„Auf jeden Fall wird Dr. Donovan leiden“, prophezeite Allan. „Dieser verfluchte Verräter… Und was den Killer angeht, so kriegen wir den! Und seine Hintermänner auch. So war ich hier stehe!“
19
Unterwegs erläuterte uns Mr McKee kurz den Inhalt von Gary Bentos Aussage. Danach hatte sich Murray Zarranoga regelmäßig auf Grund einer Krebserkrankung von Dr. Donovan behandeln lassen. Aber diese Behandlungen hatten Zarranoga auch dazu gedient, sich unbehelligt mit den Unterführern seiner Organisation treffen zu können. Das Abhören durch die Polizei war durch die Gesetzesänderungen der letzten Jahre stark erleichtert worden – aber das Behandlungszimmer eines Arztes blieb in dieser Hinsicht die letzte Tabu-Zone.
Die Drogenpolizei DEA hatte Zarranoga in den letzten Jahren stark zugesetzt und so hatte er ständig damit gerechnet, abgehört zu werden.
„Gary Bento ist der Meinung, dass Brad Mendoza seine Informationen nur von Dr. Donovan bekommen haben kann, der bei den Treffen anwesend war und den Schein einer Behandlung wahrte!“, erklärte uns Mr McKee.
„Vielleicht hat Mendoza seinen Arzt erpresst!“, vermutete ich. „Angenommen, er hat herausgefunden, was bei Dr. Donovans Behandlungen so läuft, hätte doch eine Anzeige bei der Ärztekammer genügt, um dessen Existenz zu vernichten.“
Eine Viertelstunde später bekamen wir einen weiteren Anruf. Die Praxis des Arztes war von einer Einheit der City Police gestürmt worden. Aber es war niemand dort gewesen.
Es blieb nur noch sein Penthouse in einer exquisiten Wohnlage an der Third Avenue auf dem Murray Hill. Vom Ausgang des Queens Midtown Tunnels aus war das nur noch ein Katzensprung.
Wir fuhren in die zum Haus gehörende Tiefgarage ein und trafen dort auf Einsatzkräfte der City Police, die kurz vor uns eingetroffen waren und gerade Kevlar-Westen anlegten.
Wir stiegen aus.
Jay und Leslie trafen kurze Zeit später ein.
Wir legten ebenfalls kugelsichere Westen an. Falls wir Rick Chaves tatsächlich hier stellen konnten, mussten wir damit rechnen, dass er alles auf eine Karte setzte. Wie gefährlich er war, hatte er ja bereits unter Beweis gestellt.
Zwei Security Guards des Privaten Sicherheitsdienstes, dem die Sicherheit im Haus übertragen worden war, kamen auf uns zu. Wir zeigten ihnen die Ausweise.
„Wir müssen im Penthouse eine Festnahme vornehmen“, eröffnete ich dem Größeren der beiden. „Es wäre schön, wenn Sie uns beim Öffnen der Wohnungstür behilflich wären.“
„Wir haben elektronische Schlösse. Das ist nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen, Agent…“
„Trevellian.“
„Jedenfalls muss ich da erst mal nachfragen.“
„Tun Sie das! Und zwar schnell, denn für Dr. Donovan kann es um Leben und Tod gehen!“
20
Nachdem der Wachmann mit seinem Vorgesetzten Kontakt aufgenommen hatte, waren sämtliche Hemmnisse schnell beseitigt. Die Security Guards begleiteten uns zum Penthouse.
Für Notfälle gab es eine Chipcard, die zusammen mit einem Sicherheitscode als Generalschlüssel verwendet wurde. Der Security Guard öffnete uns die Tür zum Penthouse. Wir stürmten mit der Dienstwaffe in der Hand in die Wohnung. Ich durchquerte zunächst einen kleinen Vorraum.
Aus dem Nachbarzimmer waren Geräusche zu hören. Ein unterdrücktes Stöhnen.
Ich trat die Tür zur Seite.
