»Die ist doch in Ordnung, daran gibt es doch überhaupt nichts auszusetzen«, meinte Therese Mansfeld.
»Und so soll es auch bleiben«, erwiderte die Medizinerin. »Was haben Sie mit mir vor? Soll ich aus dem Leim gehen beziehungsweise aus allen Nähten platzen?«
»Davon kann doch überhaupt keine Rede sein«, erwiderte Frau Mansfeld. »Ich finde, dass diese eine Sünde Sie nur noch schöner machen würde.«
»So? Finden Sie? Na ja, wenn Sie es sagen. Ich kann ja heute Abend ein paar Kalorien streichen«, entgegnete die Ärztin.
»Also mit Schlagsahne«, sagte die Haushälterin strahlend. »So gefallen Sie mir schon besser.«
In ihren Augen gab es keine dicken Menschen, sondern nur gemütliche und ungemütliche, leidliche und unleidliche. Letztere waren jene, die immer mit knurrendem Magen herumliefen, weil sie auf ihre Figur achteten, und da ihre Nerven nicht in Fett gebettet waren, explodierten sie bei jeder Kleinigkeit.
Sie brachte Kuchen und Kaffee, und Dr. Katja Anders seufzte, als sie den großen weißen Sahneberg sah, mit dem es die Haushälterin eindeutig zu gut gemeint hatte.
16
Den Nachmittag verbrachte Katja mit ihrem kleinen Sohn. Als Robert Anders nach Hause kam, war es für das Kind schon wieder Zeit, zu Bett zu gehen.
Katja hob ihm das Kind entgegen. »Gib deinem Wochenendvati einen lieben Kuss.«
Dr. Anders nahm ihr den Jungen aus den Händen und wippte mit ihm so lange, bis er lachte.
»Was heißt Wochenendvati?«, fragte er erstaunt.
»Von Montag bis Freitag kriegt er nicht viel von dir zu sehen«, gab seine Frau zur Antwort.
»So ist das auf der ganzen Welt, wenn der Vater berufstätig ist«, verteidigte sich Robert. »Aber wenn du möchtest, steige ich aus. Ich lasse die Wald-Klinik, sämtliche Kolleginnen und Kollegen und alle Patienten im Stich, und wir ziehen auf eine Insel, auf der es keine Menschen und kein Telefon gibt. Dort kann ich mich dann rund um die Uhr meiner Familie widmen. Würde dir das gefallen?«
»An welche Insel hast du gedacht?«, wollte Katja wissen und lächelte.
»Ich überlasse es dir, die geeignetste auszuwählen. Sobald du sie gefunden hast, gib mir Bescheid«, meinte der Chirurg.
Katja Anders knuffte ihren Mann. »Du kannst doch keinen Tag ohne deine Klinik sein.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Dr. Robert Anders im Stil einer Presseentgegnung. »Wahr ist vielmehr, dass ich unseren letzten Urlaub sehr genossen habe.«
»Weil diese rothaarige Hexe ständig um dich herum schwänzelte und dir mit ihren Kuhaugen schmachtende Blicke zuwarf. Denk ja nicht, ich hätte es nicht gesehen«, sagte die Ärztin.
»Du hast nie darüber gesprochen«, entgegnete der Chefarzt der Wald-Klinik.
»Ich wollte nicht, dass du dich über mich lustig machst«, sagte Katja. »Inzwischen ist jedoch so viel Gras über die Angelegenheit gewachsen, dass ich es dir ruhig und ohne flammende Eifersucht sagen kann: Ich bin nicht blind.«
»Du wirst es nicht glauben, aber das ist mir schon aufgefallen.«
»Ich sehe alles - wenn ich auch nicht immer darüber rede. Und ich habe gesehen, dass dir das Getue dieser Sirene nicht im geringsten unangenehm war«, verteidigte sie sich lautstark.
