DAS SCHLOSS DES VAMPIRS. Eric Borna. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eric Borna
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783749735525
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Wild schäumte das Wasser auf und Gischt spritzte in die Höhe. Die Luft wurde zum Schneiden dick und ließ sich kaum noch atmen.

      Am trockenfallenden Ufer des unterirdischen Gewässers konnte man nun Dinge erkennen, die vorher nicht zu sehen ge-wesen waren. Bizarre Felsbrocken kamen zum Vorschein, und plötzlich entdeckte Samanta, die auch hier im Halbdunkel der Höhle recht gut sehen konnte, sogar den anderen alten Turn-schuh. Sozusagen den Bruder des Fußballkandidaten von vor-hin. Aber dafür hatte jetzt keiner einen Sinn.

      „Ich hasse das, jedes Mal der gleiche Murks“, dachte Dogo. Rasch gesellte er sich zu den anderen, die sich inzwischen brav in einer Reihe aufgestellt hatten. In sicherem Abstand zum wild-gewordenen See beobachteten alle den faszinierenden Fortgang des Geschehens. Zentimeter für Zentimeter kam an der hinteren Wand der Grotte eine Art gemauerter Torbogen mit eingelasse-ner Metallplatte aus den immer weiter fallenden Fluten zum Vorschein. Schließlich war mit viel Getöse der Wasserspiegel des Höhlensees um gut drei Meter gefallen und das Tor im Felsen einigermaßen trockenen Fußes erreichbar.

      „Da geht’s raus“, brüllte Dogo gegen das immer noch brau-sende Wasser an. „Hier haben unsere Vorfahren die Felswand durchbrochen und im Auftrag unseres Herrn und Meisters die-sen künstlichen Ausgang der Höhle geschaffen.“

      „Schön“, dachte sich das nicht nur weitgereiste, sondern nun auch im wahrsten Sinne des Wortes tief gefallene Füchslein. „Aber das Türchen ist fest zu. Schließlich muss es ja bei hohem Wasserstand einem enormen Druck standhalten.“

      Als ob er das gehört hätte, hüpfte und flatterte Mahiri zur freiliegenden Pforte vor. Mit seinen langen, dünnen Fingern drückte er in einer bestimmten Reihenfolge auf kleine Felsvor-sprünge in der Höhlenwand neben dem Torbogen. Dann fischte sein mit einer Kralle bewehrter Daumen noch einen kleinen He-bel aus einem kaum erkennbaren Spalt im Mauerwerk des Tores und klappte ihn hoch.

      Einige Sekunden passierte erst mal gar nichts. Tim, der das Ganze aus sicherer Entfernung so genau wie möglich beobachtet hatte, wollte schon albern loskichern.

      Plötzlich knirschte es im Mauerwerk. Eine im Torbogen und den angrenzenden Felsen verborgene Mechanik setzte sich in Bewegung und die ovale Metallplatte schwang in weitem Bogen auf. Durch die Öffnung strömte kühle Abendluft in die Höhle und Mahiri blickte auf die Sterne des südlichen Himmels. Am hellsten funkelte der Sirius im Sternbild Großer Hund.

      „Wirklich wunderschön hier, immer wieder“, dachte der Chef der Vampirfledermäuse.

      Mittlerweile war das Wasser im See zum Stillstand gekom-men und in der Höhle Ruhe eingekehrt.

      „Damen und Herren, Ladys und Gentleman – ihr wisst, wir müssen hier jetzt zacki, zacki raus“, wandte sich Mahiri vor-nehm an seine Getreuen und die beiden unfreiwilligen Höhlen-besucher. „In zehn Minuten steigt das Wasser wieder an. Dann sollten alle draußen sein und die Türe zu. Oder hat jemand Lust, auch noch die Nacht in der Höhle zu verbringen? Oder mit ei-nem neu entstandenen Wasserfall die ganze Gegend auf uns aufmerksam zu machen?“

      Niemand meldete sich.

      Diszipliniert stellten sich die Riesenfledermäuse vor dem Durchgang auf und schlüpften, eine nach der anderen, geschickt hindurch. Am Ende war die Reihe an Tim und Samanta, die selbstverständlich auch hier weg wollten. Schließlich standen alle im Freien auf einer Art steinernen Kanzel. Der Boden war hier genauso glitschig wie auf der anderen Seite. Es bereitete Mühe, nicht auszugleiten und hinzufallen.

      „Hopsa, Schwabenliesel – stolper nicht.“ Dogo stupste den Fuchs fröhlich an. Woher eine südafrikanische Riesenfledermaus ein altes deutsches Volkslied kannte, mit dessen umgemodelten Text sie nun unseren Vampirjäger veralberte, blieb ihr Geheim-nis.

      Mühsam gelang es Tim – die Füße im Schlamm, der hier den Felsen überzog – das Gleichgewicht zu halten. Wie ein Eiskunst-läufer drehte er eine halbe Runde um die eigene Achse und konnte sich dann gerade noch so am Rand des Mauerdurch-gangs festhalten.

