"Nein", murmelte der junge Jäger. "Das brauchst wirklich net mehr! Jetzt ist mir alles klar." Er wandte sich an seinen Bruder. "Tut mir leid, dass ich dich in Verdacht hatte, aber..."
"Ist schon gut, Max! Ich hätte an deiner Stelle net anders gedacht!"
Der Sepp machte eine ärgerliche Geste und warf wütend den dunkelroten Hut in die Ecke.
"So hast du mich also erwischt, Max!", murmelte er. "Zu dumm! Ich hätt' hier in der Hütte vom alten Greindl keinen Unterschlupf suchen sollen!"
Max hatte noch immer nicht so recht verdaut, dass es sein Jugendfreund war, hinter dem, er die ganze Zeit über vergeblich hergejagt war.
"Der Toni hat mir gesagt, dass er dich verdächtigt", murmelte er kleinlaut. "Aber ich hab's einfach net glauben wollen!"
Der Großknecht vom Bernmayer-Hof sah ziemlich geknickt aus.
"Du musst net zu schlecht von mir denken, Max!", versuchte Sepp seine Handlungsweise zu erklären. "Ich weiß, das ich im Unrecht bin, aber..."
Er schluckte.
"Ja?", fragte Max.
"Du kennst doch sicher die Vroni, die Tochter vom Riedlinger..."
"Freilich kenne ich die!", bestätigte Max. "Wir wollen heiraten und für den Anfang, da braucht man schon etwas Geld. Verstehst mich?"
Max nickte.
"Aber doch net auf die Art!"
"Das ist mir jetzt auch klar. Aber wenn man einmal angefangen hat und es dann immer wieder glatt über die Bühne geht, ohne dass man erwischt wird... Vielleicht verstehst mich wenigstens ein bisserl, Max!"
Max brummte etwas Unverständliches vor sich hin, dann tat er die Flinte zur Seite und drehte sich wieder um Fenster. Er schien nachzudenken.
Als er sich dann wieder halb herumdrehte, fragte er: "Was glaubst du, wie es jetzt weitergehen soll, Sepp?"
Der Sepp zuckte die Schultern, kam etwas näher und setzte sich dann auf den Stuhl.
Er seufzte schwer und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
"Wir sind Freunde, Max. Seit frühester Jugend. Und deshalb kann ich net von dir verlangen, dass du einfach die Augen zumachst und so tust, als wär' nix gewesen! Wenn das dann herauskommen sollte, bist du dran! Wahrscheinlich müsstest du sogar deinen geliebten Beruf aufgeben - und das wär' die Sach' nun wirklich net wert." Einen Moment noch schien der Großknecht vom Bernmayer-Hof mit sich zu ringen, bevor er seinen Entschluss schließlich herausbrachte: "Ich werd' mich selber stellen", erklärte er. "Du kannst dich da auf mich verlassen, Grünrock!"
Max nickte.
"Gut, dann tu das", sagte er.
"Was wird mich erwarten?", fragte der Sepp.
"Ein Verfahren wegen Wilderei wird man dir net ersparen können. Aber wenn du dich selber stellst, wirst wohl glimpflich davonkommen", erwiderte der Jäger.
"Wirst ein Wörtl für mich einlegen, Max?"
"Sicher doch!", nickte der Max. "Aber jetzt musst mir erst noch helfen! Der Toni ist schwer verletzt und mit deiner Hilfe wird's sicher leichter, ihn ins Tal zu schaffen!"
Ein mattes Lächeln ging über das Gesicht des Großknechts.
"Gewiss", murmelte er.
"Was habt ihr vor?", fragte indessen der Toni vom Bett aus.
"Wir werden uns in der Hütte ein wenig umsehen. Vielleicht finden wir ja etwas, woraus wir eine Art Trage machen können!"
18
"Endlich scheint das Unwetter nachzulassen", sagte die Marianne, während sie am Fenster stand hinaus zu den drohenden Wolken blickte.
"Mei, so ein Wetter hatten wir schon lang net mehr!", hörte sie die Stimme des Vaters. "Wie gut dass wir kein Heu mehr draußen hatten!"
"Ja", bestätigte die Mutter. "Das hätt' was gegeben."
"Was meinst? Ob der Max jetzt wohl da oben im Hochwald ist?", fragte die Marianne laut an den Vater gewandt.
"Ich weiß net", meinte dieser und zuckte die Schultern. "Es ist sein Beruf."
Jetzt mischte sich die Bäuerin ein.
"Mei, ich weiß gar net, warum sich das Madel noch so große Gedanken um den Max macht, wo er doch ganz augenscheinlich mit ihr gebrochen hat und nix mehr mit ihr zu tun haben will! Verstehst du das, Loisl?"
"Gedanken machen darf sich das Madel doch um wen sie will", meinte der Vater augenzwinkernd. "Außerdem ist's doch mit den Gefühlen net so, dass man sie an und ausschalten kann wie einen Lichtschalter!" Der Bernmayer-Bauer wandte sich an seine Tochter und versuchte sie ein wenig zu beruhigen. "Ich würd' mir keine Sorgen um den Max machen, Madel! Der weiß schon auf sich aufzupassen, der junge Grünrock! Ich glaub net, dass dem so schnell etwas zustoßen kann! Da bin ich mir ganz sicher!"
"Meinst du wirklich, Vater?", fragte Marianne.
"Aber gewiss doch!", bestätigte der Bernmayer und steckte sich dabei die Pfeife in den Mund.
"Bei so einem Wetter ist es da droben net ungefährlich!", gab die Marianne unterdessen zu bedenken.
"Madel, wenn er wirklich da oben ist, wird er sich schon einen geeigneten Unterschlupf gesucht haben. Die Hütte vom alten Greindl zum Beispiel. Die steht doch schon seit Jahren leer."
Einen Moment später klopfte es an der Tür.
"Wer kann das sein?", fragte die Mutter.
Der Bauer erhob sich und zuckte die Schultern. "Vielleicht ist es der Sepp! Kann ja sein, dass er früher zurückgekommen ist, weil er sich mit dem Madel zerstritten hat, hinter dem er seit einiger Zeit her ist!"
Aber die Marianne schüttelte den Kopf.
"Ich glaube net, dass es der Sepp ist", meinte sie. "Der würde bei uns doch net klopfen!"
Der Bauer ging zur Tür und öffnete.
Inzwischen hatte der Regen fast ganz aufgehört. Der düstere Himmel war aufgerissen und die ersten Sonnenstrahlen kamen hervor.
Sicher würde man bald einen wunderschönen Regenbogen bewundern können.
Draußen vor der Tür stand ein kleiner, hagerer Mann mit struppigem Bart.
Der Bauer kannte ihn nur zu gut. Es war der Franz vom Riedlinger-Hof.
"Grüß dich, Bernmayer!", sagte dieser.
"Grüß dich, Franz!", gab der Bernmayer-Loisl zurück. "Was führt dich bei diesem Sauwetter zu mir auf den Hof?"
"Ich komme gerad' vom Kreuztal her. Es hat einen Erdrutsch gegeben."
"Was?", entfuhr es dem Bernmayer-Loisl.
"Du kennst sicher den Westhang, an dem die Hütte vom alten Greindl liegt!"
"Freilich kenne ich die!", bestätigte der Bernmayer.
Franz nickte. "Dort ist das