»Nein, Mister, das erwarte ich nicht. Es ist ein schreckliches Land. Immer sind die Menschen auf der Flucht. Und immer folgen ihnen welche. Früher hatten wir Sorgen genug, den Indianern auszuweichen. Jetzt, nachdem das halbwegs vorbei ist, bekämpften die Weißen sich untereinander. Frieden – den gibt es in diesem Lande nicht.«
Der Mann vom Westcreek nahm sein Pferd am Zügel.
»Werden Sie jetzt dem Sheriff Bescheid sagen?«
»Weshalb?«
»Sie sind doch mit ihm bekannt…«
»Er ist mein Sohn.«
Jerry Walker schrak zusammen. Dann hatte er den Colt plötzlich wieder in der Hand.
Der Schmied stand in der halboffenen Stalltür.
»Schießen Sie nur, Mister, wenn Sie glauben, daß es Ihnen weiterhilft. Ich bin nicht sehr böse, wenn ich dieses finstere Jammertal verlassen muß. Seit mir vor sieben Jahren die Funken in die Augen gekommen sind, ist die Welt düster und tot für mich.«
Der Mörder schob sich an ihm vorbei und stieg im Hof in den Sattel.
Vielleicht war der alte Richard Watson jetzt nur deshalb dem Tode entgangen, weil ihm das Leben tatsächlich nichts mehr galt.
Jerry Walker sprengte aus dem
Tor und war auf der dunklen Main-street.
Drüben sah er das Pferd des anderen. Er führte seinen Weißfuchs über die Straße, schwang sich aus dem Sattel und zerschnitt dem Pferd des anderen die Sattelgurte. Dann sprengte er in die dräuende Regennacht davon.
Es klopfte an der Tür des Schmiedes.
Der alte Watson öffnete. »Ah, das ging schnell…«
»Guten Abend. Ich suche…«
»Er ist schon weg, Mister.«
John Walker wandte sich um und sah auf die Straße hinaus. »Thanks«, murmelte er und stampfte zu seinem Pferd hinüber. Als er nach dem Sattelknauf griff, rutschte er mitsamt dem schweren Sattel in den Schlamm.
Oben am Vorbaurand stand der Sheriff.
»He, was ist denn das…?« Er sprang auf die Straße und half dem Rancher auf. »Ihr Gurt war offen?«
»Nein, Sheriff, er war nicht offen. Haben Sie schon einmal einen Reiter gesehen, der absteigt und seinen Sattelgurt öffnet?«
»Eben nicht.«
»Also…«
Da sah der Sheriff es auch schon. »Damned, die Gurte sind beide zerschnitten!«
»Leider. Wo bekomme ich jetzt einen neuen Sattel her?«
»Warten Sie, der Sattler wohnt gleich hier ein paar Häuser weiter die Straße hinunter. Er arbeitet immer ziemlich lange.«
Gil Abraham war noch in seiner Werkstatt. Er verkaufte dem Rancher einen Sattel, ging mit ihm und dem Sheriff hinaus und half beim Aufschnallen.
Endlich fragte Watson: »Wollten Sie nicht mit dem sprechen, der beim Blacksmith ist?«
»Nein, nicht mehr nötig. Er hat schon mit mir gesprochen.«
Walker stieg auf und ritt davon.
Der Sheriff schob sich den Hut aus der Stirn und sah den Sattler an. »Verstehen Sie das?«
»Nein, aber es geht mich auch nichts an, Sheriff.«
Watson tippte an den Hutrand und ging hinüber auf die Schmiede zu.
Der Vater hantierte noch in der finsteren Werkstatt herum, als der Sohn eintrat.
»Der Mann, den ich geschickt habe…«
»… ist weg!« unterbrach ihn der Alte.
Der Sheriff griff sich in den Nacken und wischte sich einen Regentropfen weg, der sich über den Kragenrand gestohlen hatte.
»Er ist weg«, wiederholte er nur, dann schüttelte er den Kopf und ging wieder hinüber in die Schenke, lehnte sich mit den Ellbogen auf die Theke und sah zu den Spieltischen hinüber.
Die beiden Männer, die nach Sulphur gekommen waren und die die Stadt wieder verlassen hatten, vergaß er bald.
*
Neun Meilen ritt Jerry Walker noch hinunter ins Tal. Dann fand er eine Ansiedlung.
Gleich beim ersten Haus rutschte er vom Pferd und klopfte an.
Es dauerte lange, bis ein Mann einen der Fensterläden um einen Spalt öffnete. »He, was gibt’s?«
»Ich suche ein Quartier.«
»Das Boardinghouse ist kurz vorm Ortsausgang.«
Der Fensterladen quietschte und wurde wieder von innen verriegelt.
Der Flüchtling ritt weiter.
Als er das Boardinghouse erreicht hatte, blickte er an dessen düsterer, regenglänzender Fassade hinauf. Sollte er nicht lieber versuchen, weiterzureiten?
Aber nein, das war heller Wahnsinn. Er war naß bis auf die Haut, und der Weißfuchs war erschöpft.
Walker klopfte an die Tür.
Es dauerte nicht sehr lange, bis ein Lichtschein durchs Schlüsselloch und unter der Türritze hervorfiel. Dann wurde geöffnet.
Es war eine ältere Frau, die eine Nachthaube trug und ein Hemd, das bis auf den Boden ging. Sie trug eine kleine Petroleumlampe in der Linken.
»Ja…?« fragte sie verschlafen.
»Haben Sie noch ein Zimmer frei?«
»Ja. Bringen Sie das Pferd drüben zu Jenkins, wir haben keinen Stall. Ich lasse die Tür offen.«
Walker nickte und sah sich um.
Drüben brannte noch Licht.
Der Mietstallowner war eisgrau und gichtverkrümmt. Mit verzerrtem Lächeln stand er in der Tür und meinte:
»Das hab ich gern! Könnt ihr Brüder nicht am Tage kommen? Jetzt muß ich noch mit meinen lahmen Knochen durch die Nässe laufen.«
»Sagen Sie mir, wo ich das Pferd hinstellen soll, Sie brauchen doch nicht mitzukommen.«
»So seh’n Sie aus, Mann. Das habe ich einmal gemacht. Vor neun Jahren. Als ich am anderen Morgen aufstand, fehlten mir drei Pferde.«
Walker beobachtete, wie der Alte eine abgesägte Schrotflinte hinter der Tür hervornahm und sie durchlud.
»Vorwärts. Nehmen Sie die Lampe da vom Haken.«
Sie stiefelten durch den matschigen Hof.
Als der Weißfuchs untergebracht war, drückte Jerry dem Alten einen Eagle in die Hand.
»He, dafür können Sie einen Monat hier den Gaul logieren lassen.«
»Ich bleibe nur eine Nacht. Der Rest ist für Sie…, wenn Sie schweigen können.«
Der Mann bleib stehen. »Schweigen? Sie, das gefällt mir aber gar nicht. Ich habe nie schweigen können. Wenn man schon krank und verbogen ist, dann will man doch wenigstens reden können. Was glauben Sie, was meine Mary mit mir anfängt, wenn ich plötzlich den Mund nicht mehr aufmache.«
Walker blieb stehen. Er hatte den Revolver in der Faust.
Der Mietstallowner starrte auf die blinkende Waffe. »Was… soll das?« stammelte er.
Ein häßliches Lachen kam von den Lippen des Flüchtlings.
»Ich will Sie nur darauf aufmerksam machen, daß Sie jetzt eine Nacht lang schweigen müssen.«
Der Regen patschte und pitschte neben den beiden auf den aufgeweichten Boden.
»Well«,