Umwege zu R.. Ulf Häusler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulf Häusler
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347075269
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Jungen doch in Ruhe.“

      Als sie mittendrin in dem neuen Projekt steckten, erreichte Herbie ein Anruf der Sekretärin von Mertens.

      „Guten Tag Herr Klause. Bei Ihnen arbeitet doch ein Herr Petersen.“

      „Ja, Frau Hermann. Warum?“

      „Der soll morgen bitte zum Chef kommen. Um ½ 10. Können Sie das sicherstellen?“

      „Klar, Frau Hermann. Sie wissen nicht, was er von dem will?“

      „Ganz offen, Herr Klause – ich habe keine Ahnung. Der Chef ist in den letzten Wochen eh schon etwas komisch. Fast drei Mal in der Woche muss ich Leute zu ihm hoch holen. Mit denen quatscht er dann eine Weile und danach geht’s weiter wie immer mit der Arbeit. Worum es eigentlich geht, weiß ich wirklich nicht. Und wenn die Leute bei ihm rauskommen und ich sie frage, warum sie drin waren, sind die immer ganz verlegen: Der Chef unterhält sich immer nur über ihre Arbeit mit ihnen. Hat er früher eigentlich nie gemacht. Oh je, jetzt hab ich Ihnen viel zu viel erzählt, lassen Sie‘s bitte ja keinen hören, sonst bin ich als Plaudertasche womöglich meinen Job los.“

      „Keine Sorge, Frau Hermann – Sie kennen mich doch.“

      „Stimmt, lieber Herr Klause, sonst hätte ich auch nichts erzählt.“

      Pünktlich um 9.28 Uhr klopfte Fietje am nächsten Tag bei Prof. Dr. Mertens Vorzimmer an die Tür.

      „Guten Morgen, Herr Petersen. Nehmen Sie noch einen Moment Platz. Der Chef klebt noch am Telefon. Mögen Sie einen Espresso oder eine Tasse Café?“

      „Danke. Espresso gerne. Aber wenn der Chef schon vorher rauskommt, muss ich den dann stehen lassen.“

      „Quatsch. Der Chef ist nicht so. Den nehmen Sie dann mit rein und ich frage ihn, ob er auch einen will.“

      „Hoffentlich ist er nicht sauer, weil ich keinen Anzug anhabe. Aber Herbie – äh – Herr Klause hat’s mir erst heute früh gesagt, dass ich hier hochkommen soll.“

      „Dem hab ich’s aber gestern schon gesagt.“

      „Hat er zugegeben. Aber er meinte, ich hätte dann womöglich ne schlaflose Nacht gehabt.“

      Frau Hermann lachte jetzt laut auf und stellte Fietje den Espresso hin.

      „Typisch Euer Herbie. Weil der immer Schiss hat, meint er, dass es allen anderen auch so gehen muss. Aber lassen Sie mal junger Mann – ich erklär dem Chef Ihren Dresscode.“

      „Hauen wir dann Klause nicht in die Pfanne?“

      „I wo – da lacht der Chef nur. Der kennt seine Pappenheimer nämlich bestens. Zucker?“

      „Nö – äh – nein danke.“

      Sie lächelte jetzt Fietje fast liebevoll an. Dem die Frau ausnehmend gut gefiel. Tolle Figur, kein bisschen arrogant, etwa Anfang bis Mitte 50 und eine tolle Ausstrahlung, wie er fand.

      Nach knapp 10 Minuten kam Prof. Dr. Mertens heraus.

      „Morgen Herr Peterson. Hat Frau Hermann Sie offenbar schon fast adoptiert? Mir bietet Sie nie einen Café an. Ich muss immer drum bitten.“

      „Was soll der junge Mann denn jetzt von mir denken, Herr Professor?“

      „Nur das Beste, liebe Frau Hermann, nur das Beste. Er kennt Sie ja noch nicht.“

      „Sie sind ja ein richtiges Ekel heute früh.“

      Beide lachten sich jetzt an.

      „Das können Sie jetzt aber umgehend ändern, indem Sie mir einen Sketo bereiten und diesem Fietje Petersen gleich auch noch einen. Und damit er merkt, wie bitter das Dasein in dieser Etage ist, keinen ‚Metrio‘, sondern ‚Sketo‘, also ohne Zucker. Und…“ wandte er sich jetzt an Fietje: „dieses Maschinen-Gesöff lassen Sie bitte stehen und kommen jetzt mit mir rein.“

      „Eure zwei Sketos dauern mindestens 5 Minuten.“

      „Liebe Irmi Hermann – das halten wir aus.“

      Fietje war irgendwie irritiert. Dass es hier oben so locker zugehen würde, hätte er sich im Traum nicht einfallen lassen.

