Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212730
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in den Adern fror. Ich brüllte nach Susan und Charles. Vielleicht war der Mann noch zu retten. Sie sollten die Rettung alarmieren oder das Rote Kreuz — egal, wen.

      Meine beiden Mitarbeiter kamen aus dem Garten über die Terrasse ins Haus.

      Sie erstarrten, als sie die blutige Szene gewahrten.

      „Einen Krankenwagen“, stieß ich aufgeregt hervor. „Schnell, Susan. Vielleicht schafft er’s noch so lange.“

      Susan schüttelte die lähmende Erregung ab. Sie lief zum Telefon, fegte den Hörer von der Gabel und wählte aufgeregt den Notruf der Rettung.

      Charles trat zu mir.

      „Kann ich etwas tun, Biff?“, fragte er mit belegter Stimme.

      Ich schüttelte den Kopf. „Ich fürchte nein, Charles.“

      „Wie ist das passiert?“, fragte Lenoire, innerlich aufgewühlt. „Hat er was sagen können?“

      „Bis jetzt noch nicht“, erwiderte ich.

      Montague Ross bewegte sich plötzlich. Er machte eine Handbewegung, als wollte er eine Fliege von der Stelle wegjagen, wo ihm die Kugel in den Kopf gedrungen war. Dann öffnete er ein Auge. Das zweite wollte ihm nicht mehr gehorchen.

      Er sah mich erstaunt an. Dann schweifte sein trüber Blick zu Charles hinüber.

      „Was ist passiert, Ross?“, fragte ich schnell. „Wenn Sie in der Lage sind zu sprechen, dann sagen Sie uns, was passiert ist.“

      Ross schloss das Auge wieder, als wollte er uns nicht sehen. Es stimmte, seine Freunde waren wir immer noch nicht. Aber wir wollten ihm helfen. Es war einfach unsere Pflicht, ihm zu helfen.

      „Mmmei Chdichen...“, kam es leise über seine bebenden Lippen. Er tastete nach dem Auge, das noch funktionierte, und wischte eine Träne daraus fort.

      Susan trat zu uns. „Sie schicken den Krankenwagen sofort los, Biff.“

      Ich nickte dankend, ohne den Kopf von Ross zu wenden.

      „Wird er durchhalten?“, fragte Charles.

      „Kann ich hellsehen?“, gab ich ärgerlich zurück.

      Ross’ Körper durchrieselte ein konvulsivisches Zucken. Jetzt ist es aus mit ihm, dachte ich. Doch der kleine Gangsterboss war zäher, als ich vermutete.

      Er schaffte es noch einmal, das Auge aufzumachen. Ich werde seinen Blick wohl nie mehr vergessen. Es lag viel Hass, eine Menge Feindschaft in ihm, aber es lag auch ein verzweifeltes Flehen darin. Ein Flehen um Hilfe und um Vergeltung für das, was man ihm angetan hatte.

      »Er — er hat... einfach... abgedrückt“, flüsterte Montague Ross. Es war ihm anzusehen, dass er sich stark anstrengen musste, um überhaupt noch ein Wort über die Lippen zu bringen.

      „Wer, Ross?Wer?“, fragte ich aufgeregt.

      Wieder erbebte sein Körper. Eine dieser Erschütterungen würde ihn wohl bald wegraffen.

      „Wer?“, drängte ich deshalb. „Wer hat einfach abgedrückt?“

      Seine Hand fiel plötzlich schlaff herab. Die Finger zuckten, er rang verbissen mit dem Tod. Er wollte noch nicht sterben, wollte uns noch etwas sagen.

      Die Lippen formten bereits die Silben, doch die Stimmbänder wollten ihm nicht mehr gehorchen.

      Immer noch stand das Auge offen. Solange er es offenhalten konnte, war er am Leben. Er wusste das anscheinend, denn er bemühte sich krampfhaft, es nicht zu schließen.

      „Wer, Ross?“, sagte ich, einer Verzweiflung nahe.

      „Der Chinese“, presste Ross beim letzten Aufflackern seines Lebenswillens hervor. „Wer ... ist... das?“

      Der Chinese!

      Ein Kerl, der uns, seit wir den Fall übernommen hatten, immer wieder aufgefallen war. Ein Kerl, der mir das Leben gerettet hatte.

      Wer war dieser verdammte Chinese, der hierhergekommen war, um Montague Ross und Mei Chen eiskalt niederzuknallen?

