Sylwester Minko
Pfad der Jäger
Erzählungen über Jäger und ihre Beute
© 2020 Dr. Sylwester Minko
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN | |
Paperback: | 978-3-347-09902-9 |
Hardcover: | 978-3-347-09903-6 |
e-Book: | 978-3-347-09904-3 |
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Sylwester Minko
Pfad der Jäger
Erzählungen
über Jäger und ihre Beute
Inhalt
Pfad der Jäger
Reise auf die Insel der Glücksseeligen
Kitty
Die Laureaten
Rent a Story
Die Höhle von Son Veri
Die Trümmer
Die Auftragskiller
Das Haus der Erinnerungen
Blackout
Die Scheidung
Virus
Pfad der Jäger
Da es sich vermuten ließ, dass die Party bei Gerry reichlich mit einer Auswahl an besten Alkoholgetränken versehen sein würde, wurde eine Münze geworfen und es traf die Korbachs. Der alte Rechtsanwalt Korbach nörgelte zwar, es sei besser, ein Taxi zu nehmen. Er wusste, dass sein Sohn Edward sich nicht überreden ließe, den Mercedes des Vaters nach Hause zurückzufahren.
Doch Liv blieb standhaft. Sie hätte mit ihrem Mann Thomas keinen Münzwurf riskiert, um sich dann bei der Morgendämmerung auf das Erbarmen eines Taxifahrers zu verlassen. Ansonsten wäre es unsportlich, jetzt den Wettgegenstand auf Tragen der Taxikosten zu ändern. Edward war wie immer derselben Meinung wie Liv. Seit Monaten verfolgte er sie mit seinen Annäherungsversuchen und fand keine bessere Methode, ihre Zuneigung zu gewinnen, als ihr in jeder Angelegenheit zuzustimmen. Thomas sah und tolerierte seine Aufdringlichkeiten, weil er seine Erfolgsaussichten sehr gering einschätzte. Sie wohnten in unmittelbarer Nachbarschaft, daher die Idee des gemeinsamen Fahrens.
Edward sah bereits Gerrys Haus und bezeugte, dass in dieser Gegend solch prächtige Häuser kaum anzutreffen waren. Obwohl die Männer einer gut eingespielten Jägergruppe angehörten, kannte Liv den Gastgeber bisher nicht. Sie war gespannt, nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine sagenhafte Villa, auf die Atmosphäre und auf alles rundherum. Vor allem als sie hörte, dass niemand wusste, wer die Dame des Hauses war.
Thomas kannte seine Frau gut und warnte sie drei Stunden vor der vereinbarten Zeit, dass sie nun jede Minute würden rausgehen müssen. Er ahnte schon, dass sie das neue Make-up zur Verzweiflung bringen würde, dass sie allein für ihre Augen eine gute Stunde brauchte und zwischendurch in Tränen ausbräche. Natürlich hatte sie inzwischen gemäkelt, als sie ihn noch in der alten Hose und der Strickjacke sah.
„Wir haben ja Zeit versuchte er sie zu beruhigen, und wunderte sich nicht, als sie verkündete: „Wir werden uns verspäten“, denn sie würde es nicht rechtzeitig schaffen.
Liv war aufgeregt. Sie vertrieb sogar ihren geliebten Cockerspaniel aus dem Badezimmer - Taxi, die sie aufdringlich begleitete. Thomas tröstete die Hündin. Er sah es als Ungerechtigkeit des Schicksals, dass Taxi sich so an Liv anlehnte. Er fürchtete die gegenseitige Loyalität der beiden weiblichen Geschöpfe. Er wusste bereits davon, dass ein Hund meistens eine Replik des Eigentümers darstellte; das rotgoldene, seidene Haar der Hündin entsprach der Schönheit seiner Frau. Als er bei Abwesenheit seiner Gattin Besuch einer Dame empfangen hatte, war er noch eine Woche danach nervös gewesen – Taxi war Zeugin geworden. Jetzt, den Geräuschen aus dem Badezimmer lauschend, spielte er mit der Goldhaarigen.
