Zwei wie Zucker und Zimt. Zurück in die süße Zukunft. Stefanie Gerstenberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefanie Gerstenberger
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783401805153
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einem sahnigen Milchshake von McDonald’s und Mama sollte gehen. Langsam klappte ich den Laptop auf.

      »Das … das mit eben tut mir leid«, wisperte meine Mutter und streckte den Kopf ins Zimmer.

      »Mama!« Meine schlechte Laune kochte erneut in mir hoch. Warum entschuldigte sie sich dauernd? Oh, was war das? Timo war gerade online auf Facebook! Ich drehte mich widerwillig zu Mama, deren Augen aussahen, als hätte sie geweint.

      »Ich weiß, ich bin nicht gerade gut darin, Dagmar zu widersprechen. Doch heute hat sie es übertrieben.«

      »Der Finne?« Jetzt hatte ich doch ziemlich Mitleid mit ihr.

      »Sie hat die Karte weggeworfen, die er mir gegeben hatte. Ich kann ihn noch nicht mal anrufen.«

      Mein Mitleid verdünnisierte sich und ich verdrehte die Augen. Das hättest du doch sowieso nicht getan. Mama schlich herein und setzte sich auf das Bett. Sie legte sich das Album auf den Schoß und hielt sich daran fest. »Wir werden gehen! Weg aus Godesbach. Es reicht mir. Ich meine es ernst, Charlott’!«

      Nur manchmal sprach Mama meinen Namen französisch aus, und zwar dann, wenn sie etwas super-, superernst meinte. So wie jetzt. Ich wollte teilnahmsvoll klingen, doch ich brachte nur ein Krächzen zustande. »Nee, oder?«

      »Doch! In Köln gibt es bei Lidl noch Jobs. An der Kasse.«

      »Lidl

      »Ja, ich weiß, das hört sich nicht besonders toll an. Aber find mal was als ungelernte Kraft! Trotzdem: Das kann alles nur besser als hier sein!«

      »Köln!« Köln war über achtzig Kilometer weg!

      »Also nicht direkt Köln. Köln-Porz. Da sind wir ganz nah beim Flughafen, das ist doch praktisch, oder …«

      Doch ich hörte schon gar nicht mehr hin. Porz oder Schnorz, völlig egal, was sollte ich da? Was würde aus Timo und mir? Etwas legte sich auf meine Brust, schwerer als ein nasser Teppich.

      »Fällt dir nichts anderes ein, als vor Tante Dagmar abzuhauen? Nur weil sie eine dumme Visitenkarte zerrissen hat?«

      »Zerrissen und im Klo runtergespült!« Mama schnappte sich ein Kissen und vergrub ihr Gesicht darin. Oh Gott, wer war hier eigentlich die Pubertierende? Ich? Oder diese zwei reifen Frauen, mit denen ich zusammenwohnen musste? Jedenfalls stand das neuerdings auf Mamas Gesichtscreme: für reife Haut. Na gut, meine Mutter war erst neunundvierzig, darauf legte sie Wert. Wie auch darauf, dass das glänzende Zartbitter-Schokoladenbraun ihrer Haare immer noch ungefärbt und ohne einen Schimmer von Grau war. Sie hob ihren Kopf . »Welcher normale Mensch macht denn so etwas …«

      Ich fand Mama in diesem Moment wunderschön, sagte aber stattdessen: »Das ist doch bescheuert. Ich möchte echt mal gerne wissen, was in eurer Kindheit abgegangen ist, dass du so ängstlich geworden bist.«

      Mama warf mir einen anklagenden Blick zu. Gelegentlich behauptete sie, das Einzige, was sie je in ihrem Leben richtig gemacht habe, sei, mich bekommen zu haben. Doch im Augenblick schien sie eher das Gegenteil zu denken. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich muss hier weg! Hilfst du mir, Charlott’? Zusammen schaffen wir das.« Natürlich, jetzt war ich wieder Charlott’. »Oh nee, Mama. Echt nich’. Sorry, hab zu tun. Es ist schließlich deine Schwester, die will, dass ich auf diese scheiß Snobby-Schule gehe!«

      »Sag das nicht immer. Dagmar bezahlt alles!«

      »Ja. Und sie sorgt dafür, dass wir es keinen Tag vergessen!«

      immer noch 4. Mai, nachmittags

      Der Bus hatte Verspätung, na super, das wäre ein guter Start, zu diesem blöden Kurs auch noch zu spät zu kommen, sodass alle mich beim Eintreten anstarren würden. Vielleicht hätte ich Mama doch überreden sollen, mich zu bringen. Manchmal träumte ich von einem Roller, den man mit sechzehn fahren durfte, so einem pastellfarbenen Ding, wie die meisten Mädchen aus den höheren Klassen sie besaßen. In drei Monaten, Ende Juli, würde ich sechzehn. Aber wir hatten sowieso nicht so viel Geld. Und wenn Tante Dagmar …? Die hatte mir immerhin gleich das neueste iPhone geschenkt, sobald es raus war. »Damit du mithalten kannst. Ich weiß doch, wie das ist.« DDD anbetteln? Pfff. Ein bisschen Stolz hatte ich ja nun doch. Ich musste wieder an den traurigen Kirschbaum denken, durch Tante Dagmars Geldgier seiner Baumkollegen beraubt …

