Also, Meister Fuchs, Klappe halten und langsam zur Lan-dung fertigmachen. Am besten, du schließt die Augen, sonst könnte es sein, dass du dir im Dunkeln bei unseren rasanten Flugkünsten dann vor Angst in die Hosen pinkelst.“
Tim sparte sich eine entsprechende saftige Entgegnung.
„Aye Aye, Sir“, rief er nur zum Obergeschoß hinauf. Aber wütend war er schon auf Mahiri.
„Nicht so dumm, wie ich aussehe… Was sollte das? Hat die-ser Flatterheini sich eigentlich schon mal im Spiegel gesehen? Falls er überhaupt ein Spiegelbild hat! Nicht wie sein geliebter ‚Herr und Meister‘, der aus naheliegendem Grund wahrschein-lich den einzigen Spiegel in seinem Schloss hat verhängen las-sen.“
Tim schimpfte im Stillen noch ein Weilchen auf die große Vampirfledermaus, die ihn in Teamwork mit Dogo, der seit ei-ner geraumen Weile gar nichts mehr gesagt hatte und vielleicht sogar beim Fliegen eingenickt war, in einem Henkelkorb durch die Nacht trug.
Schließlich beruhigte sich der Fuchs wieder. Er hatte das Ge-fühl, als ob jemand versuchte, ihm langsam den Korb unter dem Hintern wegzuziehen, und glaubte zu bemerken, dass es sanft abwärtsging. Ergeben der Dinge harrend, die da kommen wür-den, schloss Tim die Augen.
Mit seiner Vermutung bezüglich des nun unmittelbar bevor-stehenden Endes seiner Luftfahrt lag der Vampirjäger im Warte-stand genau richtig. Die acht riesigen Vampirfledermäuse flatter-ten langsamer und verringerten allmählich ihre Flughöhe. Vo-raus waren im blassen Licht einiger Sterne, die durch Wolkenlü-cken lugten, in der nachtdunklen Landschaft schemenhaft die Umrisse der Drachenberge von Transvaal zu erahnen. Die Grup-pe flog jetzt fast genau über die Stelle, an der die Felsenhöhle den Fuchs und die Gazelle verschlungen hatte.
Dann donnerte in der Ferne ein Hubschrauber über dem schattenhaften Bergland dahin. Anele und Mandisa, die Antilo-pen-Zwillingsmädchen, hatten am frühen Nachmittag schließ-lich ihr Ziel auf dem Falkenberg erreicht und Biko über Funk Polizei und Feuerwehr alarmiert. Gleich danach war eine groß-angelegte Suchaktion nach den beiden abgestürzten Pfadfindern angelaufen. Bisher allerdings, trotz Unterstützung der Suchkom-mandos durch den mit einer Wärmebildkamera ausgestatteten Hubschrauber, leider völlig ergebnislos.
Die Kinder waren und blieben verschwunden, und man be-fürchtete schon das Schlimmste.
* * *
Etwa eine halbe Stunde früher und 600 Meter tiefer irrte eine Prozession von Mönchen in der bergigen Gegend durch die Finsternis.
Die Gruppe, Angehörige einer lokalen Kirche, hatte unter Führung des Priors ihres Klosters hier im Hochland eine Wall-fahrt zu einer heiligen Quelle gemacht. Das hatte auch alles ganz prima geklappt – bis dahin jedenfalls. Dann aber war das Häuf-lein heiliger Männer auf dem Rückmarsch zum Kloster irgendwo in einen falschen Weg eingebogen und hatte sich nun ret-tungslos verfranzt und verlaufen.
Vorneweg, als Einziger mit einer Taschenlampe bewaffnet, stolperte der Prior durch die nun fast vollständige Dunkelheit. Die Mönche, allesamt kräftige Kaffernbüffel in braunen Kutten, folgten gottergeben ihrem Vorgesetzten in Gänsereihe.
Ein gedämpfter Aufschrei ertönte. Einer der Mönche war auf einem spitzen Stein ausgeglitten und hatte sich den Knöchel ver-staucht. Stöhnend saß er auf dem Erdboden und hielt sich den verletzten Fuß.
Der Prior, ein Mann der Tat, machte kehrt und leuchtete mit seiner Lampe die Reihen der Getreuen ab.
„Bruder Bheko, was ist mit dir, kannst du aufstehen?“, fragte er den Verunfallten.
„Ich glaube nicht, Vater Prior“, rief der Mönch und jammerte leise vor sich hin.
„So wird das nichts“, fasste der Prior die Lage zusammen. „Brüder, ihr bleibt erst mal hier und ich schau mich noch ein wenig in der Gegend um, vielleicht finde ich ja doch einen Hin-weis, wie wir nach Hause kommen.“
Gesagt, getan!
