Die Katzenklappe. Titi O. Sunt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Titi O. Sunt
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347105454
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Auch ich hätte die Hose voll, wenn sich auf einmal – der Größenkonstellation von Mensch zu Katze entsprechend – eine kleine Ameise in meinem Reich bequem machen würde. Ich verharrte auf meinem Plätzchen, folgte ihrem etwas einseitigen Gedankenaustausch und hörte auch aufmerksam zwischen den Zeilen.

      In diesem Moment wusste ich, dass dies der Beginn von etwas Gutem war.

      Nur Lena wusste es noch nicht.

      Plötzlich drückte mir Lena vorsichtig einen Gutenachtkuss auf die Stirn.

      »Bleib schön brav liegen. Wir sehen uns morgen früh wieder.«

      Während sie sich von mir abwendete, konnte sie sich eine logisch klingende Weisheit nicht verkneifen:

      »Weißt du, ein neuer Tag bedeutet vielleicht auch ein neues Glück!«

      In Lenas Stimme schwang ein schelmischer Unterton mit.

      Sie ließ die Schlafzimmertür einen Spalt weit offen. Ich war überrascht.

      Zum ersten Mal verspürte ich einen Funken Hoffnung. Auf leisen Sohlen hüpfte ich vom Glastisch, drückte die Tür mit meiner Pfote auf und da stand ich nun, wartend in voller Pracht, mitten in ihrem Zimmer. Es folgte ein kurzer Augenkontakt, dann kam es zur heißersehnten Handbewegung. Sie klopfte auf die Matratze.

      »Okay, komm her, ist aber nur für eine Nacht.«

      Ganz vorsichtig legte ich mich zu ihren Füßen hin und schlief mit einem verschmitzten Lächeln ein. Als David spät nachts nach Hause kam, wechselte ich aber doch lieber auf seine Bettseite.

      Am nächsten Morgen war die Katastrophe im Anrollen. Es war höchste Zeit, ich musste mal. Flehend umkreiste ich David, dann bittend Lena, dann wieder zurück zu David. Fast schon winselnd wie ein Hund, zappelte ich um ihre Beine herum, bis sie endlich verstanden. Schnell warfen sie sich ihre Jacken über und wir rannten alle aus der Wohnung. Mit mir an der Spitze sprinteten wir über den langen Gang und stürzten die Treppen hinunter. So kurz mir der Weg am Vortag vorkam, umso länger kam er mir heute vor. Kurz vor dem Ziel verließ mich die Kraft.

      Beschämt schaute ich zu David hoch. Ich rechnete mit Floskeln wie, dass Katzen doch die saubersten Wesen auf der Welt wären oder dass so etwas überhaupt nicht gehen würde.

      Doch es kam nichts. Erstaunlicherweise auch nicht aus Lenas Richtung. Wortlos und vollkommen entspannt ging David die Treppen wieder nach oben.

      Kurze Zeit später kehrte er mit einer Küchenrolle zurück und beseitigte mein kleines Missgeschick. Dann schritten wir einfach so, als wäre nichts passiert, aus dem Haus. Im Auto sprang ich auf meinen gewohnten Schoßplatz. Wir fuhren los.

      Ich war angekommen.

       KAPITEL 2

       Lena

      David hielt eine kleine Katze in seinem Arm.

      Ich war vollkommen irritiert. Ungläubig wie eine Verrückte schüttelte ich den Kopf. Komplett außer Rand und Band rang ich bei diesem Anblick um Luft. Den kleinen Stubentiger und David störte mein Entsetzen überhaupt nicht. Die Katze schaute gänzlich amüsiert zum Fenster hinaus und David grinste nur dämlich vor sich hin.

      Frischluft, ich brauchte Frischluft!

      Ich versuchte mich zu beruhigen und öffnete schnell das Fenster des Autos. Noch nicht einmal einen Zentimeter war die Autoscheibe heruntergelassen, da brüllte David mich an: »Nicht! Mach sofort das Fenster wieder zu, die Kleine erfriert sonst.«

      Mir blieb eine echt patzige Antwort im Hals stecken. Schnell schob ich eine CD hinein und versuchte mich bei Jamaika-Sound zu entspannen. Ich wippte im Takt mit, träumte vom weißen Sandstrand, vom türkisfarbenen Meer und von exotisch schmeckenden Cocktails.

      Der Moment in der Karibik war nur kurz. Denn als die Katze plötzlich ihren pelzigen, verdreckten Kopf an Davids Kinn rieb und es dann noch so schien, als würde sie seinen Dreitagebart säubern wollen, platzte mir der Kragen.