      Er lernte bei der Gelegenheit, dass es sich bei einem ‚Sketo‘ um einen griechischen Café handelte, der aufgekocht wurde und seinen ‚Mud‘ in der Tasse behielt. Dass es sich bei dieser Art des Cafés um eine Marotte des Chefs handelte, erfuhr er erst sehr viel später: Professor Mertens hatte sehr viele Jahre lang immer in Griechenland Urlaub gemacht und dort seine Vorliebe für diese Art des Café-Genusses entdeckt.

      Was Fietje auch nicht wusste und auch nicht wissen konnte, war die recht traurige Geschichte der Chefsekretärin. Irmi Hermann war mit einem Anwalt verheiratet gewesen und hatte in dessen Groß-Kanzlei als Chefsekretärin gearbeitet. Er und Prof. Mertens waren Studienfreunde gewesen – Hermann hatte Jura, Mertens Mathematik und Physik studiert. Nachdem beide geheiratet hatten, war aus der Freundschaft der Männer eine Familienfreundschaft geworden, die beiden Frauen, Irmi Hermann und Hertha Mertens wurden gute Freundinnen. Dann war Erwin Hermann tödlich verunglückt – Irmi stand auf einmal mit zwei Kindern von 8 und 10 Jahren alleine da. In der Kanzlei wollte sie nicht mehr arbeiten, die Erinnerungen waren zu schmerzlich. Und so hatte Hertha damals vorgeschlagen, dass ihr Ewald Irmi doch bei sich als Sekretärin anstellen könne. Sie hatte nach zwei Wochen Bedenkzeit das Angebot angenommen. Und da die Ehe der beiden Mertens kinderlos geblieben war und Hertha Mertens auch ganz gut verdiente, hatten die beiden für die zwei Halbwaisen so etwas wie eine Patenschaft übernommen: Der ältere Sohn würde in zwei Jahren sein Abi machen und wollte Jura studieren, die jüngere Tochter hatte noch gut drei Jahre bis zum Abi, war eine überragend gute Schülerin und wollte Medizin oder Tiermedizin studieren. Irmi hatte keine Ahnung, wie sie das finanziell mal ‚stemmen‘ sollte. Dass Ewald und Hertha für Irmis Kinder schon seit langem eine Ausbildungsversicherung abgeschlossen hatten, wusste sie nicht. Als sie es erfuhr, hatte sie sich gewehrt, sprach von Almosen, aber dann hatte Hertha sie so lange bearbeitet, bis sie doch zugestimmt hatte.

      „Wozu sind Freunde denn da Irmi? Umgekehrt hättet Ihr das Gleiche auch für uns getan. Und außerdem, geht uns da nichts ab. So ein Vorstandsvorsitzender ist nicht gerade verdächtig, bei der Sozialhilfe um Unterstützung zu bitten und ich verdiene als Designerin auch nicht so schlecht. Zwar manchmal mehr, manchmal weniger, aber es reicht insgesamt nicht nur für uns zwei, sondern auch noch für Deine beiden ‚Krotten‘.“

      Prof. Mertens unterhielt sich fast 1 ½ Stunden mit Fietje. Erst einmal ein wenig Small Talk, wie es ihm denn in der Firma gefalle, dann fragte er nach der Familie, was der Papa denn so mache, ob die Mutter auch berufstätig sei, ob er Geschwister habe.

      „Nach einer halben Stunde klopfte es an der Tür – Frau Hermann:

      „Chef, der Dr. Manger hat jetzt einen Termin bei Ihnen.“

      „Oh je – das hab ich ja ganz vergessen. Du Irmi, frag ihn doch, ob er mit mir zu Mittag essen will. Entschuldige mich bei ihm, mir wäre was Wichtiges dazwischen gekommen. Wenn er heute kann, bestell einen Tisch bei meinem Edel-Italiener.“

      „Du weißt aber, Chef, dass Dein Budget am Anschlag ist?“

      „Ja. Da es aber mein Steuerberater ist, zahl ich das Essen aus eigener Tasche. Alles klar?“

      „Dann ist’s ja gut. Alles klar Chef.“

      Mertens wollte nun wissen, wie er ausgerechnet auf die ITSolutions AG gekommen sei, was er wo, wie, wann und wie lange studiert habe, ob er sich noch weiter fortbilden wolle – also eigentlich ließ er kein Thema aus. Zwischendurch fragte er dann ganz unvermutet, ob ihm denn der Café Sketo schmecke, dessen Zubereitung er dann ziemlich ausführlich erklärte, um dann auf die aktuelle Projektarbeit zu sprechen zu kommen. Erst ganz zum Schluss kam er noch auf die Präsentation zurück.

      „Nun mal ehrlich: Ihr hattet gar nichts verabredet, dass Sie anstelle von Herrn Klause präsentieren sollten – stimmt‘s?“

      Es war das einzige Mal, dass Fietje in dem