Pfad der Jäger. Sylwester Dr. Minko. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sylwester Dr. Minko
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347099043
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      Sie lachte nur und zog sich näher zu ihm. Seine Naivität, und glühende Scham, mit der er ihre Zuwendungen annahm, erregten sie.

      „Denkst du, es kann ein Zimmer, eine Etage höher, größer sein?“ Sie kam mit ihren Lippen näher.

      „Wahrscheinlich täusche ich mich. In deiner Gegenwart wird bei mir alles größer“, jaulte er und drehte sich auf den Rücken.

      Zwei Tage später, als die dreizehnte Rose kam, versuchte er, das Zimmer mit Schritten zu bemessen.

      „Tatsächlich“, murmelte er und begann sich auszuziehen.

      War es ihre Schuld, dass sie so viel vom Leben erwartete? Von Männern? Die Armseligkeit jedes Partners, seine „Begrenztheit“ ermüdete sie. Thomas’ sanfte Nichtigkeit, Gerrys derbe Arroganz. Immer enttäuscht, suchte sie nach einer Alternative bei einem anderen Mann. Am Anfang hatte sie sich ihn ausgedacht. Danach brachte jeder der Männer eine brutale Korrektur dieses einheitlichen Bildes mit. Sie hatte begriffen, dass eine Frau das begehrt, was sie nicht hatte. Und das würde sie suchen, trotz Religion, Kirche, Erziehung, beinahe trotz sich selbst. Sie wollte diese drei Männer eigentlich gar nicht.

      „Den ganzen Tag ziehe ich mich nur an und aus“, ätzte sie Gerrys Eifersucht. Nun das hatte sich erst jetzt bewahrheitet. Es geschah, dass der Einmalige zum Opfer ihrer Bereinigung des Lebens wurde, und das bei seinem fünfzehntem Besuch.

      „Stiehlst du eigentlich deinem Vater Geld?“, demütigte sie ihn bereits an der Tür. Sie kündigte den Bruch an.

      Gerrys geistige Armseligkeit und Thomas’ Flauschigkeit hatten sie angeödet, doch das, was dieser Knabe repräsentierte … Es ging nicht um die blöden Wörter, als er rief, dass er aus dem Fenster spränge! Gleichgültig schaute sie zu, als er begann, auf die Fensterbank zu klettern. Als er genauestens das Fenster überprüfte, damit es sich nicht öffnete und er nicht springen musste. Letztes Mal hatte sie ihn getröstet.

      „Es war das letzte Mal“, wiederholte sie und schubste ihn aus der Wohnung.

      Sie konnte nicht ahnen, dass er so lästig bleiben würde. Am nächsten Tag besetzte er für eine Stunde ihre Fußmatte. „Kniend“, wie er beschwor. Sie hatte Lust, die Tür zu öffnen, aber nur um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu überprüfen. Nur deshalb. Ein Mann, der sich „dafür“ erniedrigte, existierte für sie nicht. Sie hatte die Tür nicht geöffnet.

      Eines Spätnachmittags, gerade hatte sie die Lichter eingeschaltet und korrigierte das Manuskript des neuen Drehbuchs ihres Mannes.

      Er, gebeugt über den Schreibtisch, erarbeitete Details seiner neuen Krimiserie. Sie bewunderte seine Vorstellungskraft an der Grenze des Wissens.

      „Du könntest der begabteste Untersuchungsrichter der Welt werden“, lobte sie ihn und erschrak zugleich. Ist es möglich, dass er immer noch nichts ahnt? In meinem Fall geht es nicht um eine kriminelle Handlung, beruhigte sie ihr Gewissen. Thomas’ Spezialität war das Verbrechen, die Untreue war da was anderes.

      Als sie darüber sinnierte, klingelte die Hausschelle.

      „Wer ist da?“, fragte sie, und aufgeregt berührte sie instinktiv die Klinke, denn sie dachte, die Stimme des jugendlichen Liebhabers zu hören.

      „Hausverwaltung“, hörte sie verblüfft. „Bitte öffnen.“

      Sie tat es und sah erstaunt den Partner der vergangenen Liebesspiele in Begleitung von zwei Herren mit Aktentaschen.

      „Wer ist das?“, fragte Thomas und begann, den Stuhl vom Schreibtisch zu schieben.

      Sie zögerte einen Moment.

      „Die Baukommission“, rief einer der Herren. Er zog gleich seinen Mantel aus, während der andere die duftende Hand der Hausherrin küsste.

