Sammelband 6 Extra Western September 2018. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Вестерны
Год издания: 0
isbn: 9783745205664
Скачать книгу
ich gehe jetzt. Zwei Mann können wir nicht entbehren.“

      „Callahan!“, rief er mir nach, als ich gerade ins Freie treten wollte.

      Ich blieb im Zelteingang stehen und sah mich um. „Was ist, Joshua? Brauchst du noch etwas?“

      Er nickte. „Drüben in meinem Packen, da ist mein Ledersack mit dem Gold, mein Anteil. Ich möchte, dass ihr es aufteilt. Ich falle euch zur Last und ...“

      Jetzt wurde ich ehrlich wütend. „Du hast wohl einen Knall, was?“, sagte ich zornig.„Joshua, das möchte ich nie wieder hören von dir. Wir sind Partner. Jedem von uns kann etwas zustoßen. Wer am Leben bleibt, bekommt auch seinen Anteil.“

      „Aber ich falle euch doch zur Last“, jammerte er.

      „Du hältst die Klappe!“, fuhr ich ihn an. „Sag das nie wieder! Und außerdem bilde dir nicht ein, dass du hier die ganze Zeit herumliegen kannst. In zwei Wochen könntest du für uns wieder kochen. Und verdammt, der Fraß, den wir hier selber zaubern, ist schlimm genug, dass du es recht bald versuchen solltest“

      Er grinste mich an. „Danke, Callahan, danke“, sagte er leise und in seinen Augen schimmerten Tränen der Freude.

      *

      DAS FLEISCH DES GEWALTIGEN Weißschwanzhirsches, den Abe erlegt hatte, reichte fast eine Woche. Dann war ich damit dran, Wildbret zu beschaffen.

      Wie es üblich war, ging ich früh beizeiten noch in der Dämmerung los, wählte aber nicht den Weg ins Tal, denn ich hatte schon am Vortag mit dem Spektiv in höheren Lagen eine Bergziege entdeckt Oben in der baumlosen Zone waren sie mitunter schwer zu erkennen, weil dort Schnee lag. Aber diese eine hatte sich weiter heruntergewagt und fiel mir vor dem braungrauen Felsen mit ihrem weißen Pelz gut auf. Ich machte mich also dran, die Bergziege zu erlegen; das Fleisch war eine Abwechslung. Es schmeckte anders als das von Hirschen oder Dickhornschafen. Das Fleisch von Dickhornschafen bekam beizeiten einen eigenartigen Geruch. Man konnte es überhaupt nur sehr heiß verzehren. Und mit dem Aufheben war das so eine Sache. Das Fett schmeckte sehr schnell ranzig. Viele Tiere waren noch um diese Jahreszeit relativ fett. Mit der Bergziege war das anders.

      Es gelang mir bei Sonnenaufgang, die Fährte der Bergziege zu entdecken, und ich befand mich dazu ziemlich weit oben in der Region, wo teilweise noch Schnee lag.

      Von hier aus hatte man auch einen weiten Blick über das Land, über die Gipfel der Berge hinweg. Aber die Luft war verflucht dünn. Je höher ich kam, um so schwerer fiel mir die Kletterei.

      Plötzlich sah ich die Bergziege. Sie stand vor einem Felsspalt und bot ein prächtiges Ziel. Aber wenn ich sie da erlegte, drohte sie in die Felsspalte zu stürzen. Ich wartete ab und ließ sie ein Stück höher klettern. Sie erwies sich als unheimlich behende. Aber dann hatte ich sie doch genau im Visier und schoss.

      Es war ein Blattschuss, wie man ihn nicht immer hat. Das Tier machte gerade noch einen Sprung, bevor es fiel.

      Als ich mich erhob, um das Wildbret zu holen, musste ich ein Stück um einen Felsvorsprung herum und kam damit aus dem Windschatten des Berges hinaus. Ein kräftiger, aber noch warmer Nordwind blies mir ins Gesicht. Die Tatsache, dass der Wind warm war, löste in mir ein warnendes Gefühl aus. Ich sah dem Wind entgegen, konnte aber nicht genug sehen. Da war noch ein Felseinschnitt zwischen den hochauf ragenden Bergzacken, und durch den kam der Wind. Aber als ich weiter kletterte und bei der erlegten Ziege anlangte, konnte ich durch die unterste Spitze des Felseinschnittes sehen. Und da gewahrte ich eine schwarze Wand, die sich von Norden her näherte.

      Über mir war der Himmel noch hellblau und zeigte keinerlei Trübung. Aber diese schwarze Wand im Norden stellte eine Bedrohung dar, dazu der warme Wind. Er würde bald nicht mehr warm, sondern eisig kalt sein. Was da herankam, erinnerte mich an jenes Unwetter im Talkessel. Dass es noch schlimmer sein würde, malte ich mir nicht einmal jetzt aus.

