Umwege zu R.. Ulf Häusler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulf Häusler
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347075269
Скачать книгу
die Plätze, um erneut nach Plataniskia zu fahren.

      „Ich hab das Auto gekauft – er gehört jetzt Dir. Ich bekomme 3.900 Euro von Dir.“

      „Wie – das glaub ich jetzt nicht Dad. Wieso kostet der nur 3.900?“

      „Angeblich ist es ein Unfallwagen. Aber der Vorbesitzer hat die Unfallfreiheit nicht nachweisen können, so hat ihn der Händler nur als unfallgeschädigt reingenommen. Er meint, er sei aber unfallfrei.“

      „Und das soll ich Dir glauben?“

      „Wenn wir zu Hause sind, gebe ich Dir die Rechnung.“

      „Hm. Und wo nehme ich die 900 her, wo ich doch nur 3.000 habe?“

      „Nimmst Du von dem versprochenen Zehrgeld für die versprochene Reise. Bis Du endgültig fertig bist mit Deinen zwei Jahren Praktikum und die Reise antrittst, hast Du die locker wieder angespart.“

      „Also Du verrechnest die jetzt mit Euerm Geschenk an mich? „So ist es.“

      „Ich muss mal eben anhalten, Dad.“

      „Warum? Und wo bitteschön?“

      „Auf dem Standstreifen. Ich muss Dich nämlich mal drücken.“

      Die Welt war wieder heil und in Ordnung. Nephele war selig über ihr schönes Auto, das sie als ‚Schnäppchen‘ bekommen hatte, Achis Sekretärin Niobe war happy, dass ihr Chef wieder zur gewohnten Zeit ins Büro kam, und nach 2 ¼ Jahren war Die ‚Lehrzeit‘ der jungen Physiotherapeutin vorbei, sie verdiente jetzt ganz manierlich, kündigte aber ihren Job, weil sie erst einmal die versprochene Reise antreten wollte. Sie hatte sich für zwei Wochen Paris und anschließend für Deutschland entschieden, auch um ihre in der Schule erworbenen Deutschkenntnisse aufzufrischen. Obendrein hatte sie noch einen Hintergedanken ausgebrütet, aber niemandem davon erzählt – außer der Freundin Alexa. Die hatte nur gemeint, das wäre ganz schön ‚spinnert‘.

      „Nephele, Du musstest ja immer schon so ein wenig die eingetretenen Pfade verlassen. Und ausreden kann man Dir ja sowieso nichts.“

      „Und das schon mal gar nicht.“ hatte sie der Freundin erwidert.

      Teil II

      5. Kapitel

      Die Präsentation des Projekts wäre beinahe daneben gegangen. Nicht, weil es in der Sache Probleme gab, sondern, weil Herbie so aufgeregt war, dass er selbst beim Ablesen der Folien extrem unsicher wirkte. Prof. Dr. Mertens wusste um das Problem von Heribert Klause, seine Arbeitsergebnisse ohne Stottern, Rotwerden, Sich-verhaspeln darzustellen. Und dass er heillos aufgeregt war, wenn er etwas erklären musste. Aber er wusste auch, dass der Mann fachlich Hervorragendes leistete. Und dass man ihn eben regelrecht ausquetschen musste, um die Ergebnisse seiner Arbeit zu erfahren.

      Fietje wusste das alles nicht und da er ja extrem extrovertiert war, sprang er, frech, jung und immer etwas vorlaut, seinem Chef Herbie dergestalt bei, dass er nach und nach ‚das Kommando‘ übernahm – nach etwa 15 Minuten Gestotter von Herbie, mischte sich Fietje Petersen mehr und mehr ein und zum Schluss legte er die Präsentation perfekt hin.

      Mertens war zwar etwas verwundert über den vorlauten jungen Herrn Petersen, fühlte ihm aber dafür umso mehr auf den Zahn, indem er ihm erst einfachere und dann immer kompliziertere Fragen zu dem sehr komplexen Projekt stellte. Herbie schwitzte Blut und Wasser, wollte wieder stotternd eingreifen, aber Fietje ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen und erklärte all das, was Herbie natürlich auch und vor allem noch viel besser wusste, aber im Grunde war er heilsfroh, dass er nichts mehr sagen musste. Nur an einer Stelle kam Fietje ins Schwimmen und – oh Wunder – da hatte Herbie einen angstfreien Moment und beantwortete die Frage des Chefs. Als die Präsentation zu Ende war, meinte Mertens:

      „Das ist großartig, was Ihr da gemacht habt. Setzen Sie sich jetzt bitte mit dem Vertrieb zusammen, Herr Klause und dann macht Ihr das Ganze verkaufsreif. Ich glaube fast, so etwas gibt es bisher von der Konkurrenz noch nicht. Vielen Dank Herr Klause, haben Sie mit Ihren Leuten sehr gut gemacht. Ach so – wieso hat eigentlich Ihr junger Mann fast alles vorgetragen und nicht Sie Herr Klause? Und so mit Power Point – das haben Sie doch immer strikt abgelehnt.“

      Herbie wurde schon wieder ganz rot und wollte gerade losstottern, als Fietje ihm erneut zuvorkam:

      „Herr Professor Mertens, das hatten wir so abgesprochen. Herr Klause wollte mir eine Chance geben, wofür ich ihm sehr dankbar bin.“

      „So so, Ihr zwei Helden. Also nochmal, schönen Dank.“

      Mertens grinste, gab den beiden die Hand und war schon aus dem Sitzungsraum verschwunden.

      Langsam fuhren sie erst ihr Laptop herunter und bauten dann den Beamer wieder ab und verstauten ihn in seinem Koffer.

      „Bist Du sauer auf mich Herbie, weil ich Dir die Schau gestohlen habe?“

      „Überhaupt nicht Fietje. Im Gegenteil. Erst hast Du mich vor einer richtigen Blamage bewahrt und dann noch die perfekte Ausrede gefunden – ich bin nicht sauer, sondern ich überlege dauernd krampfhaft, wie ich das wieder gut machen kann.“

      „Musst Du nicht, Herbie. Du bist halt mehr der stille Typ.

      Und so wie Mertens zum Schluss gegrinst hat – ich glaube, der weiß das ganz genau. Und ich bin halt anders geraten.

      Kann schwätzen ohne Ende. Was auch nicht immer so gut ist. Vielleicht kommt das durch meine Eltern.“

      „Wie, sind die auch so wie Du? Können die auch immer alles so perfekt darstellen und deutlich machen wie Du?“

      „Ganz im Gegenteil. Das sind typische Ostfriesen. Von früh um 7 bis mittags um 12 sprechen die höchstens ein Wort.“

      „Hm?“

      „Moin. Das ist alles. Und abends kommen dann nochmal drei Worte. ‚Ick geh jetzt‘. Die zwei weiteren sparen sie sich schon – ‚ins Bett‘.“

      „Ich glaube, jetzt übertreibst Du ein wenig.“

      „Kaum – also viel mehr reden die wohl wirklich nicht am Tage. Und ich scheine nun das andere Extrem zu sein.“

      Herbie lachte jetzt:

      „Kann schon sein.“

      Abends zu Hause erzählte Herbie alles seiner Ami. Auch, dass Fietje ihn gerettet hatte.

      „Was lernst Du daraus?“ und die Antwort erst gar nicht abwartend fuhr sie fort:

      „Hör auf Deine Frau. Ich hatte Dir doch geraten, den Jungen mitzunehmen, stimmt‘s?“

      Herbie war so froh, dass das Ehepaar Klause mal wieder eine sehr, sehr schöne Nacht verbrachte.

      Inzwischen wurde das Produkt, an dem Fietje so erfolgreich mitgewirkt hatte, tatsächlich erweitert, genau so, wie man es ihm bei seiner Einstellung avisiert hatte. Und er war unverändert mit Feuereifer dabei, eigentlich freute er sich jeden Morgen erneut auf seine Arbeit in dem Großraumbüro. Auch wenn sie jetzt bedeutend anspruchsvoller wurde, weil man sehr viel mehr Schnittstellen zu berücksichtigen hatte, als bei dem erfolgreich abgeschlossenen Projekt, das ihm und seinem Chef Klause so viel Lob des Vorstandsvorsitzenden eingebracht hatte. Das Anspruchsvolle belastete Fietje aber nur sehr verhalten, denn er meinte, dass die Anwendung des Prinzips von Trial and Error auch hier gelte.

      Etwa drei Mal in der Woche zog er abends ‚um die Häuser‘ und in aller Regel fand er dann mindestens einmal ein Mädchen, das bereit war, den restlichen Abend mit ihm in seiner kleinen Wohnung zu verbringen. Knutschen ging eigentlich immer und oft ging auch noch mehr – dass mal eine dabei war, die sogar nicht auch für ‚fummeln‘ zu haben war, war eher selten. Er meinte daher, dass auch sein Liebesleben recht zufriedenstellend sei. Dass das mit Liebe eigentlich gar nichts zu tun hatte, sondern er im Grunde genommen nur sein Hormonhaushalt regulierte, war ihm noch nie bewusst geworden.

      Wenn er an den Wochenenden zu Hause aufkreuzte, fragte die Mutter fast regelmäßig, ob er endlich eine feste Freundin habe. Seine Antwort war stets die Gleiche –