Herbstverwesung. Stefanie Randak. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefanie Randak
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783962298531
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fragte Richard. Eleonora sah aus dem Fenster. Draußen regnete es und es schien windig zu sein. „Das wäre nett“, antwortete sie deshalb. „Kein Problem. Und vergiss die Puppe nicht“, meinte Richard und deutete grinsend unter den Tisch.

      Dann fuhr er Eleonora in seinem kleinen Sportwagen durch den Londoner Regen nach Hause zu ihrer Wohnung, wo bestimmt Lorenzo schon auf sie wartete.

      „Liebste Eleonora, es war schön, dich kennen lernen zu dürfen. Ich wünschte nur, es wäre unter anderen Umständen passiert. Melde dich doch, wenn du mal wieder Lust hast, jemanden auszuquetschen“, zwinkerte er und gab ihr seine Visitenkarte.

      „Das mache ich bestimmt“, lachte Eleonora und stieg aus. Richard war ein richtiger Charmeur. Nicht zu aufdringlich, dennoch aufmerksam. Sie blieb so lange im Regen stehen, bis die roten Lichter des Sportwagens in der Dunkelheit verschwunden waren.

      Eleonora trottete die vielen Stufen nach oben in ihre Wohnung. Sie hatte den ganzen Nachmittag über im Cafe Fresh vergessen, dass sich in ihrer Manteltasche noch das Küchenmesser befand. Das Küchenmesser, und noch etwas. Der Schlüssel aus Misses Greenwoods Schlafzimmer, dessen Zugehörigkeit noch ein Geheimnis seiner Eigentümerin war. Die Wohnung war noch leer, Lorenzo war wie so oft noch nicht zu Hause. Eleonora war genervt. Bis er die Wohnung betreten würde, war sie vermutlich schon längst im Bett und schlief. Den mysteriösen Schlüssel würde sie erst einmal in der Manteltasche lassen. Lorenzo musste immerhin nicht alles wissen.

      „Und nun zu dir, Mirabell“, meinte Eleonora angeekelt und nahm die Schatulle. Wo sollte sie die nur hintun? In den Keller wollte sie jetzt auch nicht mehr, es war schon spät und es war dunkel. Dort unten gab es meist kein Licht und von dunklen Räumen hatte sie nach dem heutigen Tag wirklich mehr als genug. Sie ging ins Schlafzimmer und hob die Schatulle auf den Schrank. Lorenzo sollte nichts von der Puppe erfahren. Sie würde sie gleich morgen in den Keller hinunterbringen.

      Nach einer heißen Dusche, unter der Eleonora all die Geschehnisse des Tages noch einmal revue passieren ließ, schlüpfte sie todmüde ins Bett. Alleine, wie so oft. Er hätte wenigstens anrufen können. Oder eine kurze Nachricht schreiben können, dachte Eleonora wütend. Ihr Blick wanderte durch das Schlafzimmer. Immer, wenn Eleonora alleine einschlafen musste, zündete sie zuvor ein paar Kerzen an. Denn wenn es ganz dunkel war, konnte sie nicht einschlafen. Sie beobachtete die flackernden Lichter, die beruhigend warm zu ihr herüber schienen. Ihr Blick fiel auf die Schneiderpuppe, die neben der Tür stand. Diese war aktuell stolzer Träger ihres Hochzeitskleides. Es war so schön. Es war strahlend weiß und im sanften Kerzenlicht schimmerten die vielen kleinen Swarowski-Steinchen noch mehr als bei Tageslicht. Dann sah sie auf den Schrank hinauf zur Schatulle. Da lag also eine Puppe oben. Mirabell. Eingebettet wie in einem Sarg. Warum nur war ihr das so unangenehm? Eleonora drehte sich von einer Seite auf die andere. Was, wenn dieses Ding wirklich nachts auf eine gewisse Art und Weise lebendig wurde? Nein, völliger Unsinn.

      „Mio dio! Jetzt reiß dich mal zusammen!“, schimpfte Eleonora sich selbst.

      Hoffentlich würde Lorenzo bald nach Hause kommen. Bald würde er da sein und sich neben sie legen und auf sie aufpassen.

      Nein, Eleonora konnte nicht einschlafen. Sie stand auf, knipste das Licht an und holte diese verdammte Schatulle vom Schrank. Aus dem Wohnzimmer holte sie schnell dickes, stabiles Paketband. Sie umwickelte die gesamte Schatulle damit, als wäre eine Bombe darin. Kreuz und quer, Hauptsache sie war irgendwie verschlossen.

      „Principessa?“, hörte sie da Lorenzo rufen. „Eleonora? Bist du zu Hause?“

      Mist. Er kam jetzt wirklich zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

      „Im Schlafzimmer!“, rief sie und schob die verschlossene Schatulle in ihrer Not schnell unter Lorenzos Bett. Gerade noch rechtzeitig, denn Lorenzo kam gerade ins Schlafzimmer gestiefelt.

      „Wie war dein Tag? Bist du in dem Schloss gewesen?“, fragte er und ließ sich aufs Bett plumpsen.