Robert schmunzelte. »He, du bist ja immer noch eifersüchtig. Ich schlage vor, wir bringen den Jungen gemeinsam ins Bett und unterhalten uns anschließend ausführlich über dieses Thema.«
»Ich fürchte, ich werde dich enttäuschen. Dieses Thema ist für mich nämlich längst gestorben«, erwiderte die gutaussehende Internistin.
»Aber du hast es doch eben erst angeschnitten«, erwiderte Robert.
»Nur, damit du weißt, dass der liebe Gott und ich alles sehen.«
Sie trugen das Kind nach oben und legten es ins Bett, dann küssten sie den Kleinen, wünschten ihm angenehme Träume und verließen das Zimmer.
Draußen schlang Robert seine Arme von hinten um Katja und zog sie sanft an sich. Er roch den betörenden Duft ihres blonden Haares und küsste mit weichen Lippen ihren Hals.
Er wusste, dass sie das gern hatte. »Ich liebe dich, mein Herz. Daran können hundert rothaarige Hexen nichts ändern.«
Als er merkte, dass sie sich umdrehen wollte, lockerte er den Griff. Katja wandte sich ihm zu.
»Ich wünschte, alle könnten so glücklich sein wie wir, Robert«, sagte sie ehrlich und strahlte.
Er küsste sie zärtlich auf die vollen Lippen. Es war so wunderschön, von Robert geküsst zu werden.
Katja genoss es, und ihr war, als würde der Kuss die Zeit anhalten. Roberts Handrücken glitt über Katjas Wange, es war eine liebevolle Geste.
Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück, und Robert fragte schmunzelnd: »Worüber wollten wir doch gleich reden? Ach ja, über die rothaa ...«
Katja hob die Faust und schüttelte sie. »Untersteh dich! Mach die schöne Stimmung nicht kaputt, sonst werde ich zur Furie.«
Er setzte sich, und seine Frau nahm neben ihm Platz. Wie immer, wenn ihn etwas beschäftigte, musste er es loswerden, und seine Frau war eine hervorragende Zuhörerin.
»Stelle dir vor, heute fragte mich ein Patient, ob ich die Operation, die wir an ihm durchführen werden, auf Videokassette aufzeichnen und ihm beim Verlassen des Krankenhauses mit nach Hause geben würden. Ich sagte nein, so etwas würden wir nicht machen. Er war empört, nannte uns Hinterwäldler, fragte, ob wir hinter dem Mond leben würden, in Amerika sei das gang und gäbe. Er sagte, er würde uns seine eigene Videoausrüstung leihen, und als ich ablehnte, war er fuchsteufelswild. Er war nahe daran, die Wald-Klinik zu verlassen. Ich hätte ihn nicht daran gehindert.«
»Warum ist er geblieben?«, wollte die Medizinerin wissen.
»Er hatte sich dermaßen aufgeregt, dass sich sein Zustand erheblich verschlechterte und ihn dazu zwang. Wir nehmen ihn morgen unters Messer - ohne Videoaufzeichnung. Ich bin schließlich kein zweiter Professor Brinkmann«, gab der Chirurg zur Antwort.
»Nicht alles, was aus Amerika kommt, ist gut«, sagte Katja.
»Manche Dinge treiben dort drüben recht bizarre Blüten. Nicht einmal ich, der an diese Dinge gewöhnt ist, würde mich vor den Fernsehapparat setzen und zusehen, wie man mir den Bauch aufschneidet.«
»Mich würde so etwas auch nicht interessieren«, meinte die Ärztin.
»Solange ich die Wald-Klinik leite, werden im OP keine Videokameras installiert, das kannst du von mir schriftlich haben«, sagte Robert energisch.
»Auch dann nicht, wenn sie rein medizinischen Zwecken dienen würden?«, fragte Katja Anders.
»Das wäre natürlich etwas anderes, aber wir sind bisher sehr gut ohne TV-Kameras ausgekommen, und ich denke, dass wir sie auch in Zukunft nicht brauchen