      Endlich bog der Bus um die Ecke, gondelte durch ganz Godesbach und erklomm dann die lange Auffahrt zum Internat. Edstone is your Future! und für die ganz Dummen auch auf Deutsch: Edstone ist Deine Zukunft! Die Sprüche hingen noch vom letzten Infotag auf goldenen Werbebannern über der Straße, um den Eltern, die ihre Kinder hier parkten, das schlechte Gewissen zu nehmen. Ich hatte keine Ahnung, was meine Zukunft war. Vielleicht die zweite Portion Hühnerfrikassee, die ich heute Abend in mich hineinschlingen würde?

      Die Schule war in einem alten Schlossgemäuer untergebracht. Akkurat getrimmte Hecken und Lorbeerbäumchen in der Auffahrt, ein imposanter Torbogen zu einem romantischen Innenhof mit Tischtennisplatten. Hinter dem Schloss hatten sie eine moderne Schwimmhalle gebaut und einen Hockey-platz angelegt. Außerdem gab es den Park mit den Bänken, die nur interessant wurden, wenn Timo darauf saß.

      Ich fand den Kurs auf Anhieb. Mit mir drückten sich noch zehn andere Schüler auf dem Flur vor der Tür zu Raum A202 herum. Ich sprach mit keinem von ihnen, ich kannte die meisten zwar vom Sehen, aber was hätte ich denn mit ihnen reden sollen?

      »Willkommen zum Streitschlichter-Kurs«, begrüßte uns Frau Mansky auf Englisch, nachdem wir uns in einem Sitzkreis niedergelassen hatten. Ich hasste Sitzkreise, die waren aus dem Kindergarten und außerdem konnte man sich darin so verdammt schlecht verstecken.

      »Ich habe euch ausgewählt und eingeladen, weil ich der Meinung bin, dass ihr besonders geeignet seid, um auf unserer Schule bei kleineren Konflikten unter Schülern zu vermitteln. Oder Mobbingopfer zu unterstützen.« Ihr Blick verharrte auf mir, nun nickte sie mir sogar zu. Na danke, jetzt wissen alle, dass ich auch schon mal fertiggemacht worden bin. Ich versuchte, meine Füße ruhig zu halten, die unbedingt wie Hühnerkrallen auf dem Boden scharren wollten.

      Der Kurs war öde. Wir mussten uns schlecht gezeichnete, sehr schlecht gezeichnete, Comic-Bilder anschauen, entscheiden, ob es sich um eine Konfliktsituation handelte, und spontan sagen, ob und wie wir eingreifen würden. Ich hätte die Comics besser hinbekommen, aber für das, was die Mansky von mir wollte, war ich bestimmt nicht geeignet. Wer würde schon auf mich hören? »Nein, Sydney-Aurelia, Stella-Europas Schuhe kosten vielleicht nicht 600 Euro, so wie deine, aber es ist kein Grund, deswegen nicht mehr mit ihr zu sprechen …« Mit einem falschen Lächeln auf dem Gesicht überstand ich die Stunde.

      Draußen vor dem Torbogen hielt ich Ausschau nach Timo. Er wohnte hier, war also einer von den Internen. Aber ich traf nur Laura, eines der wenigen Mädchen in meiner Klasse, das keinen Doppelnamen oder Adelstitel trug. »Heiiiiiiijjjiii«, rief sie mir entgegen und riss dabei übertrieben Augen und Mund auf. »Was machst du denn hier?« Laura wohnte wie Timo im Internat. Ihr Vater war mit Lebkuchen steinreich geworden. Wir küssten uns rechts und links, das gehörte einfach dazu. Dabei bohrte sich ihre riesige Handtasche in meine Rippen. Gucci. Über tausend Euro. Leider nicht mal schön, für den Preis. Laura erwartete keine Antwort auf ihre Frage, wie auch für den nächsten Satz nicht: »Und? Irgendwas los bei dir?«

      »Nee. Nichts Besonderes. Ach, na ja, die wollen bei uns im Café einen Film drehen.«

      »Echt? Krass. Ist das so groß oder was?«

      Laura war noch nie bei mir gewesen. Besser so. Mama, DDD und die Reste-Rampe eigneten sich nun wirklich nicht zum Herzeigen. »Nein. Aber sie wollen es wieder einrichten wie in den 50er-Jahren.«

      »Cool. Amerikanische Produktion?«

      »Nein. Finnische.« Shit, was erzähle ich denn da?

      »Echt? Krass. Ist bestimmt ’ne coole Location für ’ne Party.«

      »Klar.