Letzter Sommerabend am Meer. Wolf S. Dietrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolf S. Dietrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954752171
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      Handlung und Figuren dieses Romans entspringen der Phantasie des Autors. Ebenso die Verquickung mit tatsächlichen Ereignissen. Darum sind eventuelle Übereinstimmungen mit lebenden oder verstorbenen Personen zufällig und nicht beabsichtigt. Nicht erfunden sind bekannte Persönlichkeiten, Personen der Zeitgeschichte sowie Institutionen, Straßen und Schauplätze in Cuxhaven, Bremerhaven und im Umland sowie auf Helgoland und in Portugal.

      »Cuxland Krimi«® ist eine eingetragene Marke des Autors.

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      auch die des auszugsweisen Nachdrucks

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      © Prolibris Verlag Rolf Wagner, Kassel, 2020

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      Titelfoto: ©Hendrik, adobe stock

      E-Book: Prolibris Verlag

      ISBN E-Book: 978-3-95475-217-1

      Dieses Buch ist auch als Printausgabe im Buchhandel erhältlich.

      ISBN: 978-3-95475-206-5

       www.prolibris-verlag.de

      Der Autor

      Wolf S. Dietrich studierte Germanistik und Theologie und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Göttingen. Dann war er Lehrer und Didaktischer Leiter einer Gesamtschule. Er lebt und arbeitet heute als freier Autor in Göttingen und Cappel-Neufeld bei Cuxhaven.

      »Letzter Sommerabend am Meer« ist sein neunzehnter Krimi im Prolibris Verlag und der siebte, der im Cuxland spielt. Der Autor ist Mitglied im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur.

      Mehr Informationen zum Autor unter: www.literatur-aktuell.de

      Kapitel 1

      »Komm! Lass uns ein Stück in die Richtung gehen!« Julia griff nach der Hand ihrer Tochter und deutete in Richtung Kugelbake. »Da ist es nicht so voll.« Tausende Menschen füllten die Grimmershörn-Bucht. Die meisten saßen auf Decken oder anderen mitgebrachten Unterlagen, andere im Gras. Auch die Strandkörbe waren besetzt. Der Boden war trocken, die Sonne meinte es gut mit dem Sommerabend am Meer, wärmte die Besucher noch am frühen Abend. Ein Geräuschteppich aus Stimmengewirr, Gelächter und Musik lag über der Bucht.

      »Ich möchte aber lieber hierbleiben.« Leonie zog einen Flunsch und ließ sich nur widerwillig am ausgestreckten Arm vorwärts ziehen. Ihr Blick hing an den bunten Karussells und Verkaufswagen, die sich auf der Stadtseite unterhalb des Deichs in langer Kette aneinanderreihten. Ein sanfter Lufthauch wehte Düfte von gebratenem Fisch und Fettgebackenem, gerösteten Mandeln und Süßigkeiten über die Menschenmenge.

      »Außerdem habe ich Hunger«, fuhr die Siebenjährige fort. »Ich möchte …«

      »Wir essen später, Leonie«, unterbrach ihre Mutter sie. »Nachher kannst du dir etwas wünschen. Erst suchen wir einen Platz für unsere Decke. Dann darfst du deine Jacke ausziehen. Es ist wärmer, als ich dachte.«

      »Und die Schuhe?«

      Julia seufzte. »Meinetwegen auch die Schuhe.«

      Die Aussichten schienen das Kind zu besänftigen. »Aber nicht mehr so weit«, forderte es nur noch halblaut und verringerte den Widerstand gegen die mütterliche Hand.

      »Ich sehe einen Platz für uns«, rief Julia kurz darauf und steuerte auf eine Lücke zwischen den Besuchern zu, die sich auf dem Gras niedergelassen hatten. »Hier ist es nicht so eng. Und wir haben einen schönen Blick auf die Schiffe.«

      Wenig später hatte sie die Decke ausgebreitet, die Jacke ihrer Tochter und ihre eigene in der Tragetasche verstaut, sich gesetzt, die Arme um die Knie geschlungen. Während Leonie damit beschäftigt war, die Verschlüsse ihrer Schuhe zu öffnen, sah Julia sich um. Einige Schritte entfernt lagerte eine Gruppe junger Leute, die eine Flasche kreisen ließen und bereits in Feierstimmung zu sein schienen. Zum Glück hielt sich ihr Geräuschpegel in Grenzen. Auf der anderen Seite saßen zwei ältere Ehepaare auf Klappstühlen. Die Frauen unterbrachen ihr Gespräch und nickten ihr freundlich zu, die Männer hatten den Blick auf die Nordsee gerichtet. Weiter unterhalb hatte sich eine Familie mit zwei kleinen Kindern niedergelassen. Die Eltern waren damit beschäftigt, die Kleinen, deren Bewegungsdrang unübersehbar war, im Zaum zu halten.

