»Es hat keinen Zweck, Laura, sich mit Ihnen darüber zu unterhalten. Sie verstehen das doch nicht.«
»Nein, ganz sicher nicht. Und es ist so, wie ich schon gesagt habe. Eines Tages werde ich Sie neben dem großen Earp tot im Straßenstaub liegen sehen…«
Doc Holliday war wortlos hinausgegangen.
Unten vorm Eingang stand der Marshal. Er blickte die Straße hinunter und sagte halblaut: »Es ist hier so unruhig geworden…«
»Ja«, entgegnete der Georgier, »wie in einem Wespennest, dem man mit Rauch zu nahe gekommen ist.«
Sie verließen den Vorbau und hatten kaum drei Schritte gemacht, als ein Schuß über die Straße peitschte.
Wyatt Earp wirbelte herum, und sein Buntline Special brüllte auf. Yardhoch zuckte die orangerote Mündungsflamme.
Und drüben auf der anderen Straßenseite torkelte ein Mann, dessen helles Hemd in der Dunkelheit schimmerte und fiel neben dem Vorbau nieder.
Wyatt, der auf ihn zulaufen wollte, sah im letzten Augenblick, wie der Georgier nach vorn einknickte und sich mit beiden Händen im Staub der Straße aufstützte.
»Doc…!«
Der Spieler schüttelte den Kopf.
Wyatt hatte den Revolver noch in der Linken und legte die Rechte um die Schultern des Freundes.
Er ließ die andere Straßenseite nicht aus den Augen, während er den Georgier aufrichtete.
Vom Marshals Office kam mit weiten Sprüngen der Texaner angerannt.
»Wyatt! Was ist passiert?«
»Holliday ist angeschossen worden.«
»Was?«
»Der Kerl da drüben…«
Luke Short sah sich um.
»Den hat es ja schon erwischt. Ich werde ihn mir ansehen.«
Wyatt Earp führte den Georgier zur Vorbautreppe des Grand Hotels.
Der Spieler saß auf der vorletzten Stufe und blickte starr auf die Straße.
»Im Sand…, im Sand der Straße«, flüsterte er.
Da kam der Texaner wieder heran. »Huxley. Der Bursche, der neulich gegenüber vom Totenhaus auf uns gewartet hat.«
Mehrere Männer kamen aus Harpers Bar und den benachbarten Häusern heran.
Der Marshal erklärte ihnen, was geschehen war.
»Kümmert euch um den da drüben.«
Sie schoben davon.
»Kommen Sie, Luke, wir bringen den Doc ins Russian House.«
Als der Spieler auf seiner Bettkante saß, zogen sie ihm die Jacke aus.
Sein Hemd war am rechten Oberarm dunkel vom Blut.
»Wir müssen Doc Sommers holen«, entschied der Marshal.
Doc Holliday, der die Lippen fest zusammengepreßt hatte, öffnete sie jetzt widerwillig und meinte: »Ich glaube, es wäre besser, wenn Luke das Jail nicht aus den Augen lassen würde.«
Der Texaner nickte. »Aber erst benachrichtige ich Doc Sommers.«
Es dauerte nicht sehr lange, und der greise gebeugte Arzt erschien im Russian House.
Nellie Cashman führte ihn in das Zimmer des Gamblers.
»Doc Holliday«, sagte der alte Arzt. »Damned, ich erinnere mich gut daran, daß Sie mir einmal einen Zahn gezogen haben. Und Sie haben eine saubere Wurzelbehandlung hingelegt. Vergesse ich nie.«
»Dafür dürfen Sie mir jetzt auch einen Zahn ziehen. Er sitzt oben rechts in meinem Arm und ist leider aus Blei. – Übrigens, Marshal«, wandte er sich an den Freund. »Sie brauchen nicht hierzubleiben.«
Der Missourier ging hinaus. Zehn Minuten später stand er vor der Tür des Mayors von Tombstone.
