Toscano, Tobia R.: Letterati, corti, accademie. La letteratura a Napoli nella prima metà del Cinquecento. Napoli 2000.
Shemek, Deanna: „Of Women, Knights, Arms, and Love: The Querelle des femmes in Ariosto’s Poem“. MLN 104.1, Italian issue, (1989): 68–97.
— : Donne erranti. Donne e trasgressione sociale nell’Italia del Rinascimento. Mantova 2003, 159–192.
— : „Laura Terracina“. Liriche del Cinquecento, Hgg. Monica Farnetti und Laura Fortini. Guidonia 2014, 170–179.
Rivoletti, Christian: Ariosto e l’ironia della finzione. La ricezione letteraria e figurativa dell’Orlando furioso in Francia, Germania e Italia. Venezia 2014.
Viennot, Eliane: „Revister la Querelle des femmes. Mais de quoi parle-t-on?“. Revisiter la ‚Querelle des femmes‘. Discours sur l’égalité/l’inégalité des femmes et des hommes, de 1750 aux lendemains de la Révolution. Hgg. Eliane Viennot und Nicole Pellegrin. Saint Etienne 2012, 7–29.
Waring, Caroline: „Laura Terracina’s Feminist Discourse (1549). Answering the Furioso“. Laboratorio di Nuova Ricerca. Investigating Gender, Translation & Culture in Italian Studies. Hgg. Monica Boria und Linda Risso. Leicester 2007.
Zimmermann, Margarete: „The Querelle des femmes as a cultural studies paradigma“. Time, Space and Women’s Lives in Early Modern Europe, Hg. Anne Jacobson Schutte. Kirksville 2001, 17–28.
Henry David Thoreau: Walden
Dieter Schulz
Walden ist das Hauptwerk eines amerikanischen Autors, dessen 200. Geburtstag kürzlich in aller Welt gefeiert wurde. Henry David Thoreau wurde am 12. Juli 1817 geboren, in Concord, Massachusetts, einer Kleinstadt knapp 30 km westlich von Boston (heute ca. 17000, damals ca. 2000 Einwohner). Von kürzeren Reisen abgesehen, hat er Concord nie verlassen. Er starb daselbst 1862, im auch für damalige Verhältnisse jungen Alter von 44 Jahren. Die Totenrede hielt sein einstiger Lehrer, Mentor und Freund, Ralph Waldo Emerson, der führende Kopf der sog. Transzendentalisten, einer Gruppe von Intellektuellen, die in den 1830er und 1840er Jahren Concord zum „American Weimar“ machte.1 Thoreaus weltweiter Ruhm beruht neben Walden vor allem auf dem Essay „Civil Disobedience“ (1849). Dessen Titel wurde schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Schlagwort von Protest- und Bürgerrechtsbewegungen; er hat die englischen Fabianer ebenso inspiriert wie Mahatma Gandhi, die französische Résistance ebenso wie Martin Luther King und Nelson Mandela und schließlich in neuester Zeit Bewegungen wie Occupy Wall Street und die gegen die Deportationspolitik der US-Regierung aufbegehrenden Sanctuary Cities.
1854 mit dem Untertitel Life in the Woods veröffentlicht, besteht Walden aus 18 Kapiteln, in denen der Autor über ein Experiment berichtet. Im Frühjahr 1845 hatte er sich eine Hütte im Wald gebaut, am Ufer des Walden Pond, eines kleinen Sees etwa drei km von Concord entfernt. Dort hatte er zwei Jahre, zwei Monate und zwei Tage gewohnt, relativ abgeschieden, einfach, naturnah, um nichts weniger herauszufinden als den Sinn des Lebens.