„Mach dich fertig“, kam endlich die Warnung von jenseits der geschlossenen Tür. Offenbar waren die Make-up-Probleme gelöst worden. Beim Binden der Krawatte hörte er das Brummen des Mercedes-Motors.
Warum hatte ihr Gerry so gefallen? Eigentlich zeugte alles, was sie vorfand, vom schlechten Geschmack des Gastgebers. Zu viel Marmor im Wohnzimmer, das eigentlich ein zentraler Saal des Palazzo Prozzo war. Und das nervige Mädchen – die Hausherrin. „Knopf“, stellte sie sich vor und reichte ihre Hand, als würde sie erwarten, dass selbst die Frauen sie ihr küssten. Schön, aber sonst nichts. Und schließlich „Gerry“.
„Warum nennen Sie sich so, Herr Gerhard?“, fragte sie provokativ, nachdem er sie nach mehreren Wodkas zum Tanz aufgefordert hatte.
„Meinen Sie, das ist zu prätentiös? Und wie ist es mit Liv?“, entgegnete er und schob seine Hand hinunter, ihren Rücken entlang. „Oliv würde mir besser gefallen“, er berührte leicht die Spitze ihres Ohres mit seiner Zunge.
Sie hatte sich zurückgelehnt und war erbost, dass eine Hitzewallung durch ihren Körper ging. Ich bin betrunken, dachte sie. Deshalb reagiere ich so! Doch gleich sah sie sich um, neugierig, wo seine „Assistentin“ war.
„Sie hat nichts zu sagen“, beruhigte er sie, der Alleswissende. „Es ist alles so unkompliziert“, lachte er.
„Was ist unkompliziert?“
„Ihr Frauen.“ Sie spürte seine Hand, die ihren Nacken immer stärker hielt, und die andere, die er an ihrem Gesäß schob. Sie war wütend auf sich selbst und auf den Alkohol, der ihren Kreislauf aufwühlte und ihre Haut unter dieser schamlosen Hand so vergnüglich erwärmte. Sie drehte sich instinktiv mit dem Rücken zur Wand, so, dass sie die ganze tanzende Gesellschaft beobachten konnte. Sie bemerkte den aufmerksamen Blick von Thomas und genoss ihre offensichtliche Untreue, was eine sinnesfreudige Schwäche ihrer Oberschenkel bewirkte. Gerry schien all das zu registrieren und seine Hand …
„Du hattest dieses schelmische Lächeln, das ich nicht beim Namen nennen darf“, murmelte später ihr betrunkener Ehemann, als er versuchte, ihr das Kleid auszuziehen. Einmal sagte er: „Dieses sexsüchtige Lächeln“, und sie hatte danach eine Woche lang nicht mit ihm geredet. Doch das würde erst nach einigen Stunden geschehen.
Momentan führt Gerry sie auf die erste Etage, um ihr seine Bibliothek zu zeigen. Unterwegs auf dem Podest begegnen sie einem Pärchen. Sie sitzt etwas tiefer und zieht den Spaghettiträger hoch, um das Dekolleté etwas abzudecken.
Liv geht mit, betrunken und wütend. Sie schwört, sie gibt ihm gleich eine Ohrfeige, doch jetzt wartet sie darauf, was als Nächstes geschieht und der vermutete Grund ihrer gedachten Reaktion sorgt für Hyperventilation. Gerry geht vor – eine schlanke, sportliche Figur – öffnet die Tür. Es ist dunkel.
Liv zögert, er schaltet das Licht an. Sie befinden sich in einem kleinen, schön ausgestatteten Arbeitszimmer. Vom Sofa springt ein Hund herunter. Er begrüßt das Herrchen wie nach langer Abwesenheit. Gerry befiehlt kurz: „Otto zurück!“, und der Foxterrier springt erneut auf das Sofa. „Nicht dort!“, tadelt ihn Gerry und Liv ahnt, für wen das breite Sofa gedacht ist. Sie versucht, mit sich zu kämpfen.
Thomas