»Sehr gut.«
»Wie seid ihr untergebracht?«
»Erstklassig«, antwortete Marina und erzählte ein bisschen, was sie bisher unternommen hatten. Carsten erwähnte sie sicherheitshalber nicht.
»Ich wünschte, ich könnte bei euch sein«, seufzte Volker Hagen.
»Warum steigst du nicht in den nächsten Flieger und kommst her?«
»Das würde ich ja furchtbar gern tun ...«
»Aber?«, fragte Marina.
»Ich weiß nicht, ob ich willkommen bin.«
»Wir vermissen dich.«
»Das würde ich gern von deiner Mutter hören.«
»Du fehlst ihr, das sehe ich ihr an«, behauptete Marina. »Sie ist hier in einer Stimmung ... Also, wenn du mich fragst, waren die Chancen für eine Versöhnung noch nie so groß. Das Flair dieser Insel hat Veronika verzaubert. Hier kann sie dir nicht länger böse sein. Wenn du kämst, würde sie dir wahrscheinlich vor Freude um den Hals fallen.«
Marinas Vater lachte. »Es wäre schon erfreulich, wenn sie nicht sagte, ich solle hingehen, wo der Pfeffer wächst.«
»Das tut sie ganz bestimmt nicht, dafür verbürge ich mich. Du möchtest doch auch, dass wir wieder eine Familie sind. Gib dir einen Ruck! Sag nicht, Veronika soll den ersten Schritt tun. Tu du ihn!«
Hagen zögerte, und Marina fragte sich, was es da zu überlegen gab. Vater hatte immer behauptet, es gebe nichts Wichtigeres als die Familie für ihn. Waren das nur leere Worte gewesen?
»Bist du noch dran?« Marina wartete auf seine Antwort.
»Ja«, antwortete Volker Hagen. »Natürlich bin ich noch dran.«
»Wirst du kommen?«
Er atmete schwer aus. »Na schön, ich komme.«
Marinas Herz machte einen Freudensprung. »Soll ich Veronika darauf vorbereiten?«
»Nein, lass das lieber sein! Ich möchte sie überraschen. Sie soll sich nicht auf meine Ankunft vorbereiten können. Deine Mutter muss man überrumpeln, das weiß ich aus Erfahrung.«
»Wann wirst du eintreffen?«, wollte Marina wissen.
»Kann ich noch nicht sagen.«
»Du möchtest auch mich überraschen, wie?«
»Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen, die keinen Aufschub dulden, aber danach hält mich hier nichts mehr.«
»Ich freue mich auf dich.«
»Und ich mich auf euch«, gab Volker Hagen innig zurück.
21
Marina war noch wach, als ihre Mutter gegen halb vier nach Hause kam. Veronika war rücksichtsvoll leise. Sie holte ihr Nachthemd und stahl sich ins Bad. Wenig später kroch sie neben Marina unter die Decke und seufzte wohlig.
Was mochte sie erlebt haben? War der Abend so verlaufen, wie sie es sich erhofft hatte? Wie hatte sich Carsten benommen? Würde sie darüber sprechen?
Marina wandte sich ihrer Mutter zu. »Ich bin noch wach«, flüsterte sie. »Wenn du noch reden möchtest ...« Sie unterbrach sich, weil ihr die tiefen, regelmäßigen Atemzüge verrieten, dass Veronika bereits eingeschlafen war.
Während des Frühstücks war ihre Mutter ziemlich einsilbig, und auch später gab sie nicht allzu viel von der vergangenen Nacht preis, als Marina sie auszuhorchen versuchte. Ihre Antworten waren sehr allgemein gehalten und gaben keinerlei Aufschluss über das, was sich in Puertos Nachtlokalen abgespielt hatte.
Kommt Vater umsonst nach Teneriffa?, ging es Marina durch den Kopf. Habe ich ihm falsche Hoffnungen gemacht? Lässt sich der Bruch nicht mehr kitten?
Am Nachmittag ging Veronika zum Frisör. Marina lag mit einem Buch am Swimmingpool, in dem Wasserball gespielt wurde. Einer der Animateure hatte zwei Mannschaften zusammengestellt, und die machten nun einen Höllenlärm im Bassin. Ein magerer, blasshäutiger Engländer warf soeben sein drittes viel bejubeltes Tor.
Jemand sprach Marina an. »Hallo!«
Sie ließ das Buch sinken. Vor ihr stand Carsten in bunten Bermuda-Shorts und mit nacktem Oberkörper. Ein Bild von einem Mann! Marina konnte sich dennoch nicht für ihn begeistern, und die unsichtbare Wand, die sie von ihm trennte, war noch dicker geworden, seit er mit ihrer Mutter ausgegangen war.
»Na, wie war’s gestern Abend?«, fragte sie reserviert:
»Nicht übel. Veronika versteht es, Feste zu feiern. Schade, dass du nicht dabei warst.«
Aha, dachte Marina. Nach Veronika stehe ich auf seiner Abschussliste. Zuerst die Mutter, dann die Tochter. Er lässt nichts aus.
»Ich hätte doch nur gestört«, erwiderte sie.
Carsten schüttelte den Kopf. »Wobei?«
»Beim Feiern.«
Carsten versicherte ihr, dass es trotz aller Ausgelassenheit sehr gesittet zugegangen. wäre. Marina atmete innerlich auf, und der Animateur wurde ihr gleich wieder ein wenig sympathischer. Er hatte die Situation nicht ausgenutzt, das rechnete sie ihm hoch an.
Carsten lächelte sie an. »Deine Mutter ist eine großartige Frau, und ich bin sehr stolz darauf, dass sie mir erlaubte, mit ihr auszugehen. Ich mag sie sehr. Aber dich mag ich mehr, Marina. Wir passen ... altersmäßig besser zusammen. Damit will ich nicht sagen, dass Veronika ... Na ja, du weißt schon ... Sie wirkt noch sehr jugendlich, aber ... Ohne ihr wehtun zu wollen, muss ich doch sagen ...«
»Du brauchst es nicht auszusprechen«, fiel ihm Marina ins Wort. »Ich weiß, was du meinst.«
Er nickte. »Was uns beide betrifft ...«
»Vergiss es!« Marina schüttelte den Kopf.
Er sah sie befremdet an. »Was hast du gegen mich?«
»Nichts. Du scheinst okay zu sein.«
»Ich bin es.«
»Dein Job bringt es mit sich, dass du dich ständig nach einer neuen Freundin umsehen musst. Die eine reist ab, die andere kommt. Nun hast du mich im Visier, und wenn mein Urlaub zu Ende ist, suchst du dir das nächste Opfer.«
»Opfer ist nicht der richtige Ausdruck. Schließlich habe nicht nur ich etwas von einer solchen Beziehung. Man nimmt und gibt ... Warum können wir’s nicht einfach genießen, solange es dauert?«
»Und hinterher?«
»Keine Schuldgefühle, keine Verpflichtungen, keine Tränen.«
»Es war sehr schön mit dir. Mach’s gut! Vielleicht sieht man sich mal wieder ... Tut mir leid, aber so locker kann ich das nicht nehmen.«
»Ich habe dich anders eingeschätzt«, meinte Carsten.
Eine Brünette mit einem Bikini, der mehr enthüllte als verbarg, ging vorbei. »Hallo, Carsten.«
Er drehte sich um. »Hallo, Yvonne. Wie geht’s?«
»Prima.