Ich möchte Walden als ‚Klassiker‘ betrachten, eine andere Bezeichnung für das ‚große Werk‘, um das es in dieser Reihe geht, zugleich ein Etikett, das der Erläuterung bedarf. Denn darüber, was unter einem Klassiker zu verstehen sei, wird seit der Antike nachgedacht. Soweit möchte ich nicht zurückgehen, vielmehr beschränke ich mich auf eine Diskussion, die mit großen Kritiker-Namen wie Sainte-Beuve, T.S. Eliot und Frank Kermode verbunden und in neuerer Zeit im Rahmen der Kanon-Debatten wieder aufgegriffen worden ist. In den neueren Kontroversen geht es dabei vor allem um die Revision des Literaturkanons im Zeichen von Multikulturalismus, Feminismus und Postkolonialismus.2 Demgegenüber stelle ich ‚klassische‘ Fragen der Klassiker-Diskussion in den Vordergrund: Wie lange muss ein Werk gelesen werden, um als Klassiker zu gelten? Horaz‘ Faustregel – hundert Jahre – bietet ein scheinbar simples, aber noch von Kermode zustimmend zitiertes Kriterium.3 Wie erklärt es sich, dass ein Werk lange nach seinem Erscheinen immer noch gelesen und auch von späteren Epochen noch als aktuell empfunden wird? Wie verhalten sich Universalität und Dauer zu kulturspezifischen und zeitbedingten Faktoren? In welchem Verhältnis stehen innovative und konservative Momente zueinander? Was ist dran an der Behauptung, einen Klassiker erkenne man unter anderem daran, dass ihn jeder ‚kennt‘, ohne ihn wirklich gelesen zu haben – frei nach Pudd’nhead Wilsons Definition in Mark Twains Following the Equator (Motto zu Kap. 25): „‚Classic.‘ A book which people praise and don’t read.“4
Zu Beginn greife ich ein Kriterium auf, das Eliot in die Diskussion eingebracht hat und das auf den ersten Blick geeignet erscheint, Walden den Status des Klassikers abzusprechen: das der Reife. Im Hauptteil meiner Ausführungen konzentriere ich mich dann auf die Verschränkung von Innovation und Restauration, Radikalität und Konservatismus, die bereits Sainte-Beuve als Merkmal des Klassikers herausstellte. Dabei werden auch Thoreaus eigene, vor allem im „Reading“-Kapitel von Walden formulierte Gedanken zur Geltung kommen. Klassiker, so Thoreau, sind ‚natürlich‘ in dem Sinne, dass sie, wie die Natur, im Wandel lebendig bleiben; indem wir sie lesen und studieren, teilt sich uns, wie beim Erforschen der Natur, ihre Regenerationskraft mit. Abschließend werde ich die Frage ansprechen, inwieweit das Prestige eines Klassikers sich von der tatsächlichen Lektüre lösen kann – in welchem Maße auch für Walden eine Bemerkung Balz Englers gilt, der nach eingehender Würdigung der Klassiker-Debatte von Sainte-Beuve bis Kermode und Hans-Robert Jauss den Vorschlag macht, unter dem Klassiker ein Werk zu verstehen, das unabhängig von dem Buch existiert, als das es ursprünglich erschienen ist.
In „What is a Classic“ (1944) formuliert T.S. Eliot, der Kritikerpapst der anglo-amerikanischen Moderne, gewohnt apodiktisch: „A classic […] must be the work of a mature mind.“5 Ich stelle das Kriterium der Reife an den Anfang, weil es die Gelegenheit bietet, einige der gewichtigsten Einwände gegen Thoreaus Buch aufzugreifen, scheint es doch auf den ersten Blick wie kein anderes geeignet, Walden als Klassiker zu demontieren. Es gibt meines Wissens keine expliziten Kommentare Eliots zu Thoreau, aber er hätte er ihn mit Sicherheit in derselben Schublade abgelegt wie Edgar Allan Poe, von dem er sagt, Poes Werk illustriere „the intellect of a highly gifted young person before puberty“; er stelle ihn sich vor als „a man of very exceptional mind and sensibility, whose emotional development has been in some respect arrested at an early age.“6
Aus zwei Gründen bin ich mir sicher, dass Eliot mit Thoreau genauso verfahren wäre wie mit Poe. Zum einen ist es Thoreau in der Tat so ergangen, und zwar schon 1865, wenige Jahre nach seinem Tod, in einer vernichtenden ‚Würdigung‘ James Russell Lowells, des zu seiner Zeit einflussreichsten Kritikers in den USA, und dann erst kürzlich wieder in einem New Yorker-Aufsatz von Kathryn Schulz. Beide diagnostizieren an Thoreau narzisstisch-regressive Züge, die Unfähigkeit zu Selbstkritik und Selbstironie. Zum anderen war dies auch meine erste Reaktion auf Walden. Nach über vierzigjähriger Beschäftigung mit den amerikanischen Transzendentalisten erinnere ich mich immer noch gut an die Irritation, die Thoreau anfangs in mir auslöste. Bereits im zweiten Absatz blieb ich hängen, an der Passage, in der Thoreau dem Leser ankündigt, er werde im Folgenden vorwiegend über sich selbst schreiben und dabei ausgiebigen Gebrauch von der Ersten Person Singular machen:
In most books, the I, or first person, is omitted; in this it will be retained; that, in respect to egotism, is the main difference. We commonly do not remember that it is, after all, always the first person that is speaking. I should not talk so much about myself if there were any body else whom I knew as well (3).7
Thoreaus Tonfall hatte etwas vom Quengeln eines Teenagers; wollte hier jemand, der es trotz Harvard-Diplom zu nichts gebracht hatte, seine Unsicherheit und Unreife mit einem Ego-Trip kompensieren? Schließlich war unsereinem schon in der Oberstufe des Gymnasiums beigebracht worden, dass man, wenn man etwas zu sagen hat, unpersönlich formuliert – ein Stilprinzip, das im Studium durch die in meiner Generation