Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine von Bergen
Издательство: Bookwire
Серия: Der Landdoktor Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959796675
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mit ihm. Kim und Tim, die fünfjährigen Jungen, fragten zunächst kaum nach ihrer Mutter. Sie wussten ja nichts anderes, als dass Britta wieder hatte auf Reise gehen wollen. Die Anwesenheit ihres Vaters dagegen vermissten sie.

      »Papa muss zurzeit mehr arbeiten als sonst«, gab Amelie ihnen stets zur Antwort. »Ich spiele mit euch.«

      So kam es, dass die junge Frau noch weniger Zeit für sich selbst hatte als schon vorher.

      Eine Woche, nachdem Britta Wiesler ihre Familie verlassen hatte, musste Amelie ein paar Erledigungen in Ruhweiler und im nahe gelegenen Einkaufspark machen. Nur ganz kurz überlegte sie, ob sie wieder die Abkürzung über die Trollenschluchtbrücke nehmen sollte. Dann schüttelte sie den Kopf. Die Gedanken an den Fremden waren durch die viele Arbeit weniger geworden. Was sollte es bringen, ihn wiederzusehen?

      Als sie aus der Post heraustrat, blieb sie abrupt stehen.

      Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging ein Mann, den sie auf den ersten Blick erkannte. Schwarzes Haar, groß, breit in den Schultern, hemdsärmelig und sportlich sah er aus in der kakifarbenen Hose, dem passenden Hemd und den Wanderstiefeln, in denen er leicht hinkte. Er schien in Eile zu sein, und in Gedanken, denn er hielt den Kopf gesenkt.

      Amelie hielt den Atem an. Fast war sie versucht, auf sich aufmerksam zu machen, zu rufen oder die Straße zu überqueren. Doch letztendlich zögerte sie.

      Lass es lieber, riet ihr der Verstand, wobei ihr dummes Herz vor Protest laut hämmerte. Dann war es sowieso zu spät. Der Mann von der Trollenschluchtbrücke verschwand um die Ecke. Sie wertete dies als Zeichen. Was hatte sie mit ihm zu tun? Nur ein paar Worte hatten sie bisher miteinander gewechselt. So etwas kam am Tag ­zig Mal unter den Menschen vor, auf der ganzen Welt. Worte, die nichts zu bedeuten hatten. Und dennoch … Sie hatte in den vergangenen Tagen immer wieder an diesen Mann denken müssen. Trotz der Situation, in die Brittas Trennung sie alle gestürzt hatte. Oder vielleicht gerade deswegen? Weil sie dessen ungeachtet immer noch an die wahre Liebe glaubte? Wie oft hatte sie die dunklen sprühenden Männeraugen vor sich gesehen, die Lebendigkeit und einen wachen Geist verrieten, das energische Kinn, das so männlich wirkte. In Erinnerung hatte sie immer wieder seine Stimme gehört, rau und samtig zugleich. All das verlieh diesem Mann eine Ausstrahlung, die sie faszinierte.

      Jetzt ist aber gut, sagte sie sich, während sie entschlossen die Treppe hinunterging. Du bist einfach zu lange allein gewesen. Nur so konnte sie sich ihre Stimmung erklären.

      Das Menschengewimmel in dem Einkaufszentrum holte Amelie schnell ins Hier und Jetzt zurück. Sie arbeitete ihre Liste ab, wartete in der Schlange vor der Kasse und schob den hoch beladenen Einkaufswagen zurück zu ihrem Auto.

      »Darf ich Ihnen helfen?«

      Die Stimme in ihrem Rücken ließ sie zusammenzucken. Rau und samtig zugleich klang sie.

      Nein, das konnte nicht sein.

      Wie im Zeitlupentempo drehte sie sich um. Ganz langsam, um die Hoffnung, dass diese Stimme zu dem Mann gehören würde, den sie eben noch gesehen hatte, nicht zu zerstören.

      »Hallo.« Wie aus dem Boden gewachsen stand er nun vor ihr, und lächelte sie auf eine bezwingende Art an, die ihr weiche Knie machte. Ein Lächeln mit Lippen und Augen.

      »Hallo«, erwiderte sie verwirrt.

      »So sieht man sich wieder«, meinte er. Sein Lächeln verstärkte sich, wurde breiter. Ein richtiges Lausbubenlächeln.

      »Tja, so sieht man sich wieder«, wiederholte sie wie unter Hypnose seine Bemerkung, um sich gleich darauf über sich selbst zu ärgern. Sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Fiel ihr nichts Geistvolleres ein, als seinen Satz einfach nachzuplappern?

