Pfad der Jäger. Sylwester Dr. Minko. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sylwester Dr. Minko
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347099043
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Sie glauben immer, dass du bereit bist und können sich nicht damit abfinden, wenn sie mit eigenen Augen sehen, dass sie nicht mehr gewollt sind.

      Es war nicht ihr Pech. Es war selbstverständlich Thomas’ Pech. Zum Abschied traf sie Gerry in einem Café. Er hatte so gebettelt. Er hatte sie einfach geliebt. Kein Wunder, dass er sich nicht beherrschen konnte. Er weinte in den Hörer, die Stimme verändert. Und sie erlag. Sie könnten sich noch einmal treffen, aber nur im Café. Kein Techtelmechtel.

      Jemand sagte einmal, das Schönste an einer Romanze sei ihr Beginn. Das stimmte nicht. Die schönste Freude kam am Ende. Dieses tolle Gefühl der moralischen Ordnung, ethischer Luxusladen, alles war da. Das Bewusstsein der ehelichen Treue. (Na gut, der wiedererlangten Treue.) Das Gefühl der Überlegenheit – erstens DU machst Schluss, zweitens, der Mann fleht dich an, weint beinahe …

      Liv hatte schon als Kind ein gutes Herzchen und mit einem guten Gefühl der seelischen Notwendigkeit begann sie zu zögern. Nicht grundsätzlich, die Trennung war eine beschlossene Sache. Aber sollte sie dieses allerletzte Mal nicht nachgeben? Er beschwor sie so. Und sie stieg in sein Auto ein.

      Ja, das war Thomas’ Pech und nur sein Pech, das als sie in eine kleine Seitenstraße abbogen, Thomas’ Auto erschien. Beide Autos standen Stoßstange an Stoßstange. Dieses Bein von Thomas! Immer noch konnte er nicht richtig mit ihm bremsen. Liv rutschte instinktiv vom Sitz runter und ihr Mann bemerkte nur Gerry.

      „Ich habe ein Geschenk für dich. Komme gerade vom Präparator zurück.“

      Thomas öffnete den Kofferraum und holte das Geweih des Hirsches hervor, neben dem sie sich geliebt hatten. Er hielt es mit beiden Händen hoch und schritt Richtung Gerrys Auto. Noch ein Schritt und er würde Liv bemerken.

      „Ein schöner Zufall“, sagte Gerry entspannt. „Ich habe sie getroffen, sie wollte zurück nach Hause und ich musste noch zurückfahren, um Papiere zu holen. Es ist wirklich nicht schön, solch einer hübschen Frau den Wagen zu nehmen, dass sie zu Fuß laufen muss. Wenn es so ist, fahren Sie mit Ihrem Mann zurück“, er verbeugte sich charmant.

      Thomas sah blas aus, war aber beherrscht. Er reichte dem Kollegen das Geweih. Gerry griff nach der Brieftasche.

      „Nein, nein, wir rechnen später ab“, sagte er mit rauer, dunkler Stimme.

      So viele Male musste sie sich später an diese schrecklichen Worte erinnern.

      Letztendlich sagte Gerry die Wahrheit. Er sollte sie danach nach Hause bringen. Ein für alle Mal. Und Thomas … Er brachte sie vor das Haus, ohne ein Wort zu verlieren. Er kam sehr viel später zurück.

      „Ich habe schon zu Abend gegessen.“ Kein einziges Wort über das Geschehene. Sie hatte zwar gesagt, sie verbringe den ganzen Vormittag bei ihrer Mutter und die wohnte in einem ganz anderen Stadtteil, nur es konnte ja inzwischen so viel passieren. Sie konnte sich immer auf ihre zuverlässige Fähigkeit zu lügen verlassen, aber wie konnte man lügen, wenn er keine Fragen stellte? Und es geschah, was geschehen sollte. Thomas schlief in seinem Arbeitszimmer und am nächsten Morgen verkündete er plötzlich, er fahre zur Jagd. Sie war alarmiert. Sie begann ihn zu bitten: „Dein noch nicht geheiltes Bein!“ Mit wem fuhr er?

      „Ich bin eingeladen, du kennst die Leute nicht“, hatte er gelogen.

      Als er sagte, er hätte keinen Appetit und würde nicht frühstücken, geriet sie in Panik. Sie hatte sich immer so um ihn gekümmert, dass es ihn nicht wundern sollte, dass sie eine Thermoskanne vorbereitete, um sie danach mit ungesüßtem Tee geöffnet stehen zu lassen. Sie erschien vor ihm in ihrer kurzen Pelzjacke: „Ich fahre Benzin tanken, du könntest dich erkälten.“ Apathisch war er damit einverstanden. Sie überlegte sogar, das Auto in eine Werkstatt zu bringen und eine Panne vorzutäuschen. Doch schließlich beschloss sie, ihn fahren zu lassen. Es war besser, dass er fuhr, dort würde er sicher erkennen, wie absurd sein Verdacht war. In diesem Moment war sie eine wahrhaftig treue Ehefrau. Sie betankte den Wagen und notierte pedantisch den Zählerstand. In Panik fuhr sie durch die Stadt, verließ die Kreuzungen bei Gelb und einmal sogar bei Rot. Dieser Wahnsinnige wartete schon mit einem Rucksack am Fuß und seinem Gewehr an der Wand vor dem Haus. Wortlos warf er den Rucksack in den Kofferraum. Sie hatte ihn umarmt.