      „Ja, ich bin im Schloss gewesen“, antwortete Eleonora und setzte sich auf seinen Schoß. Hoffentlich würde er keine weiteren Fragen stellen. Ihm würde es weder gefallen, dass sie eine entstellte Puppe mit nach Hause gebracht und unter dem Ehebett versteckt hatte, noch dass sie den Nachmittag im Cafe Fresh mit Richard Walker, einem fremden, attraktiven Mann verbracht hatte. Lorenzo war ein sehr liebevoller Mensch, kümmerte sich stets um alles, worum ihn seine Prinzessin bat und hatte einen wirklich gutmütigen Charakter. Doch er konnte sehr besitzergreifend sein, sehr stur und wenn es um Eleonora ging, die sich in ein gefährliches Abenteuer ritt, würde er keinerlei Verständnis zeigen können. Das junge Paar war sehr temperamentvoll, beide konnten sehr dickköpfig sein, und wenn es zwischen den beiden mal zum Streit kam, dann flogen die Fetzen so richtig. Eleonora strich ihrem Verlobten durch die schwarzen, dichten Haare.

      „Wie war die Arbeit?“, fragte sie, um ihn davon abzuhalten, weiter nach ihrem Tag zu fragen.

      Lorenzo lag am Morgen noch im Bett, als seine Prinzessin schon am Herd stand und Spiegeleier briet. Sie sah müde auf die Uhr. Fünf Uhr morgens. Sie wollte ein richtig schönes Frühstück für ihren Schatz zaubern, und ausgiebig mit ihm frühstücken. Er fehlte ihr so, nie hatte er Zeit. Und wenn er eben abends keine Zeit mehr für ein gemeinsames Essen hatte, dann würde er sich ab sofort in aller Früh mit ihr an einen Tisch setzen müssen und mit ihr frühstücken müssen. Und wenn das bedeutete, sie musste um fünf Uhr morgens aufstehen. Außerdem war das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages, und heute war es besonders wichtig, gut gestärkt in den Tag zu starten. Lorenzo hatte eine Konferenz und auch Eleonora hatte Pläne: Heute würde sie endlich beginnen, ihr Buch zu schreiben. Sie hatte von der Greenwood so viele Informationen bekommen, und Richard Walker hatte ihr gestern die noch fehlenden Puzzleteile auf einem Silbertablett serviert. Sie musste sich nur noch an ihren Bürotisch setzen und starten.

      „Eleonora, warum bist du schon wach?“, taumelte Lorenzo im Pyjama in die Küche.

      „Ich dachte, wir frühstücken ab jetzt gemeinsam“, lächelte seine Verlobte und holte die aufgebackenen Croissants aus dem Ofen.

      „Das ist lieb von dir.“, entgegnete Lorenzo und setzte sich müde an den Tisch. „Ich habe schreckliche Rückenschmerzen“, klagte er und stützte den Kopf auf die Hände.

      Er sah furchtbar aus. Die Augen nicht nur müde, richtig aufgequollen und die Haut blass.

      „Bekommst du Grippe? Soll ich zur Apotheke?“, Eleonora machte sich Sorgen. Ihr Schatz wurde nur sehr selten krank.

      „Nein, ich bin nicht krank. Aber ich fühle mich, als hätte irgendwas die ganze Nacht in meinen Rücken gestochen“

      „Hattest du das schon mal?“

      „Nein, ich schlafe normalerweise immer gut. Wahrscheinlich ist es der Lattenrost, wir sollten einen neuen besorgen“, er wankte zur Kaffeemaschine und hielt sich mit einer Hand die schmerzende Stelle.

      Eleonora wurde unruhig. Etwas in den Rücken gestochen. Etwas, das vorher noch nie da gewesen war. Unter Lorenzos Bett lag die Schatulle mit Mirabell.

      „Eleonora, ist alles in Ordnung?“, Lorenzo nahm sie in den Arm. Jetzt war es Lorenzo, der besorgt aussah.

      „Ja. Es ist alles in Ordnung, ich habe mir nur gerade überlegt, wo die nächste Apotheke ist“, sie setzte ein Lächeln auf und legte liebevoll die Croissants zusammen mit einigen Brotscheiben in ein Körbchen.

      „Wahrscheinlich liegt es am Lattenrost.“

      Lorenzo marschierte trotz den Rückenschmerzen zur Arbeit und ließ Eleonora mit ihren Sorgen und ihren Gedanken alleine zurück. Als die Küche wieder ordentlich war, setzte sie sich voller Eifer und Tatendrang an den Schreibtisch. Endlich konnte sie mit ihrem neuen Buch anfangen. Sie hatte so viele Informationen, die sie unterbringen wollte. Sie hatte hier in London so viele Leute kennen gelernt. Lucas aus dem Cafe Fresh, der sie immer so freundlich bediente und ihr leckere Cupcakes empfahl. Den Polizisten Frank Harris, der ihr nicht glaubte und den Red Side Fall einfach aufgegeben hatte. Richard Walker, der ihr so offen und ehrlich all ihre Fragen beantwortet hatte und natürlich die alte Elisabeth Greenwood und ihre unheimlichen Puppen