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Tags darauf traf auf der Insel noch jemand ein, der es in Deutschland einfach nicht mehr allein ausgehalten hatte: Tommy Lindner. Allerdings stieg er in einem anderen Hotel ab, weil er zunächst einmal aus sicherer Entfernung die Lage abchecken wollte.
Die neuen Gäste wurden in der Hotelbar mit einem Drink begrüßt. Unter ihnen befand sich auch die kokette rotblonde Angie Quaid, die sogleich mit Tommy anzubändeln versuchte. Ihr Deutsch war deshalb so akzentfrei, weil ihre Mutter in Bonn geboren war. Das und noch viel mehr erfuhr Tommy innerhalb weniger Minuten von ihr, obwohl es ihn nicht interessierte. Wenn Marina Hagen in seinem Leben keine so große Rolle gespielt hätte, wäre er einem heißen Urlaubsflirt mit der schönen, kontaktfreudigen Angie nicht abgeneigt gewesen. So aber hatte die ungewöhnlich erlebnishungrige Engländerin bei ihm keine Chance.
Die Zimmerschlüssel wurden ausgegeben, und Tommy zog sich als erster zurück. Zu wissen, dass er sich mit Marina auf derselben Insel befand, rief ein eigenartiges Kribbeln in ihm hervor. Er war Marina aufregend nahe. Wenn er sich einer Schuld bewusst gewesen wäre, hätte er sich nicht hierher gewagt. Aber er hatte ein reines Gewissen, und das musste Marina endlich zur Kenntnis nehmen. Er wollte sie zurückgewinnen, denn er wollte ohne sie nicht leben. Sie musste ihn anhören und begreifen, dass er nur sie und keine andere Frau auf der Welt liebte.
Eine verrückte Situation war das. Geplant war eine gemeinsame Reise nach Griechenland gewesen, und nun befanden sie sich getrennt auf Teneriffa.
»Das muss sich ändern«, murmelte Tommy entschlossen, »und zwar so bald wie möglich.«
Tommy trat auf den Balkon und schaute auf eine große Bananenplantage hinunter. Vom Balkon am Ende des Flurs musste Marinas Clubanlage zu sehen sein.
Er verließ das Zimmer, ohne die Tür abzuschließen. Tatsächlich sah er von diesem anderen Balkon aus die hübsch zwischen hohen Teneriffapalmen angeordneten weißen Bungalows. In einem davon wohnte Marina mit ihrer Mutter. In welchem? Tommy hätte jetzt gern ein Fernglas gehabt, um sich einen detaillierteren Überblick verschaffen zu können. Vielleicht hätte er sogar Marina gesehen.
In Gesellschaft eines anderen Mannes!, durchzuckte es ihn plötzlich. Nimmst du im Ernst an, sie ist allein? Marina ist eine Schönheit. Sie kann überall aus Dutzenden von Verehrern wählen. Wohin sie auch kommt, sie hat es nie schwer, sofort Anschluss zu finden. Du musst davon ausgehen, dass sie sich mit Sicherheit nicht langweilt. Sie wartet hier nicht sehnsüchtig auf dich!
Unglücklich kehrte Tommy in sein Zimmer zurück. Jedenfalls hatte er diese Absicht, aber er irrte sich in der Tür und gelangte in Angie Quaids Zimmer. Ehe ihm das bewusst wurde, stand er bereits mittendrin - und der hübschen, halbnackten Engländerin gegenüber. Verlegen starrte er sie an. Sie trug einen winzigen weißen Spitzenslip - sehr sexy. Obwohl ihre wohlgeformten Brüste nackt waren, dachte sie nicht daran, ihre Blößen zu bedecken. Ein kleines, verführerisches Lächeln umspielte ihre sinnlichen Lippen. Sie schien diese Überraschung zu begrüßen. »Würdest du die Tür schließen«, bat sie leise.
Tommy blinzelte verwirrt. Angie hatte eine atemberaubende Figur, für die sie sich nicht zu schämen brauchte. Nacktheit schien für sie etwas völlig Natürliches zu sein. Sie fand nichts dabei, wenn ein Mann, den sie so gut wie nicht kannte, sie hüllenlos sah. Ihr Lachen verwirrte ihn noch mehr. »Steh doch nicht da wie ein Ölgötze. Ich bin bestimmt nicht prüde, aber das ganze Hotel möchte ich doch nicht zusehen lassen.«
»Zusehen? Wobei?«, fragte Tommy verstört.
»Bei dem, was du hoffentlich gleich mit mir anstellen wirst.«
»Ich habe nicht vor, mit dir etwas anzustellen ...«
»Oh, das glaube ich dir nicht. Aus welchem anderen Grund solltest du hier sein?«
»Ich habe mich in der Tür geirrt.«
»Originell. Wirklich sehr originell.«
»Es ist wahr.«
Angie kam mit den geschmeidigen Bewegungen einer Raubkatze näher. »Wenn der Zufall schon so klug war, uns zusammenzuführen, sollten wir das Beste daraus machen.«
Ihre direkte Art schockierte Tommy. Ihm war es lieber, wenn eine Frau sich ein kleines Geheimnis bewahrte und sich erobern ließ, anstatt sich anzubieten. Eine hastige Entschuldigung wegen des Missgeschicks hervorstoßend, stürmte er hinaus. Er erfüllte Angie nur einen Wunsch: er schloss die Tür aber von draußen.
24
Der Kellner setzte Angie Quaid am Abend an Tommys Tisch. Sie gab unumwunden zu, ihn darum gebeten und ihm auch ein ansehnliches Trinkgeld dafür gegeben zu haben. Ihr Kleid war tief dekolletiert und gewährte Tommy einen üppigen Einblick.
»Na, hast du den Schock inzwischen überwunden?«, fragte Angie amüsiert. »Ich wusste nicht, dass ich einen so schrecklichen Anblick biete. Was gefällt dir nicht an mir? Du kannst es mir getrost sagen, ich bin nicht zimperlich. Ich vertrage Kritik.«
»Du bist sehr attraktiv ...«, erwiderte Tommy mit belegter Stimme.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mit deinem Aussehen bisher nur hässliche Freundinnen hattest. Wieso bist du so gehemmt?«
»Bin ich nicht.«
Angie richtete den Blick nach oben. »Kein anderer Mann hätte sich die Gelegenheit entgehen lassen. Habe ich etwas an mir, das dich abstößt?«
»Absolut nicht.«
»Woran liegt es dann, dass du in heller Panik aus meinem Zimmer gestürzt bist? Ehrlich gesagt, ich hatte für einige Minuten einen echten Minderwertigkeitskomplex. Wenn mir das öfter passiert, ist es mit meinem gesunden Selbstbewusstsein vorbei.«
»Es tut mir leid, dich mit meinem Benehmen beleidigt zu haben.«
»Es kommt nicht oft vor, dass mir ein Mann so wenig Interesse entgegenbringt. Doch du hast Glück, ich bin nicht nachtragend. Du bekommst eine zweite Chance, weil du mir so gut gefällst.«