      »Darf ich zum Wasser?« Leonie hatte sich ihrer Schuhe entledigt und sah ihre Mutter erwartungsvoll an.

      »Aber nur so weit, wie du mich noch sehen kannst.« Julia deutete zum Ufer. »Und ich dich. Wenn ich winke, kommst du zurück.«

      »Okay.« Leonie rannte los, umkurvte im Zickzack die lagernden Menschen und stoppte an der Wasserlinie, wo sie vorsichtig die Zehenspitzen eintauchte. Dann drehte sie sich um und winkte ihrer Mutter zu.

      Julia nickte, lehnte sich zurück, richtete den Blick in die Unendlichkeit des blauen Himmels und streckte sich auf der Decke aus. Sie beobachtete ein paar kleine, nahezu unbewegliche Wolken, schloss dann die Augen und lauschte auf die sie umgebenden Klänge. Die Mischung aus menschlichem Geraune, dumpfem Dröhnen entfernter Schiffsmotoren und Musik von den Veranstaltungsbühnen hatten eine entspannende Wirkung. Die Geräusche und Gerüche des Sommerabends am Meer entrückten sie aus dem Alltag. Obwohl sie nur einige Hundert Meter von der Stadt, ihrer Wohnung und ihrem Arbeitsplatz entfernt war, fühlte sie sich wie in einer anderen Welt, genoss eine Leichtigkeit, die sie lange nicht empfunden hatte.

      Allzu gern hätte sie den Augenblick gedehnt, aber sie musste Leonie im Auge behalten. Die Vorstellung, sie unter Tausenden Menschen suchen zu müssen, war beängstigend. Sie richtete sich auf. Ihre Tochter hockte an der Wasserlinie, hatte offenbar einen gleichaltrigen Spielkameraden gefunden, dem sie mit großer Geste etwas erklärte, das mit dem Wasser zu tun hatte, in dem die Kinder knöcheltief standen. Meine Tochter ist manchmal etwas altklug, dachte Julia. Vielleicht liegt das daran, dass sie fast nur mit mir zusammen ist, keine Geschwister hat und ohne Vater aufwächst.

      Julia war selbst vaterlos aufgewachsen. Gelegentlich hatte sie sich gefragt, ob es eine Gesetzmäßigkeit gab, nach der sich Familienverhältnisse fortsetzten. »Du bist doch eine attraktive Frau«, hatte ihre Mutter bemerkt. »Bei den Ärzten im Krankenhaus müsstest du gute Chancen haben.«

      Tatsächlich hatte sie sich – nach einem unschönen Erlebnis auf Helgoland – viele Jahre auf keine dauerhafte Beziehung eingelassen. Leonies Vater hatte sie an ihrem Arbeitsplatz kennengelernt. Er war weder Arzt noch Kollege gewesen, auch kein Patient, sondern der Mann einer Patientin. Ein Fehler.

      Den Gedanken an den Erzeuger ihres Kindes schob sie rasch beiseite. Noch gab sich Leonie mit der Erklärung zufrieden, dass es unterschiedliche Familien gab. In manchen gab es einen Papa, in anderen nicht. Ihre Erfahrungswelt in Kindergarten und Grundschule bestätigte diese Aussage. Doch Julia war klar, dass ihre Tochter eines Tages eine eindeutige Antwort verlangen würde.

      Zu den spielenden Kindern gesellte sich ein drittes. Es war etwas jünger, eine Frau stand nur wenige Schritte entfernt und beobachtete die Gruppe. Beruhigt lehnte Julia sich zurück und gab sich wieder dem Gefühl des unbeschwerten Augenblicks hin.

      Sie schreckte hoch, als ein Schatten auf sie fiel und etwas ihre Schulter berührte. »Mama, ich habe Hunger.« Leonie zerrte an ihrer Bluse. »Du hast mir versprochen …«

      »Bin ich eingeschlafen?«, stieß Julia hervor und starrte auf ihre Uhr. Mindestens eine halbe Stunde war vergangen. Dreißig Minuten, in denen sie nicht auf ihre Tochter geachtet hatte. Was hätte in dieser Zeit alles passieren können! Unwillig schüttelte sie den Kopf.

      »Doch«, beharrte Leonie. »Versprechen muss man halten. Ich will eine Waffel. Mit Himbeermarmelade.«

      Benommen richtete Julia sich auf. »Ich weiß nicht, ob es das hier gibt. Aber wir schauen mal.