But McIntosh hatte sich trotz der späten Stunde noch nicht schlafen gelegt.
»Earp? Was wollen Sie?«
»Sie können sich ruhig eines anderen Tones befleißigen, McIntosh, denn ich schätze, daß Sie die längste Zeit Mayor dieser Stadt gewesen sind. Nehmen Sie Ihre Jacke und kommen Sie mit.«
»Wohin?«
»Das werden Sie schon sehen.«
Obgleich McIntosh wenig Interesse daran hatte, den Marshal durch die nächtlichen Straßen zu begleiten, trottete er neben ihm her. Es ging hinauf in die Fremontstreet zu John Clum.
Auch der alte Zeitungsmann schlief noch nicht. Ja, er hatte sein Schmerzenslager, das er so lange mit einer schweren Verletzung gehütet hatte, verlassen, saß in seiner Stube und las in einer Zeitung.
»Hallo, John«, begrüßte ihn der Marshal. »Sie hatten doch früher so ein prächtiges System, den Stadtrat blitzschnell zusammenzurufen.«
»Ja, weshalb fragen Sie?«
»Ich hätte dem Stadtrat etwas mitzuteilen.«
»Dieser Mann da ist der Mayor von Tombstone.« Clum deutete mit dem rechten Daumen auf den Pferdehändler McIntosh.
»Well, noch ist er Mayor, morgen nicht mehr – Mr. Clum, die Stadt hat keinen Gesetzesmann!«
»Sind Sie denn nicht hier?« fragte McIntosh dazwischen.
»Nein, ich werde die Stadt noch heute verlassen, um einem Mörder zu folgen.«
Clum kratzte sich am Kinn. »Well, McIntosh«, wandte er sich an den Pferdehändler. »Sie müssen auf dem schnellsten Wege wenigstens drei Männer des Stadtrates zusammentrommeln. Lancona und noch zwei andere.«
Es dauerte eine Viertelstunde, bis McIntosh mit dem Gunsmith Lancona, dem Sattler Henderson und dem Butcher O’Connor zurückkam.
Die drei bärtigen Männer standen in Clums Stube und blickten auf den Marshal.
Wyatt Earp erklärte ihnen, um was es sich handelte.
Lancona nickte. »Well, wir müssen sofort einen Sheriff wählen.«
»Wen?« Die Frage kam von John Clum.
Henderson kratzte sich den grauen Kopf.
»Ich könnte mir vorstellen, daß es niemanden gibt, der sich um diesen Job hier reißt.«
»Eben«, fand auch O’Connor.
Lancona knurrte: »Wir müssen einen Sheriff haben.«
Es war McIntosh, der plötzlich sagte: »Wie wäre es mit Luke Short?«
»Der nimmt den Job nicht an«, erklärte Wyatt Earp.
»Er braucht ihn ja nicht zu behalten. Aber vorübergehend könnte er doch den Stern nehmen.«
Auch John Clum stimmte dieser Ansicht zu.
»Doch, Wyatt, das wäre ein Gedanke. Niemand ist geeigneter für diesen Posten als der Texaner. Vor ihm haben die Leute Respekt, er ist bärenstark und ein schneller und sicherer Schütze.«
Der Marshal überlegte nicht lange.
»Well, dann müssen Sie es ihm selbst sagen.«
John Clum zog seinen braunen Gehrock an, stülpte seinen Hut auf und humpelte mit den anderen die Thirdstreet hinunter.
Der Texaner machte große Augen, als er die Männer bei sich im Office eintreten sah. Dann blickte er den Marshal an und meinte: »Das sieht ja nach einem Komitee aus.«
»Das ist es in gewisser Hinsicht auch«, entgegnete John Clum.
»He, wo wollen Sie hin, Wyatt?« meinte der Texaner, dem bei der Sache nicht geheuer war, als er sah, daß der Missourier in den Hof gehen