»Aber vorher muß ich mich um verschiedene Dinge kümmern, vor allem um Geld.«
»Dein Vater hat uns ja auch etwas hinterlassen, wenn du es brauchst…«
Fassungslos starrte Bettina sie an. Es war unglaublich, mit welcher Selbstverständlichkeit Leni ihr das Geld angeboten hatte.
»Danke, Leni, ich danke dir von ganzem Herzen. Aber das ist nicht nötig. Ich bin ja froh, daß ihr hier seid, und was immer ich auch tun werde, daß ich eure volle Unterstützung habe, und das ist mehr wert als alles Geld der Welt.«
»Auf uns kannst du immer bauen, aber wie gesagt, wenn du Geld brauchst…«
Bettina atmete tief durch. Lenis Worte bestärkten sie nur noch darin, ihr Leben zu verändern und hierher zu ziehen. Sie wußte zwar noch nicht genau, was sie machen würde, aber das würde sich finden.
Sie hatte ja verschiedene Optionen, und wenn sie von der Bank, und daran zweifelte sie eigentlich nicht, einen Kredit bekam, würde sie die Ferienwohnungen und Appartements bauen.
Hoffentlich hatte Frieder die Rezeptur für das KRÄUTERGOLD, dann war das auch eine Option. Sie mußte sich unbedingt die alte Destillerie ansehen. Sie hatte es sich so oft vorgenommen und dann immer wieder vergessen. Aber das hatte auch noch etwas Zeit.
»Hast du Lust auf einen Kaffee?« drang Lenis Stimme in ihre Gedanken. »Ich finde, den haben wir uns jetzt verdient. Ich könnte uns auch schnell ein paar Waffeln backen – so mit heißen Kirschen und Sahne, was hältst du davon?«
Bettina lachte.
»Sehr viel… aber wenn ich wiederkomme, muß das aufhören, denn sonst werde ich kugelrund.«
»Du doch nicht, du hast die Statur deines Vaters geerbt, der war auch so schlank und hat meine Waffeln niemals verschmäht.«
»Na, wenn das kein Argument ist. Ich freue mich, aber laß uns draußen Kaffee trinken, dann können wir unser Werk bewundern. Ich finde, das Haus sieht jetzt doppelt so schön aus.«
»Das Haus ist immer schön, mit und ohne Blumen«, sagte Leni, ehe sie in der Küche verschwand.
*
Obwohl Bettina nur einige Wochen weggewesen war, hatte sie das Gefühl, in ein anderes Leben zurückzukehren, das nicht mehr ihres war.
Die Stadt war ihr zu laut, und ihre großzügig geschnittene Eigentumswohnung war ihr zu eng und gefiel ihr nicht mehr, dabei hatte sie alles getan, um sie zu bekommen und auch einen viel zu hohen Preis dafür bezahlt.
Sie öffnete alle Fenster und Terrassentüren, um durchzulüften. Bis auf eine Flasche Mineralwasser war ihr Kühlschrank leer. Sie würde also erst einmal einkaufen müssen. Sie griff zum Telefon, um sich bei ihren Geschwistern zurückzumelden.
Frieder war in einer wichtigen Besprechung.
Grit war auf dem Weg in die Stadt, aber wenigstens bereit, sich mit ihr zum Essen zu treffen, weil ihr Mann und ihre Kinder zusammen auf einem Segelturn waren.
Bettina freute sich auf ihre Schwester. Rasch machte sie sich etwas frisch und fuhr in die Stadt. Sie hätte sich mit Grit lieber woanders getroffen, aber diese hatte auf einem angesagten italienischen Restaurant bestanden, in dem »man« sich jetzt traf.
Bettina mochte den Laden nicht – sie fand die Preise überteuert und das Publikum gefiel ihr auch nicht, denn dort trafen sich wirklich die Schicki-Mickis. Zu denen paßten weder sie noch Grit, die eigentlich schon gar nicht, denn ihre Schwester war eher konservativ. Aber, na ja, ihr sollte es recht sein.
Grit hatte einen Tisch reserviert und so wie sie von dem Kellner behandelt wurde, nachdem sie Grits Namen genannt hatte, deutete alles darauf hin, daß ihre Schwester öfters ins »Grande Italia« ging. Das verwunderte Bettina etwas, denn irgendwie paßte Grit nicht hierhin. Aber das sollte ihr egal sein. Sie wurde von dem Kellner in dem vollen Restaurant zu einem Tisch geführt, von dem man den ganzen Raum überblicken konnte und er in einer kleinen Nische stand.