      „Finger weg, Herrschaften, wir schließen jetzt“, rief Mahiri vergnügt aus und knallte die silberglänzende Metalltür zu.

      Sie rastete fest ein und ließ sich nicht mehr bewegen.

      „Auch auf dieser Seite gibt es eine versteckte Tastatur zum Eingeben des geheimen Öffnungscodes. Allerdings geht der Durchgang auch bei Eingabe der richtigen Zahlen nur dann auf, wenn das Wasser in der Felsengrotte nicht von innen gegen die Tür drückt. Das Zeitfenster ist knapp. Will man von hier aus in die Höhle gelangen, ist also Pünktlichkeit sozusagen die erste Bürgerpflicht. Aber das haben wir bis jetzt immer geschafft; kei-ner von uns musste bisher den hellen Tag auf der Kanzel ver-bringen. Und so wird es auch bleiben.“ – All das erklärte der Chef der Riesenfledermäuse stolz dem Fuchs und der Gazelle. Die anderen sieben Wesen der Nacht, heute allesamt etwas un-ausgeschlafen und müde, standen dabei und nickten zustim-mend mit den Köpfen.

      „So, Leute, nun aber nichts wie weg hier!“, rief Mahiri laut in die Runde. Durch die geschlossene dickwandige Tür war nun bereits wieder, wenn auch deutlich gedämpft, das bekannte Brausen und Rauschen aus der Höhle zu vernehmen. Das Was-ser kehrte zurück, der unterirdische See füllte sich auf.

      Tim blickte von der Kanzel herab erschauernd in die Tiefe. Da war alles andere, bloß kein Fußweg, zu sehen. Steil fielen nach drei Seiten Felswände in eine unergründliche Tiefe, und oberhalb des Torbogens ragte unbezwingbar der Berg auf.

      Die geflügelten Rohköstler trugen große, prall gefüllte Ruck-säcke auf dem Rücken. Außerdem standen zwei Körbe von ge-waltigem Format im Matsch auf der Felsenplatte, auch sie rand-voll mit in der vorigen Nacht geklautem Gemüse und Obst ge-füllt. Daneben gab es hier noch zwei weitere dieser geflochtenen großen, tiefen Transportkisten, allerdings leer und offensichtlich noch auf ihre Bestimmung wartend.

      Die Fledermaus-Jungs ließen eine dickbauchige Flasche mit Tomatensaft kreisen. Jeder nahm zur Stärkung noch einen kräf-tigen Schluck aus dieser Buddel. Mit ihren Sachen kletterten dann alle acht geschickt auf die Brüstung der Felsenkanzel.

      „Diese Nacht geht es nicht zu den Bauern auf die Felder. Wir fliegen jetzt direkt zum verborgenen Schloss unseres Schöpfers, des Grafen Dracula. Wir liefern das Essen ab und dann steigt dort eine lustige Party. Was ist mit euch, Tim und Samanta? Wollt ihr mitkommen oder hier oben eine nette Fastenkur ma-chen und abwarten, bis wir nächste Woche wieder da sind?“, fragte Mahiri den bislang verhinderten Vampirjäger und die kleine Pfadfinderin direkt.

      „Hoffentlich sind wir im Schloss des Vampirs dann nicht das Essen. Der mampft doch keine Kürbisse und trinkt keinen Ge-müsesaft, der alte Verbrecher“, schoss es Tim durch den Kopf. „Aber es nützt ja eh nichts. Hier kommen wir alleine nicht weg, und wozu bin ich eigentlich hier?“

      „Klar kommen wir mit, stimmt’s, Samanta“, sagte der Fuchs mit etwas zittriger Stimme zur Oberfledermaus. „Aber wie stellt ihr euch das vor, wir beide können doch gar nicht …“

      Weiter kam er mit seiner Ansage nicht!

      „Ganz, wie ihr wollt!“ – Mahiri und der korpulente Dogo stürzten sich plötzlich wild flatternd von der Felsenbrüstung herab auf Tim, packten diesen und stopften ihn regelrecht in einen der beiden noch leeren Transportkörbe.

      Samanta erging es nicht besser.

      Die überrascht aufschreiende kleine Gazelle wurde von Jamil und einer der anderen Riesenfledermäuse auf die gleiche Weise in den zweiten freien Korb verfrachtet.

      Mehr Zeit, um sich zu fürchten, blieb den Kindern allerdings nicht. Schon hatten die Riesenfledermäuse rechts und links die Henkel der Körbe fest mit ihren starken, krallenbewehrten Fü-ßen gepackt, und ab ging die wundersame Reise durch das dün-ne Reich der Lüfte.

      Trotz ihrer zusätzlichen schweren Rucksäcke trugen Mahiri und Dogo den Fuchs scheinbar mühelos.

      Ängstlich schielte der weitgereiste Rotpelz, nun unfreiwillig Flugkapitän der besonderen Art, über den Rand seiner Kiste.

      Im blauen Dämmerlicht der hereingebrochenen Nacht sah er seitab im Korb unter