von der vereinigten kaiserlich-bayerischen Armee (am 8. November 1620) der Angriff geschah. Am Anfange des Treffens wurden einige Vortheile von der Reiterei des Prinzen von Anhalt erfochten; aber die Uebermacht des Feindes vernichtete sie bald. Unwiderstehlich drangen die Bayern und Wallonen vor, und die ungarische Reiterei war die erste, welche den Rücken wandte. Das böhmische Fußvolk folgte bald ihrem Beispiel, und in der allgemeinen Flucht wurden endlich auch die Deutschen mit fortgerissen. Zehn Kanonen, welche die ganze Artillerie Friedrichs ausmachten, fielen in Feindes Hände. Viertausend Böhmen blieben auf der Flucht und im Treffen, kaum etliche Hundert von den Kaiserlichen und Liguisten. In weniger als einer Stunde war dieser entscheidende Sieg erfochten.

      Friedrich saß zu Prag bei der Mittagstafel, als seine Armee an den Mauern sich für ihn niederschießen ließ. Vermutlich hatte er an diesem Tage noch keinen Angriff erwartet, weil er eben heute ein Gastmahl bestellte. Ein Eilbote zog ihn endlich vom Tische, und von dem Wall herab zeigte sich ihm die ganze schreckliche Scene. Um einen überlegten Entschluß zu fassen, erbat er sich einen Stillstand von vier und zwanzig Stunden; achte waren alles, was der Herzog ihm bewilligte. Friedrich benutzte sie, sich mit seiner Gemahlin und den Vornehmsten der Armee des Nachts aus der Hauptstadt zu flüchten. Diese Flucht geschah mit solcher Eilfertigkeit, daß der Fürst von Anhalt seine geheimsten Papiere und Friedrich seine Krone zurückließ. »Ich weiß nun, wer ich bin,« sagte dieser unglückliche Fürst zu Denen, welche ihm Trost zusprachen. »Es gibt Tugenden, welche nur das Unglück uns lehren kann, und nur in der Widerwärtigkeit erfahren wir Fürsten, wer wir sind.«

      Prag war noch nicht ohne Rettung verloren, als Friedrichs Kleinmuth es aufgab. Mannsfelds fliegendes Commando stand noch in Pilsen und hatte die Schlacht nicht gesehen. Bethlen Gabor konnte jeden Augenblick sich feindselig erklären und die Macht des Kaisers nach der ungarischen Grenze abrufen. Die geschlagenen Böhmen konnten sich erholen, Krankheiten, Hunger und rauhe Witterung den Feind aufreiben – alle diese Hoffnungen verschwanden vor der gegenwärtigen Furcht. Friedrich fürchtete den Unbestand der Böhmen, welche leicht der Versuchung unterliegen konnten, mit Auslieferung seiner Person die Verzeihung des Kaisers zu erkaufen.

      Thurn und die in gleicher Verdammniß mit ihm waren, fanden es eben so wenig rathsam, in den Mauern von Prag ihr Schicksal zu erwarten. Sie entwichen nach Mähren, um bald darauf ihre Rettung in Siebenbürgen zu suchen. Friedrich entfloh nach Breslau, wo er aber nur kurze Zeit verweilte, um an dem Hofe des Kurfürsten von Brandenburg und endlich in Holland eine Zuflucht zu finden.

      Das Treffen bei Prag hatte das ganze Schicksal Böhmens entschieden. Prag ergab sich gleich den andern Tag an den Sieger; die übrigen Städte folgten dem Beispiel der Hauptstadt. Die Stände huldigten ohne Bedingung; das Nämliche thaten die Schlesier und Mährer. Drei Monate ließ der Kaiser verstreichen, ehe er eine Untersuchung über das Vergangene anstellte. Viele von Denen, welche im ersten Schrecken flüchtig geworden, zeigten sich, voll Vertrauen auf diese scheinbare Mäßigung, wieder in der Hauptstadt. Aber an Einem Tage und zu derselben Stunde brach das Ungewitter aus. Achtundvierzig der thätigsten Beförderer des Aufstands wurden gefangen genommen und vor eine außerordentliche Commission gezogen, die aus gebornen Böhmen und Oesterreichern niedergesetzt war. Siebenundzwanzig von ihnen starben auf dem Blutgerüste, von dem gemeinen Volk eine unzählige Menge. Die Abwesenden wurden vorgeladen, zu erscheinen, und, da keiner sich meldete, als Hochverräther und Beleidiger der kaiserlichen Majestät zum Tode verurtheilt, ihre Güter confisciert, ihre Namen an den Galgen geschlagen. Auch die Güter schon verstorbener Rebellen zog man ein. Diese Tyrannei war zu ertragen, weil sie nur einzelne Privatpersonen traf und der Raub des Einen den Andern bereicherte; desto schmerzhafter aber war der Druck, der ohne Unterschied über das ganze Königreich erging. Alle protestantischen Prediger wurden des Landes verwiesen; die böhmischen sogleich, etwas später die deutschen. Den Majestätsbrief durchschnitt Ferdinand mit eigener Hand und verbrannte das Siegel. Sieben Jahre nach der Prager Schlacht war alle Religionsduldung gegen