»Und ich saß vor meiner Schreibmaschine und beobachtete eine Art Teufelsgesicht, das aus dem Manu-skriptblatt hervorstieg«, sagte Lady Agatha. »Dann muß auch bei mir der Kurzschluß eingesetzt haben. Was halten Sie von diesen Dingen, Mister Parker?«
»Man scheint an Mylady interessiert zu sein.«
»Wie bitte? An mir? Aber das ist doch albern, Mister Parker! Wer sollte sich für mich schon interessieren? Was habe ich denn groß zu bieten?«
»Geld, Mylady!« antwortete der Butler lakonisch.
»Sie glauben, daß man mich ausnehmen will?«
»Davon sollte man ausgehen, Mylady.«
»Und warum befaßte sich dieser Dämon oder Teufel dann auch mit Ihnen?«
»Man will meine bescheidene Wenigkeit offensichtlich aus dem Weg räumen, Mylady. Als Untersu-chungsgefangener könnte ich Mylady unmöglich meine Hilfe anbieten.«
»Und warum hat dieser Dämon sich nicht mit Kathy befaßt?«
»Sie dürfte für ihn ein unbeschriebenes Blatt sein, Mylady, das man einfach nicht beachtet.«
»Der Dämon wird noch sein blaues Wunder erleben«, sagte Agatha Simpson und lächelte grimmig. »Hal-ten wir aber fest, Parker, Sie und ich dürften für Hypnose sehr zugänglich sein. Ein scheußlicher Gedanke, der mir nicht schmeckt. Ich lasse mir nur ungern einen fremden Willen aufzwingen.«
»Auch meine bescheidene Person hat dagegen erhebliche Einwände«, erwiderte der Butler, »ich möchte Mylady übrigens für die Geistesgegenwart danken, die es mir ermöglicht, nun hier zu sein.«
»Das schafft den toten Gemüsehändler Pinks natürlich nicht aus der Welt, Mister Parker.«
»Zumal der Dämon, um bei diesem Ausdruck zu bleiben, der Polizei mit Sicherheit wertvolle Hinweise liefern wird, die meine Person betreffen.«
»Was ist also zu tun, Mister Parker? Ich bestehe darauf, daß Sie einen Einfall haben!«
»Man sollte möglicherweise noch mal mit Crane Cottage beginnen«, antwortete Josuah Parker, der jetzt sehr konzentriert wirkte. »Mylady gerieten ja eigentlich nur per Zufall dorthin und kamen nicht absichtlich von der Straße ab. Ganz in der Nähe des Unfallorts muß der Dämon sein Domizil haben, dort muß er Mylady identifiziert haben, dort muß sein Plan gereift sein, sich mit Mylady und meiner bescheidenen We-nigkeit zu befassen.«
»Das klingt logisch«, meinte die ältere Dame, »aber was tun wir gegen die Hypnose, Mister Parker? Wenn wir da keine Sicherungen einbauen, werden wir uns noch gegenseitig umbringen.«
»Damit ist bestimmt zu rechnen, Mylady«, gab der Butler ernst und gemessen zurück, »und ich würde es ungemein bedauern, Myladys Mörder werden zu müssen!«
*
Dr. Herberts war ein skurril aussehendes Männchen von etwa sechzig Jahren. Er war klein, rundlich und strömte eine schon unheimlich zu nennende Ruhe aus. Auf der Weste seines grauen, zerknitterten Anzugs waren Aschflecke zu sehen. Ebenso war zu erkennen, daß er an einem der Vortage mit Sicherheit ein wei-ches Ei gegessen hatte. Die Spuren davon ließen sich auf der Krawatte entdecken.
Er hatte sich die Geschichten von Lady Simpson und Butler Parker angehört und zündete sich eine Zigarre an, die zerknittert wie sein Anzug aussah. Sie verströmte einen Geruch, der an ein scharfes Desinfektions-mittel erinnerte. Auf seinen kurzen Beinen wanderte Herberts nachdenklich im Zimmer auf und ab und blieb plötzlich stehen.
»Eindeutig, daß man Sie hypnotisiert hat«, sagte er. »Sie haben sich beide in einem schweren Somnam-bulzustand befunden, die Umwelt existierte für Sie nicht mehr, Sie waren nur noch dem Willen Ihres Hyp-notiseurs ausgeliefert.«
»Warum ausgerechnet Mister Parker und ich?« ärgerte sich die resolute Dame, »wir sind doch keine Aus-nahmeerscheinungen, Doktor Herberts.«
»Ganz sicher nicht, Lady Simpson«, antwortete Herberts und hob zur Unterstreichung seiner Worte den nikotingelben rechten Zeigefinger. »Die einschlägige Wissenschaft geht davon aus, daß neun von zehn Menschen in einen mehr oder weniger leichten Grad der Hypnose zu versetzen sind.«
»Das hört sich ja schrecklich an«, meinte Lady Agatha und schüttelte sich angewidert.