      Ich musste sehen, dass ich hinunterkam, bevor der Wind diese schwarzen Wolken bis hierher getrieben hatte. Der Abstieg aus dieser Höhe war nicht ungefährlich. Und schon gar nicht, wenn es womöglich anfing zu gießen.

      Ich Optimist dachte noch an Regen. Dass es in dieser Höhenlage im Sommer auch schneien konnte, hätte ich eigentlich wissen müssen.

      Bis zu unserem Lager hatte ich eine Stunde Weges. Trotzdem beeilte ich mich, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, auf halber Strecke vom Unwetter überrascht zu werden.

      So schnell ich auch kletterte, die Wolken waren schneller da. Zu allem Überfluss hatte ich eine lange Kletterpartie zurückzulegen, wo mich der Nordwind voll traf. Und der war längst nicht mehr warm, sondern eisig kalt.

      Ich hatte keine Handschuhe. Wer denkt im Sommer an so etwas? Mir wurden beizeiten die Hände klamm, und der Wind schien immer kälter zu werden.

      Da lag noch eine Steilwand unter mir, an der ich hinunterklettern musste. Zwar hatte ich ein Lasso mitgenommen, aber es war nicht lang genug, um mich daran abzuseilen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu klettern. Ich hatte die Ziege huckepack auf meinem Rücken festgebunden, um besser klettern zu können. Es war weniger das Gewicht des Tieres, was mich behinderte, als die Angriffsfläche, die ich damit dem Wind bot. Er war stürmisch geworden. Böen fegten den Felsen entlang, und nun klatschte mir auch schon Regen ins Gesicht.

      Mit dem Regen hatte ich es nicht lange zu tun, das dauerte nur ein paar Minuten, dann wurde es Schnee. Der eisige Wind trieb ihn horizontal gegen die Felsen. Und dort blieb er liegen.

      Ich drohte abzurutschen, fand nur noch schlecht Halt für die Mokassins. Und meine Hände waren mittlerweile so klamm geworden, dass ich fürchtete, nicht richtig zupacken zu können.

      Es war noch ein ganz schön langes Stück bis nach unten, und zum ersten Mal bei dieser Kletterpartie spürte ich so etwas wie Angst, womöglich nicht heil dort unten anzukommen.

      Es muss einfach gehen, sagte ich mir und zwang mich dazu, die Schmerzen in meinen Händen zu überwinden. lch muss es schaffen, verdammt, ich muss es schaffen!

      Mir war, als würde der Wind noch kälter. Der Schnee peitschte mir ins Gesicht. Der ganze Felsen war weiß. Ich selbst war ebenfalls weiß. Und nun begann der Felsen auch noch zu vereisen. Meine Fingernägel, die sich in diesem Eis festkrallten, brachen ab. Die Finger bluteten, waren aufgerissen. Einmal rutschte ich mit dem Fuß aus und drohte schon abzustürzen. Um mich überhaupt halten zu können, krallte ich meine Finger in den Felsen, als wären es Stahlhaken. Danach hatte ich wieder zusätzliche Risse in den Händen und eingerissene Fingernägel, aus denen es blutete.

      Plötzlich rutschte ich wieder, verlor den Halt und stürzte in die Tiefe.

      Ich schlug mit dem Rücken zuerst auf, aber die tote Ziege dämmte den Aufprall.

      Ein paar Sekunden lag ich wie benommen und war, als ich die Fassung wiedergewann, fast völlig mit Schnee bedeckt. Ich richtete mich auf und betastete meine Glieder und schien unwahrscheinliches Glück gehabt zu haben. Ich konnte mich bewegen; offenbar hatte ich nichts gebrochen. Da war nur ein dumpfer Schmerz am linken Schulterblatt.

      Du hast noch mal Schwein gehabt, sagte ich mir und marschierte los. Überall lag jetzt Schnee. Ich konnte kaum richtig sehen, so dicht wehten die Schneeschaueri Noch hatte ich die Möglichkeit, mich zu orientieren. Aber dann nahm das Schneetreiben noch mehr zu. Ich blieb stehen und suchte nach dem richtigen Weg. Musste ich nach links? Waren das die Büsche, die ich vorhin gesehen hatte, als ich heraufgestiegen war?

      Nein, ich musste doch mehr nach rechts. So hatten die Büsche nicht ausgesehen. Aber dieser Felsen da drüben, der so weiß herausragte aus allem, an dem bin ich doch vorhin vorübergekommen. Nein, das ist auch falsch. Der Felsen hatte ganz anders ausgesehen.

      Alles täuschte, denn nun, als alles mit Schnee bedeckt war, sah das meiste anders aus als vorher. Und überdies wurde die Sicht immer schlechter, das Schneetreiben immer dichter. Der Sturm heulte. Losgerissene Büsche fegten an mir vorbei. Tumbleweeds nennt man die.