      »Lassen Sie mich das machen«, sagte er, griff beherzt eine Tüte nach der anderen, hob sie aus dem Einkaufswagen und stellte sie umsichtig in ihren Kofferraum. Dann rieb er sich die Hände. »So, fertig. Soll ich den Wagen wegbringen?«

      Sie konnte nur nicken, sah ihm nach und nutzte die Zeit, um ein paarmal tief durchzuatmen.

      Stell dich nicht so dumm an, schimpfte sie insgeheim mit sich.

      Er kam auf sie zu, sportlich, obwohl er mit dem linken Bein deutlich vorsichtiger auftrat als mit dem rechten, was ihr den Aufhänger gab, endlich etwas Vernünftiges zu sagen.

      »Sind Sie verletzt?« Sie zeigte auf seinen linken Fuß.

      »Eine Quetschung des Schienbeinnerves. Aber es geht schon besser. Gestern war ich noch einmal bei Dr. Brunner.« Er nickte mit anerkennender Miene. »Die Leute haben nicht zu viel versprochen. Er ist nicht nur ein sympathischer Mensch, sondern auch ein sehr kompetenter Arzt. Eine Kombination, die man heute unter den Medizinern nur noch selten findet.«

      »Dr. Brunner ist hier in der Gegend die ärztliche Versorgungsstelle für alle Krankheiten. Für Körper und Seele.«

      »Wahrscheinlich hilft er auch schon mal einem Kälbchen ans Licht der Welt, oder?« Ihr Gegenüber zwinkerte ihr zu.

      »Sie werden lachen, das ist schon vorgekommen, wenn der Tierarzt nicht schnell genug vor Ort sein konnte«, antwortete sie ernst.

      Sie schwiegen einen Moment. Der Fremde blinzelte in die Sonne und schaute dann hinüber zu den Hügelketten, die sich rechts und links des Tales erhoben, in dem Ruhweiler lag.

      »Eine schöne Landschaft.«

      »Ja.« Amelie spürte vor Aufregung ihre Halsschlagader pochen.

      Und jetzt?

      Sie sah zu ihm hoch.

      Ihre Blicke begegneten sich, hielten sich ein paar Lidschläge lang fest. Ihr Herz blieb für diese Augenblicke stehen, um dann umso rascher weiterzuschlagen. Sie waren einige Handbreit voneinander entfernt. Doch dieser Männerblick hatte etwas so Magisches an sich, dass es ihr vorkam, als würden sie viel näher beieinander stehen, als dies tatsächlich der Fall war. Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Sie hielt den Atem an, wollte in eine andere Richtung schauen, nur nicht in diese dunklen Augen. Die Luft zwischen ihnen war aufgeladen wie vor einem Gewitter. Rasch fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen, schluckte, wollte sich gerade aus Verlegenheit räuspern. Und dann endlich!

      »Ich hatte ja gesagt, beim dritten Mal würde ich einen ausgeben. Haben Sie Zeit? Wir könnten einen Kaffee zusammen trinken.«

      O nein! Sie hatte keine Zeit.

      »Ich …« Sie brachte ein Lächeln zustande, in das sie all ihr Bedauern legte. »Ich habe einen Termin. Gleich.«

      Sie musste doch Kim und Tim vom Kindergarten abholen, aber das wollte sie nicht erwähnen, sonst hätte er noch denken können, die beiden wären ihre eigenen Kinder.

      »Schade.« Ihm schien ihre Absage genauso leid zu tun wie ihr. Sein Lächeln wurde unsicherer. »Vielleicht …« Jetzt räusperte er sich, um dann jedoch mit wieder fester Stimme fortzufahren: »Und wie wäre es heute Abend? Die vergangenen Abende habe ich immer allein essen müssen. Darf ich Sie einladen?«

      Keine Frau oder Kinder, schoss ihr durch den Sinn. Zumindest waren sie nicht hier. Und ohne lange zu überlegen nickte sie. Ihr Kopf führte diese zustimmende Geste ganz allein aus, obwohl sie noch nicht wusste, wie sie sich die Zeit für diese Verabredung nehmen sollte. Da waren die beiden Kids, die sie ins Bett bringen musste und denen sie immer noch etwas vorlas.

      »Um achtzehn Uhr?«, fragte er.

      »Lieber um sieben«, erwiderte sie schnell, wobei ihre Gedanken Purzelbäume schlugen.

      Jonas …, das Lehrmädchen … Sie brauchte einen Babysitter.

      »Einverstanden.« Er reichte ihr die Hand. Eine große warme Hand, die Vertrauen einflößte. »Torsten.«

      »Amelie.«

      »Okay, Amelie, ich freue mich. Bis um sieben«, sagte er und strahlte dabei mit der Sonne um die Wette.

      »Und wo?«, fiel ihr gerade noch früh genug ein.

      Sein