      „Hier entlang“, ihr Liebhaber führte wie der Hausherr beide Männer durch die Wohnung bis zum Schlafzimmer.

      Thomas stand schweigend am Schreibtisch.

      „Bitte, vielleicht schieben wir das Bett etwas an die Seite“, schlug der Junge vor.

      Liv stand mit zugeschnürter Kehle und weit geöffneten Augen da und sah zu, wie der superfreche junge Bengel den Altar der gemeinsamen Höhepunkte von der Wand schob. Ein Herr von der Administration zog ein metallisches Maßband aus der Tasche.

      „Sehen Sie? Ein Meter zwanzig Differenz“, triumphierte der Junge.

      Erst jetzt wandte er sich mit einer Erklärung zum verwirrten Thomas um.

      „Wissen Sie, bei uns in der Wohnung eine Etage höher ist das Schlafzimmer einen Meter kürzer als hier“, begann er seine geistreiche Ausführung. Liv hielt den Atem an und wartete darauf, wann Thomas fragen würde, woher er so genau die Größe dieses Schlafzimmers kannte. Thomas schwieg beharrlich. Sie entschloss sich, der Frage mit einer Vermutung zuvorzukommen.

      „Und Sie haben einfach beschlossen, eine Etage tiefer zu kommen? Es ist wirklich unverständlich. Einen Meter zwanzig kürzer?“

      „Ich bin Architekt“, sagte der charmante Herr stolz. „Mit so etwas wurde ich noch nie zuvor konfrontiert. Das sind ja tragende Wände.“

      Ihre Anspannung ließ nach.

      „Mein Gott, wie faszinierend. Einfach unglaublich.“

      „Ich lade Sie in mein Schlafzimmer ein“, grölte der junge Bengel, der diese peinliche Vorstellung absichtlich arrangiert hatte. Thomas, wie ein Idiot, beschloss enthusiastisch, mitzugehen und bestieg die Treppe nach oben.

      „Ich habe meinen Schal vergessen“, hörte sie die Stimme ihres Liebhabers, der plötzlich blass und hyperventilierend vor ihr stand.

      „Wage es nicht zu denken“, begann er kläglich und zugleich brach seine Stimme. „Sorry, ich weiß nicht, was ich tue, du kannst mich nicht so lassen“, jaulte er. „Ich komme morgen wieder“, sagte er plötzlich bestimmend. Liv hörte, dass die anderen stehenblieben.

      „Soll ich Ihnen bei der Suche helfen?“, fragte der unsichtbare Thomas. „Morgen bin ich aber nicht da.“

      „Ich komme übermorgen nach zwölf“, flüsterte der Junge und schob seine feuchten Lippen über ihre Wange.

      Und er kam. Sie wusste, dass sie ihn, um einen Skandal zu vermeiden, verabschieden musste. Sie landeten im Bett.

      „Weißt du, was ich gefühlt habe, als ich vor den Augen deines Mannes das Bett verschob?“ Auf ihre Frage, wie er es wagen konnte, das ganze Theater mit der Baukommission zu arrangieren, antwortete er nüchtern: „Es ist doch wahr, dass das Zimmer kleiner ist. Darüber hatte ich dir zuvor ja erzählt. Übrigens, es hat sich alles aufgeklärt.“

      „Was denn?“

      „Warum das Zimmer kürzer ist.“

      „Ist es das nicht mehr?“

      „Nein, in der Wand wurde ein Betonmischer eingemauert. Der Architekt sagte, dass offensichtlich das Baugerüst zu früh abgebaut wurde. Bei der Bauabnahme haben sie den Betonmischer gesehen, den sie nicht mehr runterbringen konnten. Sie hatten keine andere Wahl.“

      „Welche Wahl denn?“

      „Sage ich ja; das Baugerüst und die Kräne abmontiert, durch das Treppenhaus geht der Mischer nicht durch, also blieb nur eines – zumauern. Jetzt steht er im Zimmer. Meine Mutter beabsichtigt, ihn zu verkleiden, eine Art Eckschrank daraus zu machen.“

      Sie setzte sich nackt auf das Bett und lachte, eine Hand auf der noch schmerzenden Rippe. Sie sah wunderbar aus. Sie erblickte Bewunderung in den zunehmend traurigen Augen des jungen Mannes.

      „Ich dachte nicht, dass du unsere Trennung so lustig findest“, beklagte er kindisch.

      „Ich lache doch nicht wegen uns, sondern über diese Story mit dem Betonmischer.“

      Nur Thomas. Nur er hatte sie wirklich verdient. Liv beschloss, mit allen