Ein Sessel war umgestürzt.
Ein Mann lag an Händen und Füßen gefesselt auf dem Boden und wimmerte. Ein Knebel steckte ihm im Mund. Er stöhnte auf.
Rick Chaves – sofort zu erkennen an der WINNER-Mütze – beugte sich über ihn. In der Rechten hielt er einen Elektroschocker. Funken sprühten.
„Hände hoch! FBI! Sie sind verhaftet!“, rief ich.
Chaves griff unter die Jacke und riss eine Automatik vom Kaliber 45 hervor.
Dabei ließ er den Elektroschocker fallen.
Ich feuerte einen Sekundenbruchteil vor ihm. Meine Kugel traf ihn an der Schulter. Chaves wurde zurückgerissen. Sein Schuss ging in die Wand. Er taumelte und fiel der Länge nach hin. Ich näherte mich. „Die Waffe weg!“, wiederholte ich.
Er ließ sie los.
Ich näherte mich ihm bis auf einen Schritt und trat die Automatik ein paar Meter zur Seite. Sie rutschte über den Teppichboden, bis sie durch den umgestürzten Sessel gestoppt wurde.
Chaves hielt sich die Schulter. Blut rann ihm zwischen den Fingern hindurch. Er stöhnte auf. „Mister Rick Chaves, Sie sind verhaftet, da Sie des Mordes an Brad Mendoza verdächtigt werden.“ Anschließend informierte ich ihn über seine Rechte, über die er mit Sicherheit schon genauestens Bescheid wusste. Schließlich war dies nicht seine erste Verhaftung.
Milo und Leslie kümmerten sich derweil um Dr. James Donovan.
„Dieser Teufel!“, entfuhr es Donovan, nachdem Leslie ihn von seinem Knebel befreit hatte.
Jay Kronburg forderte inzwischen den Emergency Service an, denn sowohl Rick Chaves als auch Dr. Donovan brauchten ärztliche Hilfe.
„Wie geht es Ihnen, Dr. Donovan?“, fragte Milo an den Arzt gewandt.
„Wie soll es mir schon gehen, nachdem dieser Verrückte über mich hergefallen ist?“, fauchte er. „Was wird hier eigentlich gespielt?“
„Ich denke, dass wissen Sie ganz genau, Dr. Donovan“, erwiderte ich kühl.
Donovans Nasenflügel bebten. Er rieb sich die Handgelenke. Chaves hatte ihn mit Kabelbindern gefesselt, die ziemlich stramm angelegt worden waren und mit Sicherheit Fesselmale hinterließen, die noch nach Wochen zu sehen waren.
Donovan wandte mir einen kurzen Blick zu.
Er schwieg.
Und dafür hatte er auch einen Grund. Schließlich war er sehr viel tiefer in Zarranogas Machenschaften verwickelt, als er zuzugeben bereit war. Seine Karriere als Arzt war so gut wie zu Ende. Wahrscheinlich musste er sich auch noch auf juristische Konsequenzen gefasst machen.
„Chaves hat Sie brutal mit einem Elektroschocker gefoltert“, stellte ich fest. „Ich nehme an, Sie wollen ihn deswegen anklagen?“
„Werde ich jetzt hier ins Kreuzverhör genommen oder was soll das Ganze? Ein Irrer hat mich überfallen und dafür wird er büßen! Aber das ist eine Sache, die ich mit meinem Anwalt besprechen werde – und nicht mit Ihnen!“
„Mein Name ist Agent Trevellian“, klärte ich ihn auf. „Murray Zarranoga war Ihr Patient, nicht wahr?“
„Sie wissen, dass das der Schweigepflicht unterliegt!“
„In diesem Fall wird die Schweigepflicht aufgehoben, da bin ich mir ganz sicher, Dr. Donovan.“
„Sie können mich mal!“
„Dann hören Sie sich einfach nur an, was ich zu sagen habe. Das Recht zu schweigen ist Ihnen natürlich unbenommen!“
„Zu