      Ross starb mit dieser Frage auf den Lippen. Er sollte nie erfahren, wer der Chinese war.

      Aber sollten wir es je erfahren?

      Das jähe Aufbrüllen eines Automotors ließ mich erschrocken hochschnellen.

      „Der Chinese!“, schrie ich. „Er haut ab!“

      32

      Der Kerl hatte sich den dunkelgrauen Thunderbird von Montague Ross geliehen. Damit raste er davon, als wäre der Teufel hinter seiner schwarzen Seele her.

      Charles Lenoire hatten wir im Strandhaus zurückgelassen. Er sollte die Männer vom Krankenwagen beschwichtigen und die Polizei verständigen.

      Susan und ich starteten gleichzeitig. Wir warfen uns in den Mustang und nahmen den Fehdehandschuh des Chinesen tatendurstig auf.

      Um die Sache etwas zu erleichtern, schaltete ich das Blaulicht ein und ließ die Sirene wimmern. Susan schnappte sich inzwischen das Sprechfunkgerät. Sie setzte sich mit der Streifenwagenzentrale in Verbindung, erzählte, was passiert war, und gab unsere Position durch.

      Jetzt begann eine gnadenlose Jagd auf den Chinesen.

      Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis wir ihn hatten.

      Es wurde eine mörderische Verfolgungsjagd. Wir waren mitten in den Abendverkehr hineingeraten. Der Thunderbird fegte rücksichtslos zwischen den diszipliniert dahinrollenden Fahrzeugen hindurch, löste durch sein lebensgefährdendes Verhalten ein protestierendes Hupkonzert aus, scherte sich aber keinen Deut um die aufgebrachten Autofahrer.

      Er streifte einen friedlich dahinzuckelnden Radfahrer und schleuderte ihn in die Auslage eines Metzgerladens, brauste über Gehsteige, jagte die Gegenfahrbahn entlang und entging einem tödlichen Frontalzusammenstoß zweimal nur dadurch, dass die ihm entgegenkommenden Lenker gerade noch im letzten Moment ihre Wagen verrissen und in den Straßengraben donnerten.

      Ich hatte es trotz Sirene und Blaulicht ziemlich schwer, dem verrückten Kerl auf den Fersen zu bleiben. Ich dachte nicht im Traum daran, seinetwegen auch nur ein unschuldiges Menschenleben zu gefährden. Er würde sich das Genick auch ohne mich brechen, davon war ich überzeugt.

      Plötzlich warf der Kerl das Steuer blitzschnell nach rechts herum. Susan krallte sich fest in die Polsterung, als ich dasselbe Manöver vollführte. Tapferes Mädchen, dachte ich. Sie sagte mit keiner Silbe, dass ich zu riskant fuhr, denn sie brannte genauso darauf wie ich, dem Chinesen endlich das Handwerk zu legen.

      Irgendwie war ich trotz allem in einen Zwiespalt geraten. Da vorn flüchtete mein Lebensretter. Mir persönlich hatte er nur Gutes getan, und trotzdem musste ich ihn so lange jagen, bis er aufgab. Wahrscheinlich würden sie ihn nachher hinrichten, denn er hatte zwei Menschen kaltblütig erschossen. Wenn er Glück hatte, bekam er Lebenslänglich. Vielleicht gestand ihm das Gericht mildernde Umstände zu, weil er mich vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. Ich würde damit jedenfalls nicht hinter dem Berg halten. Das war ich dem großen Unbekannten schuldig.

      Mein Mustang legte sich tief in die Federn. Er machte förmlich einen Hofknicks. Die Pneus jaulten entsetzt über meine ungewohnte Fahrweise. Das Hinterteil meines Wagens wollte sich einmal nach links, dann aber nach rechts absetzen, und ich musste viel von meinem Fahrkönnen aufbieten, um das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bringen.

      Der Thunderbird schoss inzwischen die kleine Straße entlang. Nach hundert Metern zweigte er erneut ab. Er jagte genau auf die Zufahrt einer Mehlfabrik zu.

      Schon hatte er das Gelände der Fabrik erreicht. Was hatte der Chinese vor? Dachte er, mich hier besser abhängen zu können?

      Wir sausten im Höllentempo zwischen den Gebäuden durch. Eines der Gebäude umrundete er mehrmals, bevor er auf die vier Getreidesilos