Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212730
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mächtigen Satz, hob mit den beiden rechten Rädern gleichzeitig ab und überschlug sich im selben Augenblick.

      Der Thunderbird kreiselte auf dem lockeren Kies vorwärts und knallte gewaltig gegen einen Betonpfeiler der Getreidesilos.

      Doch noch gab sich der Chinese nicht geschlagen. Er kroch aus dem auf dem Dach liegenden Wagen und zerrte eine riesige gelbe Reisetasche heraus. Damit begann er wankend zu laufen.

      Ich bremste meinen Mustang scharf ab.

      Schon war ich aus dem Wagen. „Halt!“, brüllte ich, dass mir die Adern am Hals weit heraustraten. „Halt!“

      Der Chinese wandte sich um und feuerte auf uns. Susan, die neben mir stand, sprang blitzschnell in Deckung.

      Ich riss wütend meine Waffe heraus und lief hinter dem Schießwütigen her. Er rannte auf eine steil nach oben führende Holztreppe zu.

      „Gib der Zentrale unsere Position durch“, schrie ich Susan Tucker zu. Sie nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, und lief geduckt zum Wagen zurück.

      Der Chinese hatte die Treppe erreicht. Nun wandte er sich mit einem Ruck um. Er richtete den klobigen Schalldämpfer auf mich. Ich ließ mich fallen. Die Kugel pfiff nur wenige Millimeter an meinem Ohr vorbei. Es war keine Musik, die ich da gehört hatte.

      Na, warte, Freundchen, dachte ich.

      Ich riss die Waffe im Liegen hoch und zielte genau. Dann drückte ich ab. Der Knall flog mir von den kalten Wänden der Getreidesilos entgegen.

      Drüben an der Treppe tat sich in diesem Augenblick einiges: Der Chinese war wie ein Holzklotz umgefallen. Er hatte sich verzweifelt ans Bein gefasst. Es war das rechte. Jenes, auf das ich gezielt hatte.

      Nun kam er wieder hoch. Er ließ die schwere Reisetasche liegen, denn sie behinderte ihn zu sehr bei seiner Flucht.

      Er hinkte die Holztreppe keuchend hinauf.

      „Halt!“, schrie ich ihn an. Doch er hörte nicht auf mich. Er keuchte weiter. Bis er oben war. Und oben wirbelte er herum und jagte mir ein paar heiße Kugeln um die Ohren.

      Ich zählte nach. Eigentlich konnte er keine Kugel mehr in der Trommel haben: für Ross und Mei Chen je eine Kugel, vorhin zwei und jetzt nochmals zwei. Die Trommel musste leer sein.

      Außer er hatte nach dem Mord an Ross und Mei Chen nachgeladen.

      Nun war guter Rat teuer. Ich wollte ihn von da oben herunterholen. Wenn ich aber hinaufkletterte, konnte er mich wie einen Spatzen abschießen. Mühelos. Die Freude wollte ich ihm natürlich nicht machen. Ein wenig außer Atem, blieb ich in meiner Deckung, in die ich gesprungen war, nachdem ich auf ihn gefeuert hatte. Die Zeit arbeitete eigentlich für mich, denn er hatte eine Verletzung am Bein, die sicher recht weh tat. Die Schmerzen würden ihn allmählich zermürben. Inzwischen müssten ja auch die Streifenwagen von überallher hier eintreffen. Ein Entkommen war für den Chinesen jetzt schon so gut wie ausgeschlossen. Es war Borniertheit, die ihn nicht

      aufgeben ließ.

      Susan lief mit schnellen Schritten vom Mustang zu mir herüber. Sie hatte eben den halben Weg zurückgelegt, da sah ich den Chinesen oben wieder auftauchen.

      „Susan!“, kreischte ich entsetzt. „Paß auf!“

      Meine Partnerin schlug blitzschnell einen Haken. Die ihr zugedachte Kugel riss ein hässliches Loch im Staub des Weges.

      „Danke, Biff“, keuchte Susan außer Atem, als sie mich erreichte.

      „Man sollte dir für deinen Leichtsinn den Hintern versohlen“, schnarrte ich.