Die Brüder sahen in der näheren Umgebung den schwachen Schein der Taschenlampe mal hier, mal da aufleuchten.
Plötzlich hörten sie ihren Chef schimpfen: „Vermaledeit, was ist denn das hier, ich stehe ja mit beiden Füßen im Wasser.“
Der Strahl der Taschenlampe beschrieb einen Halbkreis und die frommen Gesellen erblickten vor sich schemenhaft die Ufer-linie eines größeren Sees.
„Hier ist Schluss. Ehrlich gesagt, habe ich nicht die geringste Ahnung, wo wir sind“, gestand der Hirte seinen Schäfchen.
„Brüder, wir müssen hier rasten und die Nacht verbringen. Morgen früh, wenn es hell wird, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. In dieser Gegend kenne ich mich eigentlich doch recht gut aus. Ganz sicher finde ich dann den richtigen Weg zurück zu unserem gelobten Kloster. Aber jetzt in der Nacht ist es aussichtslos“, setzte der Prior seine kleine Anspra-che fort. „Hat jemand ein Feuerzeug dabei?“, wollte er noch von seinen Mönchen wissen. „Dann könnten wir hier mit den überall herumliegenden trockenen Zweigen und Ästen vielleicht sogar ein Lagerfeuer entfachen.“
Die Mönche machten es sich, so gut es eben ging, auf dem harten Erdboden bequem. Nach einer Weile flackerte ein Feuer-chen in der Runde der Verirrten. Sogar ein paar Schmerztablet-ten für den armen Bheko, der sich schon wieder etwas aufgerap-pelt hatte, förderte einer der Mönche aus unergründlichen Tiefen seines Habits zu Tage.
Somit hätte für den Moment alles gut sein können. Aber lei-der waren die Diener Gottes natürlich nicht auf eine Übernach-tung in der Wildnis eingestellt. Am Morgen hatten sie das letzte Mal etwas gegessen und nun knurrte allen gewaltig der Magen.
„Ich verhungere gleich“, klagte einer der Mönche und erntete murmelnde Zustimmung aus dem Rund seiner Gefährten in der Not.
Das konnte ihr Prior natürlich so nicht gelten lassen.
„Brüder im Herrn“, rief er den locker um das Feuer gruppiert Sitzenden zu. „Ihr wisst doch, es wird euch an nichts mangeln; seid also frohgemut und macht euch bereit zur Abendandacht.“
Ergeben seufzten die Mönche.
Plötzlich hörte man in der Höhe des Himmels Geräusche. Es klang wie leises Stimmengemurmel, aber Genaueres war dabei nicht zu unterscheiden.
Einer der jüngeren Mönche berichtete aber später, er meinte die Worte „Passt auf!“ recht deutlich gehört zu haben, was – wie das folgende Geschehen – in die Annalen des Klosters eingehen sollte.
Nun jedoch rauschte es erst mal ganz gewaltig in der Luft. Dann gingen die Töne in ein durchdringendes Pfeifen über und schwere Einschläge klatschten nicht weit vom Ufer entfernt in das Wasser des Sees.
„Gott im Himmel, was war denn das?“, neugierig liefen die Mönche herbei, und sogar der fußverstauchte Bheko humpelte heran.
Vater Prior leuchtete die Wasseroberfläche mit der Taschen-lampe ab. Deutlich erkennbar dümpelten mehrere große Kugeln, die sanft schaukelnd von den Wellen zum Seeufer getrieben wurden, in den dunklen Fluten.
Einer der Mönche zog Schuhe und Strümpfe aus, raffte die Kutte in die Höhe und watete ins flache Wasser.
„Und? Kannst du was erkennen?“, rief ihm der Prior hinter-her und leuchtete mit seiner Lampe flach über die Wasserober-fläche.
Da hatte der wagemutige Gottesmann die himmlischen Ge-schosse auch schon erreicht. So gut es sein Gewand und das Seewasser erlaubten, bückte er sich und besah die Dinge näher. Dann richtete sich der Mönch wieder auf und meldete mit seiner schnarrenden Stimme in Richtung Ufer: „Zwei große Melonen und ein kleiner Kürbis. Der Kürbis hat einen Sprung, sonst ist alles prima.“
„Halleluja“, rief der Prior lauthals.
So kam es, dass sich die Mönche doch noch mit einem Nachtmahl stärken konnten.
Dann hüllten sie sich fest in ihre wärmenden Kutten und er-warteten getröstet und gesättigt den rettenden Morgen.