Bettina hatte gerade Platz genommen, als sie ihre Schwester entdeckte. Der Wirt eilte auf sie zu, gab ihr Küßchen links und rechts.
Und wie sah Grit aus?
In ihr braunes Haar hatte sie sich rote Strähnen machen lassen, sie trug ein kurzes, enges schwarzes Kostüm, hochhackige Schuhe und trug auch eine von diesen Louis-Vuitton-Taschen, die eine monatelange Lieferzeit hatten.
Was war aus ihrer Schwester geworden? Manchmal sprach man ja von einem häßlichen Entlein, das sich in eine stolzen Schwan verwandelte. Aber bei Grit konnte man das nicht behaupten. Vielleicht sah sie es nur so, weil sie ihre Schwester war, aber auf sie wirkte Grit, als habe sie sich verkleidet und dabei bei der Wahl ihres Kostüms eine unglückliche Hand gehabt.
Sie scherzte mit dem Wirt, wohl ein besonderes Privileg, es gab noch mal Küßchen, dann winkte sie ihr zu und kam auf sie zugestöckelt.
»Schön, daß du schon da bist«, rief Grit, und dann bekam auch Bettina die drei obligatorischen Wangenküßchen.
Grit ließ sich auf einen Stuhl fallen, knöpfte ihre Jacke auf. Sie war schlanker geworden, aber sie hatte ihr Gesicht, das sah Bettina erst jetzt, einer Botox-Behandlung unterzogen.
Grit und Botox?
»Gut, daß Luigi diesen Tisch für uns freigehalten hat, ach, er ist wirklich ein Schatz.«
»Luigi?«
»Ja, der Wirt… trinkst du auch einen Prosecco?«
Bettina glaubte, sich verhört zu haben.
Grit und Prosecco, und das bereits mittags?
»Aber du trinkst doch tagsüber nie Alkohol.«
Grit lachte.
»Man soll nie nie sagen, mittlerweile finde ich es schön… ich brauche auch keine Karte, hinterher esse ich die Scampis vom Grill mit etwas Salat. Ich kann sie dir übrigens sehr empfehlen, sie sind köstlich.«
Was war nur aus Grit geworden? In einer solch kurzen Zeit konnte man sich doch nicht so verändern.
Sie plapperte, winkte dahin und dorthin, wobei ihre dicken Brillantringe blitzten, auch die waren neu, ebenso wie die goldene Rolex und das brillantbesetzte Armband. Grit trug Schmuck, den sie früher als unfein abgetan hatte.
Grit unterschied sich kaum von den übrigen weiblichen Gästen. Ob Grit sich irgendwann auch, wie die meisten von ihnen es hatten, die Lippen aufpolstern lassen würde?
Nachdem für Grit der Prosecco serviert worden war, für sie Mineralwasser, blickte Grit sie an. »Ach, Liebes, bist du nicht froh, wieder hier zu sein? Auf dem Hof muß es für dich doch gewesen sein wie in Einzelhaft?«
Was sollte Bettina ihr antworten. Daß das Leben in Fahrenbach echt war und sie sich hier, an diesem Ort, in einer Art Kunstwelt befanden mit Kunstgebilden, die an den Tischen saßen und das zur Schau trugen, was man jetzt haben mußte, um dazu zu gehören? Und das Schlimmste war – ihre Schwester Grit war mittendrin.
»Es war schön… ich habe mich übrigens entschlossen, nach Fahrenbach zu ziehen und den Hof zu übernehmen.«
Grit verdrehte die Augen.
»Um Gottes willen, das ist ja grauenvoll. Überleg dir das genau. Du kannst doch nicht auf dem Dorf versauern. Dort lernst du niemals einen Mann kennen, und irgendwann solltest auch du heiraten. Wenn du von mir einen Ratschlag annehmen willst, dann verkaufe den ganzen Klumpatsch, ein bißchen was wirst du schon dafür bekommen… es gibt ja genug Öko-Leute, die aufs Land ziehen wollen, um sich dort zu verwirklichen. Du gehörst für meine Begriffe nicht dorthin.«
»Grit, der Hof ist seit Generationen im Familienbesitz, wenn es dein Erbteil gewesen wäre, würdest du ihn dann verkaufen?«
Grit lachte.
»Glücklicherweise habe ich ihn nicht geerbt. Aber wenn es der Fall gewesen wäre – ja, ich würde