      „Das würde dir so passen“, zischte Susan zurück. Sie blickte vorsichtig nach oben. „Ich hab’ eine Idee, Biff.“

      „Du meinst, wie wir Opas Gorilla vom Gleis fegen können?“

      „Ja, Biff.“

      „Lass hören, Partnerin.“

      „Ich habe mir die vier Silos genauer angesehen. Auf der anderen Seite gibt es ebenfalls so eine Holztreppe wie diese da.“

      „Kluges Kind“, grinste ich ärgerlich.

      „Dann bin ich aber auf einem anderen Silo. Aber das macht dir ja nichts aus.“

      „Nicht immer gleich mit dem Fenster ins Kreuz, Biff. Lass mich doch erst mal ausreden“, fauchte Susan zurück.

      „Okay. Wir haben ja Zeit“, nickte ich sarkastisch.

      „Wenn du nicht immer dazwischen plappern würdest, hätte ich schon lange gesagt, was ich sagen will. — Die vier Silos sind durch brückenartige Gebilde miteinander verbunden.“

      Jetzt musste ich wieder einen Rückzieher loslassen. „Gute Idee, Mädchen“, sagte ich begeistert.

      „Während du hochturnst, halte ich den Kerl hier in Schach und gebe dir nötigenfalls Feuerschutz.“

      „Du bist ein Engel, Susan. Da schießt mir doch gleich das Wasser in die Augen.“

      „Mach schnell, Biff.“

      „Mach’ ich. Und halte die Lesemänner offen.“

      „Okay. Und... Biff...“

      „Ja?“

      „Pass auf dich auf.“

      Ich küsste sie auf den kirschroten Mund. Er war warm und trocken.

      „Okay, Mädchen. Und wenn’s Höschen kneifen sollte, dann schreist du, ja?“

      Ich gab ihr noch einen leichten Klaps auf die Wange, wandte mich dann um und lief die Front der riesigen Silos entlang.

      Wenige Augenblicke später hatte ich die Holztreppe, von der Susan gesprochen hatte, erreicht.

      Ich zuckte erschrocken zusammen, als ein Schuss peitschte. Den konnte nur Susan Tucker abgegeben haben. Die Detonationen ihres kleinen Knallers waren mir bestens bekannt.

      Die Ungewissheit darüber, was passiert war, trieb mich zu allergrößter Eile an.

      Ich hastete die steile Treppe hinauf. Mir kam vor, als würde sie geradewegs in den Himmel führen, so lang war sie.

      Als ich endlich ihr Ende erreicht hatte, musste ich eine Verschnaufpause einlegen. Hatte der Chinese so lange gewartet, konnte er auch noch die eine Minute zugeben.

      Ich überschritt den ersten Silo.

      Vom Chinesen war kein Zipfel zu sehen.

      Nun hatte ich den Rand des ersten Silos erreicht. Susan hatte recht, hier führte ein brückenartiges Gebilde zu Silo Nummer 2 hinüber. Es war ein schmaler Eisensteg. Die Männer, die ihn montiert hatten, hatten wohl nicht mehr genügend Zeit gefunden, auch ein Geländer zu befestigen.

      Wie ein Seiltänzer im Zirkus tänzelte ich über den schmalen Steg. Unter mir gähnte eine gefräßige Tiefe, die mich gern mit Haut und Haaren verschlungen hätte.

      Mit ein wenig Herzklopfen erreichte ich den zweiten Silo. Dann kam Nummer 3 — und dann war ich auf Nummer 4. Auf „unserem“ Silo. Auf dem, den ich mir mit dem Chinesen teilte.

      Jetzt wurde die Sache heikel!

      Wie Silo Nummer 1 trug auch Silo Nummer 4 einen kleinen hölzernen Aufbau. Ich war ganz sicher, dass der Chinese hinter diesem Aufbau hockte und sich das schmerzende Bein hielt.

      Ich schlich auf Zehenspitzen vorwärts. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Gleich musste es zur Entscheidung kommen. Wer würde siegen? Er oder ich? Wenn ich ehrlich bin, hoffte ich, dass er Pech haben würde und nicht ich.

      Drei Meter trennten mich noch von dem hölzernen Aufbau. Es waren oberflächlich aneinandergenagelte Latten. Verwittert, leicht morsch. Zwischen den Latten waren dicke Ritzen. Je näher ich kam, desto besser konnte ich die geduckten Umrisse des Chinesen erkennen.