      „Komm morgen, ich warte auf dich“, versprach sie mit einem feuchten Kuss. Die Tür schloss.

      Er sollte als Mörder zurückkommen.

      Das hatte es noch nie gegeben. Gerry hatte in seinem, reichlich mit Frauen gefüllten Leben, noch nie so eine Situation erlebt. Er konnte die Trennung mit Liv nicht verkraften. Nachdem, was er von ihr gehört hatte, konnte er sich nicht mehr weiter und noch mehr erniedrigen. Er konnte sie jederzeit anrufen und tat es so oft wie möglich, um ihre Stimme zu hören. Egal, ob sie ihn verhöhnte, belächelte oder ablehnte, mindestens ihre Stimme …

      Zwei Tage nach der „finalen Lösung“ nahm Gerry seine Flinte und den Hund und verreiste in den Wald. Niemand wurde benachrichtigt.

      Dieser höllische Urinstinkt, den naive Menschen Liebe nennen, war im Grunde genommen genauso primitiv, böse und leidbringend wie der archaische Jagdtrieb. Blut, Tod und betäubte Befriedigung.

      Die Wanderung durch bereits verschneite Waldwege gab ihm die Gelegenheit zu meditieren, doch auch hier wurde er von seinen Erinnerungen überrascht. Das Liebesgeflecht neben dem Kadaver des erlegten Hirsches … Jetzt wurde er zum Kadaver, auf dem Liv ihren verdammten Thomas getröstet hatte. Er ist so sanft, hörte er in Gedanken ihre Stimme und bemerkte nicht, dass sein Foxterrier plötzlich ein Wildschwein witterte. Interessant, was macht der Sanfte, wenn er sich an ihre Seitensprünge erinnert?, dachte er. Seine Erinnerung an ihre Berichte über die Treffen mit dem „Einmaligen“ machten ihn wahnsinnig.

      Der Hund knurrte kurz. Gerrys Jägersinn öffnete sich plötzlich für den Wald und die vielversprechende Spur.

      „Halt!“ Das kurze Kommando brachte den Hund zum Stehen, und er nahm ihn an die Leine. Sein Hund galt als diszipliniert. Sein Herr beschloss, das schlafende Wildschwein auf dessen Rastplatz zu überraschen und hielt den Hund am Bein. Danach würde er weitersehen. Würde das Schwein weglaufen, ließe er den Hund sofort hinterherfolgen. Der würde das Wildschwein sicherlich anhalten und provozieren, vor das Gewehr des Jägers bringen. Darin war Otto spezialisiert. Vielleich liebte er Liv, doch den Otto liebte er bestimmt. Er nahm seine Flinte in die Hände und bewegte sich fort.

      Es dauerte eine ganze Stunde oder sogar länger. Das Wildschwein lief ausdauernd. Gerry kannte diesen Waldabschnitt und ahnte, wohin es laufen würde. Dort wurden die Bedingungen schwieriger, viel Gehölz, Wacholder und Douglasien. Solange möglich, würden sie zusammen gehen, danach ließe er den Hund freilaufen.

      Jetzt waren sie schon am Rande des Waldes, wo auf einer Seite der See und auf der anderen die Felder an ihn grenzten.

      „Noch fünfhundert Meter und ich lasse den Hund laufen“, beschloss er und schritt gebückt weiter unter den Zweigen.

      Den Schuss hörte er nicht. Die letzte Sekunde seines Lebens war ein blendender Blitz. Die Welt war zu Ende.

      Die Nachricht von Gerrys Verschwinden kam zwei Tage nach Thomas’ Rückkehr. Die erste Nachricht vom Förster hörte sich nicht besonders ernsthaft an. Sicherlich war es ein Spaß von Gerry. Er hatte schon immer einen Sinn für Scherze gehabt. Doch nachdem seine Jagdfreunde über harte Tatsachen berichtet hatten, wurde es düster.

      Ein Jäger verlässt morgens die Jagdhütte zusammen mit seinem Hund. Während des Tages beginnt es zu schneien und der Förster wundert sich, dass der Jäger nicht zurückkommt. Die Wetterumstände machen eine weitere Jägerei unmöglich. Sie warten noch. Wie sollen sie ihn suchen? In der Dunkelheit ist die Suche unmöglich, sie wissen nicht mal, in welche Richtung er gegangen ist. Er hatte sicherlich nicht die Absicht, weit zu gehen - sein Auto steht auf dem Hof. Die halbe Nacht kreuzt der Dienst-Jeep durch den Wald, die Stimme des Försters wird heiser. Nichts. Der Schnee bedeckt die Spuren.

      Am Morgen ist es noch schlimmer. Tauwetter schmilzt den Schnee. Nach zwei Tagen durchkämmt die Polizei den Wald. Nichts. Ein plötzlicher Tod, eine Herzattacke? Und was ist mit dem Hund? Warum kommt der