      »Was soll denn das werden?«

      Ich kreischte meinen ansonsten so peniblen Sauberkeitsfanatiker an und pöbelte weiter in seine Richtung: »Die überträgt ja alle Keime auf dich!« Davids Antwort kam prompt und mit extrem gelassener Stimme: »Ach, beruhige dich wieder. Der Kleinen fehlt doch nichts, die ist kerngesund.«

      Jetzt war David offenbar ein promovierter Katzendoktor.

      Ich stieß einen erschöpften Seufzer aus. David war nicht mehr zu helfen. Dann stieg auch schon die nächste Panikattacke in mir hoch. Wie sollte jetzt das Aussteigen aus dem Auto funktionieren? Würde er sie herausheben und bis in die Wohnung im dritten Stock tragen? Nein, niemals würde er sie hochtragen! Er, der Herr Doktor, setzte die Katze sicher leichtfertig ab und dachte, dass sie ihm anstandslos hinterher spazieren würde. Was aber, wenn sie vor Schreck weglief? Und da war auch schon mein erster Verlustgedanke.

      Jene Angst, die ich über Jahre erfolgreich verdrängt hatte. Na gut, beruhigte ich mich schnell wieder.

      Dann war es eben Schicksal.

      Aber wir könnten uns zumindest nicht vorwerfen, nicht alles, wirklich alles, versucht zu haben.

      Die ausgehungerte Katze folgte David auf Schritt und Tritt. Mit ihr im Schlepptau kamen wir in der Wohnung im dritten Stock an. Nicht einmal das Treppensteigen hatte sie abschrecken können.

      »Hey, du kleiner Schatz, also, was machen wir bloß mit dir? Naja, auf alle Fälle bleibst du heute Nacht hier und schläfst dich so richtig gut aus.

      Also ich bin Lena, deine Katzenmutter für heute.«

      Als ich dieses Wort ausgesprochen hatte, wusste ich schon, dass das ein absolutes No-Go war: Katzenmutter? Ich? Mutter? Katzenkind? Kind? Katze? Schnell versuchte ich das Wort, welches ich mit hingebungsvoller Verantwortung verband, aus meinem Gedächtnis zu verbannen und stammelte vor mich hin.

      »Also, ich meine nicht so eine richtige Mutter – na, du weißt schon - sondern eher so eine Art Wohngemeinschaftspartnerin.«

      Dem nicht genug, presste ich auch noch eine tolle WG-Definition aus mir heraus:

      »Weißt du, das ist so eine nette, abendliche Gemeinschaft, die ich noch aus meiner Studentenzeit kenne. Man trifft sich zu nächtlicher Stunde, quatscht unverbindliches Zeug miteinander, isst gemeinsam etwas und dann, am nächsten Morgen, geht jeder wieder seines Weges.«

      Was für ein gequirlter Schwachsinn, den ich hier verzapfte! Ich schüttelte den Kopf und ärgerte mich über meine Ausführungen. Beschämt versteckte ich mein Gesicht unter meinen Händen. Wie eine Wahnsinnige, offenbar meines Verstandes beraubt, versuchte ich mir den Stress aus dem Gesicht zu reiben. Doch außer dass sich durch das wiederholte Aufund Abreiben meine Visage mittlerweile komplett verzogen anfühlte, passierte nichts. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.

      Lenk dich ab, bitte, lenk dich ab. Denk an etwas Schönes!

      Yeap! Da war er auch schon, mein Geistesblitz!

      Ich setzte schnell mein bestes Pokerface auf und wandte mich wieder der Katze zu, um sie näher zu betrachten.

      Eigentlich sah sie ganz hübsch aus mit ihren goldbraunen Augen, dem bläulich schimmernden Fell und den hellgrauen Pfötchen.

      Aber der ganze Dreck, der in ihrem Plüsch klebte!

      Das sah nicht besonders appetitlich aus.

      Ich eilte ins Badezimmer, um ein nasses Handtuch und eine Haarbürste für ihre Körperreinigung zu holen. Ich kam jedoch nicht am Spiegel vorbei, ohne selbst einen Blick zu riskieren. Da sah ich auch schon das ganze Malheur in meinem Gesicht und auf meinem Kopf. Die Haare standen mir buchstäblich zu Berge und der schwarze Lidschatten war von der ganzen Gesichtsreiberei auch nicht mehr da, wo er eigentlich hingehörte.

      Egal!

      Erhobenen Hauptes mit Hahnenkamm, voller Kriegsbemalung und mit den Waschutensilien bewaffnet, schritt ich in die Küche zurück. Kampflustig blickte ich dem Feind auf meinem Tisch