»Hingegen kann wohl jeder fünfte Mensch dieser angenommenen zehn Menschen in jenen Zustand ver-setzt werden, den Sie durchmachen mußten: Somnambulzustand. Der Hypnotisierte nimmt seine Umwelt nicht mehr wahr, sondern gehorcht ausschließlich den Befehlen seines Hypnotiseurs, ohne nach dem Erwa-chen zu wissen, was er getan oder gesagt hat.«
»Könnte er in solch einem Zustand auch einen Mord begehen?« erkundigte sich Parker aus gutem Grund.
»Ausgeschlossen, falls solch ein Befehl gegen sein moralisches Prinzip verstoßen würde. Mord in Hypnose hält die Wissenschaft für ausgeschlossen, es gibt da Experimente, die das belegen.«
»Klingt ja sehr beruhigend«, meinte Agatha Simpson und warf ihrem Butler einen knappen Blick zu, um sich dann wieder Dr. Herberts zuzuwenden. »Sagen Sie mir endlich, was Hypnose eigentlich ist.«
»Sie ist eine Form des Schlafes«, dozierte Herberts und nahm seine Wanderung wieder auf, wobei er an-geregt seine scheußlich stinkende Zigarre rauchte. »Sie ist auf keinen Fall eine Form der Bewußtlosigkeit oder Bewußtseinsunfähigkeit. Der Hypnotisierte ist durchaus in der Lage, jede Art von Sinneseindrücken wahrzunehmen, sie logisch zu verwerten und danach auch auszuführen. Die schwerste Form ist die eben ge-nannte Vollhypnose, der sie wohl ausgesetzt waren.«
»Muß der Hypnotisierte den Hypnotiseur sehen, mit ihm engen Kontakt haben?« fragte Parker, der an be-stimmte Vorgänge dachte.
»Ohne Kontakt geht es nicht«, erwiderte Dr. Herberts, »er braucht allerdings nicht gerade hautnah zu sein, er muß aber in engen, räumlichen Grenzen existieren.«
»Wie kann man sich gegen Hypnose schützen?« Wenn es sein mußte, vernichtete Parker auf alle Sprach-schnörkel.
»Ich könnte sie blockieren«, antwortete Dr. Herberts, »ich könnte Ihnen den hypnotischen Befehl erteilen, sich nicht hypnotisieren zu lassen, verstehen Sie, was ich meine?«
»Kein Wort«, gestand Lady Agatha ruppig.
»Nicht unbedingt«, sagte Parker, der sich höflich ausdrückte.
»Ich müßte Sie hypnotisieren«, wiederholte Dr. Herberts noch mal geduldig, »ich müßte Ihr Unterbe-wußtsein blockieren, damit es sich gegen andere hypnotische Befehle zur Wehr setzt.«
»Und dann liefen Mister Parker und ich die ganze Zeit hypnotisiert herum?«
»Sie würden davon überhaupt nichts merken«, beruhigte Herberts die Detektivin, »mein hypnotischer Be-fehl wäre stärker als alle Versuche eines zweiten Hypnotiseurs. Sie wären immun gegen Zweithypnose, um es mal so auszudrücken.«
»Das klingt gut«, meinte Lady Simpson, »Ihnen würde ich nämlich trauen, Doktor.«
»Wieviel Zeit brauchen Sie für diese Art von Impfung?« erkundigte sich Parker.
»Nur wenige Minuten«, versicherte Dr. Herberts lächelnd, »wie ich aus Ihren Geschichten herausgehört habe, sprechen Sie ja auf Hypnose besonders schnell an.«
»Machen Sie eine Dauerimpfung daraus«, ermunterte Lady Simpson den Arzt, den sie schon seit Jahren kannte, »ich bin allerdings dagegen, daß fremde Menschen sich in mein Unterbewußtsein einschalten.«
»Gibt es technische Möglichkeiten, Sir, hypnotische Befehle senderartig zu verstärken?« stellte Parker die Frage, die ihn intensiv beschäftigte. »Könnten Mylady und meine bescheidene Person bereits einen post-hypnotischen Befehl bekommen haben?«
»Sie fürchten, noch immer unter Fremdhypnose zu stehen?«
»Das ist meine ehrliche Sorge«, pflichtete Parker dem Arzt bei. »Könnten Mylady und meine