»Sie können sich gleich hinlegen. Es wird nicht lange dauern.«
Der Mann hatte die Fäuste geballt.
Wyatt sah, daß er keinen Waffengurt trug, rechts an der Wand hingen zwei Gewehre. Eine Winchester und ein Remington-Gewehr.
Wyatt hatte Farells Blick zu den Waffen aufgefangen.
Mit raschem Griff nahm er ein Gewehr von der Wand und hielt es ihm hin.
»Hier, nehmen Sie es mit. Sie fühlen sich ohne eine Flinte nicht wohl.«
Farell spannte seine Faust um die Waffe und hängte sie blitzschnell an die Wand zurück. Die Art, in der er das schwere Gewehr handhabte, zeigte dem Marshal, wie ungeheuer geschickt er damit umzugehen vermochte. Der Verdacht, daß er der gesuchte Mörder war, verstärkte sich in dem Missourier.
Da krächzte die Frau: »Aber, Percy, so sag dem Marshal doch, daß du nichts mit den Rindern zu tun hast! Es war doch Jussuf Kliban…«
Wyatt lauschte dem Namen nach.
Kliban? Kilby! Man konnte aus dem einen Namen sehr leicht den anderen machen. Und jemand, der Grund hatte, sich zu verbergen, aber nicht viel Phantasie besaß, konnte sehr rasch auf den Gedanken kommen, den Namen Kliban in Kilby umzuwandeln.
»Was ist mit diesem Kliban, Mrs. Farell?«
»Er ist es gewesen, der auf den Gedanken gekommen ist mit dem Postsack…«
»Eben«, sagte Wyatt rasch, eine neue Geschichte witternd.
»Kommen Sie mit, Farell. Und Sie auch, Madam.«
»Warum meine Frau?« krächzte Farell heiser.
»Weil ich auch sie verhören muß.«
»Sie können ja hier mit ihr sprechen.«
»Nein, sie kommt mit!«
Da meinte Lippit einlenken zu müssen: »Die Frau können wir doch auch hier verhören, Mr. Earp.«
»Es tut mir leid, Mr. Lippit, daß ich Sie darauf aufmerksam machen muß, daß die Frau, wenn wir uns entfernt haben, irgend jemanden warnen kann, den wir nicht gern gewarnt wissen wollen. Also, Sie kommen beide mit.«
Mürrisch folgten beide dieser Aufforderung.
Im Sheriffs Office standen sie verstockt vor dem Schreibtisch und starrten den Missourier böse an.
»Well«, erklärte Farell. »Ich werde Ihnen die Geschichte also beichten. Meine Idee war es nicht – Jussuf ist darauf gekommen. Wir verdienten ja nichts, beide nicht. Er nicht und ich auch nicht. Und die großen Gelder stecken die Bosse ein.«
»Machen Sie es kurz«, unterbrach ihn der Marshal.
»Ja, ja. Wir haben dann eben einen der Säcke beiseite geschafft. Aber es war nichts darin, was wir hätten brauchen können. Nur Post. Und jetzt steht der Sack da, und wir können ihn nicht zurückbringen, da der Boß ja immer die Säcke zählt.«
»Und weiter?«
»Was weiter?« meinte der Mann und blickte den Missourier verstört an. »Nichts weiter.«
»Wo waren Sie heute nachmittag?«
»Heute nachmittag? Im Office der Wells Fargo.«
»Das werde ich feststellen. So lange bleiben Sie hier. Und Ihre Frau muß auch hierbleiben.«
»Aber was hat meine Frau mit der Geschichte zu tun? Lassen Sie sie doch da heraus, Marshal!«
»Sie bleiben beide hier!«
Wyatt suchte das Büro der Wells Fargo auf und kam nach zehn Minuten mit dem Posthalter zurück, der nicht wenig überrascht war, einen seiner Leute hier vorzufinden.
»Sie haben gelogen!« wandte sich der Marshal sofort an den Scout. »Sie sind heute nicht im Office gewesen.«
»Well, wenn Sie es schon wissen, ich bin nicht da gewesen, gut. Na und?«
»Wo sind Sie gewesen?«
»Drüben.«
»Wo drüben?«
»Hinter der Grenze…«
»Reden Sie endlich deutlich, Farell. Wir haben keine Zeit!«
Der Postmaster erklärte: »Er ist seit ein paar Tagen unterwegs. Ich weiß nicht, in welchen Geschäften, aber nicht für die Wells Fargo.«
»Haben Sie irgend jemanden, der beweisen kann, daß Sie in Mexiko waren?« fragte der Marshal.
Farell schüttelte den Kopf.
»Das ist schlecht für Sie, Farell.«
Da stieß die Frau ihren Mann an.
»So sagt ihm doch endlich alles!«
»Ich halte es auch für besser«, setzte der Marshal hinzu.
»Well, also, ich war drüben in Mexiko. Wir haben…, wir wollten Rinder holen.«
»Und…?«
»Es ist uns einer dazwischengekommen.«
»Können Sie einen Zeugen beibringen, daß Sie in Mexiko waren?«
»Ja, natürlich. Jussuf.«
»Wo ist er?«
»Na, drüben.«
»Das ist kein Zeuge für mich. Einen anderen Zeugen haben Sie nicht?«
»Doch!« rief Farell plötzlich.
»Phin! Phineas Clanton.«
Der Marshal schluckte vor Verblüffung.
»Phin Clanton? Ihn wollen Sie als Zeugen angeben?« Mißtrauen stand in seinem Gesicht. »Wo soll er Sie gesehen haben?«
»Drüben.«
»Wo?«
»Drüben – in Martini.«
»Das ist ein kleines Nest, etwa fünfundzwanzig Meilen von hier«, erklärte Lippit.
Der Postmaster blickte Farell fragend an.
»Sie haben also den Postsack weggenommen?«
»Well, es ist klar, daß ich Klage gegen Sie und Jussuf erheben werde. Und den Job bei uns sind Sie natürlich los!«
Da geschah es.
Farell hechtete zum Gewehrständer, riß eine Remingtonbüchse heraus und stürmte durch die Hintertür, ehe ihn jemand daran hindern konnte.
Wyatt, der vorn neben dem Eingang gestanden hatte, erreichte die Tür erst, als draußen im Hof der Schuß krachte.
Die Frau im Office schrie gellend auf.
Als Wyatt den Mann im Hof erreichte, war er schon tot. Er hatte sich selbst gerichtet.
Betroffen standen die drei Männer um ihn herum.
Die Frau verharrte oben wie gelähmt in der Hoftür.
»Er ist tot, Mrs. Farell«, sagte der Marshal dumpf.
Die Frau brach zusammen.
Bedrückt von diesem fürchterlichen Ereignis stand der Marshal eine halbe Stunde später im Office vor Lippit und überlegte.
War der Tote wirklich der Mörder Kilby? Es sprach vieles dafür. Vor allem die Tatsache, daß er sich selbst das Leben genommen hatte. Und nicht zuletzt auch die Fertigkeit, mit der er mit dem Gewehr umzugehen verstand. Es war gar nicht so sehr leicht, sich mit einer Remingtonbüchse in dieser Geschwindigkeit selbst einen Schuß beizubringen.
War damit die Suche nach dem Mörder von Sheriff Cornelly zu Ende?
War der tote Scout Percy Farell wirklich